sieben

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Die Tage zogen an mir vorbei, wie Sternschnuppen am Himmelszelt. Stunden fühlten sich wie Sekunden an und Tage wie Minuten. Am Tag war ich damit beschäftigt die Schule zu überleben und meinen Eltern aus dem Weg zu gehen und nachts telefonierte ich mit Gwendolyn, bis uns beide die Müdigkeit übermannte.

Ich hing an ihren Lippen, wenn sie mir von ihrem Leben erzählte, von ihren Hobbys und ihren Wünschen. Selbst Hausaufgaben waren mit ihrer Stimme im Hintergrund nicht allzu schlimm.

Aber trotz allem wollte mir unser erstes Telefonat nicht aus dem Kopf gehen; Gwens Schluchzen und ihre heisere Stimme verfolgen mich sogar bis in meine Träume. Leider hatte ich noch immer nicht den Mut gefunden, sie darauf anzusprechen, aber ehrlich gesagt, wollte ich auch nicht übers Telefon mit ihr darüber reden.

Natürlich wäre es um einiges praktischer. Gwendolyn würde nicht mitbekommen wie unsicher ich war, oder wie sehr mich ihre Anwesenheit aus dem Konzept brachte, aber nein.

Gedankenverloren schüttelte ich meinen Kopf. Sie hatte etwas besseres verdient. Sie sollte verstehen, dass es mir ernst war; dass ich mich wirklich um sie sorgte. Und egal was, oder vielleicht wer, ihr Probleme bereitete, ich würde für sie da sein.

„Elisabeth!" Die sanfte Stimme meiner Mum, holt mich aus meinen Gedanken. Ich sehe zu meiner Zimmertür, wo sie leicht lächelnd steht. Ihre goldenen Haare, die den meinen so ähnlich sind, hat sie mit einem farbigen Tuch zusammengebunden und ihr schlanker Körper steckt in einem luftigen Sommerkleid.

Manchmal wünsche ich, ich hätte mehr von ihr geerbt, als nur das blonde Haar. Zum Beispiel ihre selbstbewusste und gleichzeitig warmherzige Art, mit der sie alle Leute in ihren Bann zieht. Oder ihre perfekte Figur, die, egal wie viel sie auch essen mag, unveränderlich bleibt.

Oder ihr sanftes Lächeln, das sie mir gerade schenkt. „Hallo, mein Schatz. Na, wie war die Schule heute?"

Oh, wie könnte ich ihre reine Seele nur je mit meinen Sorgen belasten?

„War super heute.", sage ich schließlich und richte mich in meinem Bett auf.

Mums Lächeln verrutscht ein wenig, aber sie fragt nicht weiter nach. Mittlerweile weiß sie, dass sie eh nicht mehr aus mir herausbekommen wird, dafür haben wir uns einfach zu weit auseinandergelebt. Und verdammt, dass tut mir so unendlich leid.

„Ähm... Mum?" Sie richtet ihre dunkelbraunen Augen auf mich. „Ich hab da jemanden kennengelernt. Könnte sie vielleicht nächste Woche mal mit hier her kommen?"

Ihre Augen werden riesig und sie grinst mich breit an. „Eine Freundin?"

Ich spiele mit dem silbernen Ring an meinem Finger, kann meiner Mutter kaum in die Augen schauen, da das Ganze so unfassbar unangenehm ist. „Ja, ich glaube schon." Eigentlich hab ich keine Ahnung ob sie meine Freundin ist.

„Das ist ja wunderbar! Natürlich kann sie herkommen. Ich möchte sie unbedingt kennenlernen!" Strahlend lässt sich meine Mum auf dem alten Sessel nieder, der in der Ecke meines Zimmers steht, zwischen mehreren Topfpflanzen und unzähligen Bücherstapeln; vollgepackt mit allem möglichen Zeug.

Aber Mum scheint das nicht zu stören. „Na los, Ellie! Erzähl mir ein bisschen was über sie! Das letzte Mal als du mir von einer Freundin erzählt hast, war glaube ich im Kindergarten!"

Augenblicklich schleicht sich ein leises Lächeln auf meine Lippen, als ich an Gwen denke. Ihr schwarzes kurzes Haar, ihre roten Lippen, die so wundervoll lachen können und ihre meerblauen Augen, die mich jedes Mal in ihren Bann ziehen.

„Also, sie heißt Gwendolyn..." , beginne ich schließlich. Entschlossen sehe ich meiner Mum in die Augen. „... und mit ihr kann ich frei sein."

Rot-Oranger RegenbogenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt