Drohung

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Was du jetzt gleich lesen wirst, ist nichts für schwache Nerven. Es ist Fiktion, könnte aber genau so geschehen sein.

"Ich werde dich abstechen. Ich habe mehr Freunde als du, ich habe eine grosse Familie, wir haben eine Neun-Millimeter. Wir werden dich abknallen, wir werden dir dein dämliches Gehirn rauspusten, du dämliche Bitch. Ich bin viel hübscher als du."

Gleich vornweg – ich bin kein Psychologe. Aber man muss auch keiner sein, um zu verstehen, was hier abgeht. "Mein Papi ist stärker als dein Papi." – Wir Jungs hatten die gleichen Spiele im Sandkasten. Gegenseitig haben wir uns hochgeschaukelt, bis einer von beiden sagte, sein Papi sei immer um eins stärker als des andern Papi. Dann war der Wettkampf vorüber und wir spielten wieder im Sandkasten. Game over.

Früher sagten wir, die Mädchen stritten ein Leben lang, während die Jungs sich einmal richtig die Schnauze verhauen, um danach wieder gemeinsam neuen Zielen entgegen zu gehen. Heute hat sich die weibliche Drohung in die Sozialen Medien verlagert. Sie vergessen nie. Da gibt es kein Zurück. Geschrieben ist geschrieben – auch Jahre später. Weiss die hübsche (aber offensichtlich dumme) Tussi überhaupt, was sie hier schreibt oder verbal postet? Was, wenn sie in zehn Jahren wegen eben dieser Äusserung den wirklich wichtigen und lukrativen Job nicht kriegt? Sie denkt nicht so weit – sie kann gar nicht so weit denken. Ihr Hirn ist reduziert auf momentane Wichtigkeit, auf Scheinpopularität und auf imaginäre Macht durch ähnlich denkende Machos. Dass sie sich dabei auf eine vollkommen unwichtige (aber vielleicht schöne) Schaufensterpuppe reduziert, ist ihr nicht bewusst. Sie delegiert ihre vermeintliche Stärke an andere, an ihre Familie, was sie schwach macht.

Die weiblichen Jugendlichen von heute sind brutaler geworden. Anstatt sich, wie Monika und Sandra damals, an den Haaren zu reissen, sich wochenlang nicht anzusehen, drohen sie einander mit Mord und Krieg durch die ganze Familie. Dass sie sich dabei gegen geltendes Gesetz stellen, scheint sie nicht zu stören. Sie fühlen sich übermächtig, unantastbar. Sie gleichen damit ihren männlichen Vorbildern in ihren schnellen und scheinbar unbesiegbaren Autos. Das wirkliche Leben hat Züge und Werte der Videogames angenommen, wo ein unbesiegbarer Charakter alles erreichen kann.

Was die dumme Tussi dabei nicht beachtet, ist das geltende Gesetz. Da helfen ihr weder ihre Familie (die allesamt zur Rechenschaft gezogen könnten) noch ihre Freunde, welche sich ebenfalls strafbar machen. In ihrem beschränkten Denken und Handeln bewegt sie sich in einem Videospiel. Sie ist die attraktive Kämpferin, die unbesiegbare Wonderwoman mit dem perfekten Körper. Würde sie nur einmal in den Spiegel schauen, könnte sie eine seelenlose und schwache Barbiepuppe erkennen. Abhängig von ihrem Ken, der sie im offenen V8 Cabrio durch die schnelllebige Welt fährt, damit sie von vielen Menschen bestaunt und beneidet werde.

Wie glücklich bin ich über alle Menschen, welche solche Puppen nicht beachten. Wie dankbar bin ich Gesetz und Polizei, welche solche Drohungen ernst nehmen und die notwendigen Schritte einleiten. Tschau Tussi – dir trauert niemand nach.

Einerseits ... FortsetzungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt