Eingebettet in die sanften Hügel im Hinterland von Florenz liegt Vallebona. Ein Ort der Ruhe, fernab aller Hektik der Grossstadt. Vallebona ist ein Agriturismo – von denen gibt es so viele – und doch ist es einzigartig. In seiner vierzigjährigen Geschichte hat sich der romantische Ort sanft zu einer Wohlfühloase entwickelt. Vallebona ist speziell. Vom ersten Moment der Ankunft, fühle ich mich, als Besucher, in einer anderen Welt. Es scheint, als ob der steile Naturpfad, einem Bachbett ähnlich, alle Sorgen wegspült, die Sinne und die Seele reinigt und oben ein anderer Mensch vor dem mächtigen Haus steht, als der unten den Weg beschritten hat. Nicht länger bin ich mehr Besucher, sondern ein Teil des Ganzen.
Das Gebäude ist rustikal, ein ehemaliger Verteidigungsturm, später ein Haus für die noble Gesellschaft. Heute führen Raimonda und Franco ein Haus der Familie, der Freundschaft, der Liebe. Es ist nicht nur die Liebe zu den Gästen, sondern auch die Liebe zu Ausgeglichenheit, zur Natur und zu den Pferden, welche das Sein an diesem Ort so nahbar, so echt machen. Betrete ich das Haus, bin ich zuhause. Das Gebäude hätte eine lange Geschichte zu erzählen, gewiss, aber es strahlt Gegenwart und Geborgenheit aus. Ambiente. Aus der Küche strömt unsichtbar bereits der würzige Duft der nächsten Mahlzeit zu meinen Nasenflügeln, erregt meine Fantasie und lässt den Magen knurren. Wer braucht Sauerstoff, wenn es solche Gerüche gibt?
Der grosse Kamin steht beherrschend im Zentrum der Hauses. Meterlange Holzstämme brennen, glimmen, spenden Wärme für das ganze Gebäude. Vor dem Kamin, im wärmsten Raum, kommen die Menschen einander näher. Der Lärmpegel steigt, es wird gelacht, gesprochen, diskutiert, geweint, geliebt – gelebt. Sprache ist bloss eine Erfindung der Trennung. Hier hat Sprache keine Chance gegen Empathie und Verständnis. Es herrscht eine einzigartige Gemeinsamkeit in diesen Mauern. Ruhig schnappt sich Franco die Gitarre, beginnt zu singen. Nach und nach stimmen die Menschen im Raum mit ein, auch wenn sie den Text nicht kennen. Musik verbindet Menschen untereinander besser als Nationalitäten. Loslassen, sich eingeben und treiben lassen, getragen werden von innerer Ruhe und Zufriedenheit. Es entstehen wertvolle Freundschaften fürs Leben in diesen Mauern, vor diesem Feuer, in diesem Licht. Menschen, welche sich hier kennen lernen, werden immer wieder zusammenkommen, die Magie des Ortes verbindet.
Tagsüber kommen dann die Pferde hinzu. Hier reitet man Western. Reiter und Pferd müssen sich zuerst kennenlernen, sie müssen sich gegenseitig mögen und vor allem vertrauen. Wie alles hier in Vallebona braucht auch dies seine Zeit. Erst wenn die Beziehung zwischen Pferd und Reiter stimmt, geht es auf Tour. Ich reite zwischen Olivenbäumen, über Hügel oder durch Täler. Ich reite aber auch durch die Zeit, durch die Gefühle. Wer mit Problemen belastet nach Vallebona angereist kam, hat spätestens auf dem Rücken des Pferdes, unter den Bäumen, nichts mehr davon präsent. In diesem Moment, im Jetzt, gibt es nur das Pferd und mich, in einer sinnlichen Welt. Es ist wie dieses moderne Virtual Reality, nur eben echt. Alles hier ist echt. Hier hat es keinen Platz für Geheimnisse, Intrigen, Verlogenheit. Wozu auch? Mein Pferd guckt mich an, weiss Bescheid, spürt mich und nimmt mich mit auf den Pfad der Gemeinsamkeit.
Manchmal denke ich, etwas mehr Vallebona täte uns allen gut. Nehmen wir unsere Mitmenschen ernst. Hören wir ihnen zu, diskutieren wir mit ihnen und leben im Hier und Jetzt. Die Gefühle, die dadurch frei werden, werden unersetzlich sein, von unschätzbarem Wert. Wenn ich von Vallebona wegfahre, bleibt ein Teil von mir da, wartet bloss, auf dass ich zurückkehre an den Ort des Friedens und der Ruhe.
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Einerseits ... Fortsetzung
RandomWeiter gehts mit den Texten auf einer Seite. Beobachten und Schreiben machen solchen Spass - da muss ich einfach dran bleiben.