Einerseits ... Fortsetzung

Eine Frage der Energie

Für Dich

Wann immer du dich an eine Tastatur setzt und deinen Gedanken freien Lauf lässt, entsteht eine Zaubermurmel. Jede deiner Murmeln enthält eine Welt voller Liebe und Magie. Es scheint, als ob deine Finger, welche flink über die Tasten schwirren, mit ihrem sanften Druck nicht bloß Buchstaben, sondern ein heilendes Elixier erschaffen können, welches die lesenden Menschen in fantastische Welten entführt.

Das Elixier versteckt sich, auf lesende Augen wartend, in den Worten - seinem Speicher auf alle Ewigkeit. Unerschöpfliche Zauberkraft, die jeden ergreift, der sich den Worten hingibt, auch wenn deine Zeit hier auf der Erde schon längst vorüber sein wird und du deine Botschaften mit anderen Mitteln verbreiten wirst. Mit deinen Worten füllst du ganze Bücher, Ozeane der Träume, Energiequellen für Menschen, die auf kurze Zeit ihrem Dasein entrinnen und einer grauen Realität entfliehen wollen. Die Worte sind die Murmeln, die Murmeln sind die Wassertropfen der Erlösung, das Öl der magischen Wunderlampe mit ihrem Licht der Inspiration.

Gleichzeitig stellen die Murmeln, wie das Yang zum Yin, Tränen der Erschöpfung dar. Wenn die Gesetze der Energie auch für den Zauber ihre Gültigkeit haben, so ist keine Energiequelle unerschöpflich. Mit jedem Wort, das du schreibst, gibst du ein kleines Tröpfchen deiner Energie ab und obwohl du sorgsam darum bemüht bist, deine eigene Kraft ständig zu nähren, kommt zweifelsohne einst ein Punkt, an dem nichts mehr fließen will. Du stolperst über deine Finger, die eigenen Worte berühren dich nicht mehr und du findest die Buchstaben, welche schwarz auf weiß erscheinen, wenig inspirierend, kraftlos.

Das Schreiben wird zu Plage, es folgt einem Druck, liefern zu müssen; einem Druck, der nicht wirklich besteht und dennoch auf seltsame Art stärker wird. Dies ist der Moment, in welchem du an deinem Schaffen zu zweifeln beginnst. Worte sind Schmerz, egal ob sie geschrieben, gelesen oder gesprochen werden. Das Elixier ist aufgebraucht. Es scheint, als ob die geheimnisvolle Wunderlampe mit einem letzten, zerbrechlichen Räuchlein signalisiert, am Ende zu sein, das Licht erlischt, der dunkle Dschinn übernimmt die Regie. Alle, die wir schreiben, kommen ständig wiederkehrend an diesen Punkt, den Totpunkt eines ausschlagenden Pendels.

Erinnere dich, woher unsere Energie kommt. Woher nehmen wir die Magie, welche wir in unsere Worte stecken? Aus dem Leben. Darum sage ich dir: lebe. Stell deinen Laptop in die Ecke, schalte dein Smartphone aus. Folge deinem Herzen und lebe. Sprich mit Menschen, gib dich ihrem Unsinn hin, der eigenartigerweise sogar Sinn entwickeln kann. Spüre eine Wiese, rieche den Wald, bade im Fluss und suhle dich in den Worten der Menschen in deiner Umgebung. Sauge sie auf, mit allen Sinnen. Sie werden das Licht stärken, den inneren Schatten vertreiben. Lass nicht zu, dass ein imaginärer Druck der Flamme ihren Sauerstoff raubt.

Zaghaft erst, aber stetig wachsend, wie die Melodie von Smetanas Moldau, wird sich der magische Strom über den dunklen Dschinn ergießen und ihn zurück in seine einsame Höhle zwingen, das Licht wird wieder leuchten und die Tropfen können sich erneut zu Murmeln formen, welche die Gedanken wieder fließen lassen.

Magische Geschichten entstehen nicht ohne den Zweifel. Es braucht immer beide Seiten und es braucht das Gleichgewicht.

Es gibt Momente, da muss uns jemand an der Hand nehmen, mit uns ins Nichts gehen und einfach nur reden. Es geht dabei nicht um Hilfe oder Heilung, es geht ganz einfach darum, zu leben. Damit das Leben die Energie nähren kann, welche in deinen Fingern zur Magie wird.

Darum wisse, wann immer du deine Murmeln kleiner und schwächer werden spürst, bin ich für dich da, wie alle deine Freunde strecke ich dir meine Hand entgegen, mit all meinen Flausen im Kopf. Du bist eine wunderbare Frau, ein einzigartiger Mensch. Du verzauberst deine Umwelt mit deinen Worten, die aus deinen Fingern fließen. Dafür danke ich dir, denn ich bin einer von den vielen Menschen, die in deinen Murmeln dem grauen Alltag entfliehen.