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Trübsinnig blickte Hermine auf ihr Frühstück. So sehr sie sich auch für Pansy freuen sollte, dass sie endlich den Mut und das Selbstbewusstsein gefunden hatte, Draco ihre Gefühle zu gestehen, so sehr nagten Zweifel an ihr. Konnte sie wirklich sicher sein, dass Draco nicht doch inzwischen seine Meinung geändert hatte? Oder sie ändern würde, wenn sich ein hübsches, gar nicht mehr so dummes Mädchen wie Pansy mit ernsthaften Absichten präsentierte? Er hatte ihr gegenüber zwar betont, dass er keine Beziehung wollte, doch konnte sie sicher sein, dass er das nicht nur auf sie bezogen hatte? Immerhin war sie nun einmal Hermine Granger, eine Gryffindor, muggelgeboren und beste Freundin von Harry Potter. Würde er sich einem Mädchen aus gutem Hause wie Pansy wirklich versperren? Und warum dachte sie da überhaupt so intensiv und pessimistisch drüber nach? Sie war schließlich nicht wirklich in ihn verliebt und sie hatte immer noch Blaise, der es wirklich ernst mit ihr meinte und der sich als auch echter Gentleman erwiesen hatte - zumindest die meiste Zeit über.

"Hermine, sag mal, wollen wir nich zu dritt nach Hogsmeade morgen?"

Überrascht blickte sie von ihrem Frühstück auf und schaute über den Tisch zu Harry rüber: "Zu dritt? Wer ist denn damit gemeint?"

"Na, du, Ron und ich natürlich", erwiderte Harry verwirrt. Ein Grinsen stahl sich auf Hermines Gesicht: "So selbstverständlich ist das dieses Jahr nicht mehr, mein Lieber. Du hättest auch Ginny meinen können. Und hast du überhaupt Lavender gefragt, ob sie damit einverstanden ist, ihren geliebten Ronald herzugeben?"

"Zufallig habe ich das getan", mischte sich Ron ein, der sich gerade neben Harry gesetzt hatte: "Sie hat nichts dagegen. Sie meinte irgendwas von Mädels-Tag und hat zugestimmt."

"Dann ist es beschlossene Sache!", sagte Hermine fröhlich. Die Aussicht, endlich einmal wieder wie in früheren Jahren mit ihren beiden besten Freunden alleine nach Hogsmeade zu gehen, vertrieb sofort alle negativen Gedanken aus ihrem Kopf.

Am anderen Ende der Großen Halle nahm gerade Pansy all ihren Mut zusammen: "Draco?"

"Mmh?", kam die verschlafene Antwort.

"Hast du Lust, morgen mit mir nach Hogsmeade zu gehen?", fragte sie so gelassen wie möglich, doch ihre Hände waren fest in ihren Rock verkrampft: "Also, nur du und ich?"

Draco war schlagartig hellwach. Er hatte den Unteron dieser Frage genau verstanden und seine erste Reaktion war, einfach abzulehnen. Doch er besann sich eines Besseren. Er konnte die Absichten von Pansy nicht wirklich vorhersehen, vielleicht wollte sie einfach nur so Zeit mit ihm als guten Freund verbringen. Und selbst, wenn sie mehr vorhatte, war es vielleicht an der Zeit, sich dem Gespräch zu stellen. Nach einer kurzen Gedenkpause nickte er schließlich: "Klar, warum nicht."

Das freudige Lächeln, das sich auf Pansys gesicht zeigte, bestätigte ihn nur weiter in seiner Vermutung, doch er riss sich zusammen und ließ sich sein Unwohlsein nicht anmerken.

oOoOoOo



"Wollen wir zuerst ein Butterbier trinken? Ich muss mich unbedingt aufwärmen!"

Draco nickte abwesend. Pansy hatte sich auf ihrem gemeinsam Weg ins Dorf nicht anders verhalten als sonst, dennoch konnte er das ungute Gefühl nicht abschütteln, das ihn schon den ganzen Vormittag über geplagt hatte. Er hoffte sehr, dass er ihr Verhalten falsch interpretierte und sie nicht das vorhatte, was er befürchtete.

"Such du uns schon mal einen Tisch", sagte er zu ihr, nachdem sie ins Drei Besen eingetreten waren: "Ich hole uns Butterbier."

Mit zwei großen Krügen in der Hand kehrte er schließlich zu Pansy zurück, die einen kleinen Tisch in einer entlegenen Ecke des Gastraums ausgesucht hatte. Mit einem nervösen Lächeln bedanke sie sich für ihr Getränk, doch sie rührte es nicht an.

"Hast du mitbekommen, dass ich diese Woche wieder ein A in einem Test geschrieben habe?", fing sie zögerlich an.

"Stimmt, ich erinnere mich!", sagte Draco und hob sein Glas: "Darauf müssen wir anstoßen!"

Ein schwaches Lächeln huschte über Pansys Gesicht, als sie ebenfalls ihr Glas erhob und ihm zuprostete. Sie nahm einen tiefen Schluck, stellte es wieder ab und starrte unentschlossen auf ihre Hände. Draco wollte schon ein ganz anderes Thema anschneiden, da fand Pansy doch den Mut: "Draco ... wir kennen uns inzwischen schon ziemlich lange, was?"

Er nickte stumm.

"Und wir sind auch gute Freunde, oder?"

Wieder konnte er nur nicken.

"Meinst du ... hast du schon mal darüber nachgedacht, ob ... Denkst du, eine Beziehung kann eine Freundschaft zerstören?"

Draco schloss die Augen und atmete tief ein: "Wenn du mir etwas sagen willst, Pansy, ist es besser, nicht um den heißen Brei herum zu reden."

Sie errötete, doch seine Worte hatten ihr offensichtlich Selbstbewusstsein gegeben: "Na gut. Es ist dir vermutlich eh schon bewusst, aber ich will es dir doch endlich selbst sagen. Und deine Antwort wissen. Ich bin in dich verliebt, schon länger, als du es dir vermutlich vorstellen kannst, und ich wäre gerne mehr als nur eine Freundin für dich."

Er nickte langsam, doch ihm fiel nicht ein, was er darauf sagen sollte. Wie gab man einem Menschen, der einem wichtig war, einen Korb, ohne die Freundschaft zu ruinieren?

"Du hast mich zum Reden aufgefordert und jetzt schweigst du selbst?", hakte Pansy verunsichert nach. Draco konnte sehen, dass sie den Tränen nahe war, was ihm das Antworten nur noch schwerer machte. Schließlich griff er über den Tisch nach ihren Händen: "Ich bin ein ziemlicher Idiot, der deine Liebe nicht verdient hat."

"Wer meine Liebe verdient, entscheide ich selbst!", wies Pansy ihn zurecht: "Soll das ein Korb sein?"

"Ja", flüsterte Draco: "Du bist ein klasse Mädchen und eine gute Freundin für mich, aber ... mehr ist da bei mir nicht."

Enttäuscht entzog Pansy ihm ihre Hände: "Aber warum? Was muss ich noch tun? Ich strenge mich in der Schule an, ich versuche, dich nicht zu nerven. Und du hast mit mir geschlafen, also findest du mich jawohl attraktiv."

"Wenn ich gewusst hätte, wie du fühlst, hätte ich niemals mit dir geschlafen, Pansy. Du bist hübsch, wirklich, das meine ich ernst, aber das reicht eben nicht."

Tränen rannen über Pansys Gesicht: "Ich verstehe das nicht. Du findest mich hübsch, wir sind gute Freunde, und alles ... warum reicht das nicht?"

Er konnte nur mit dem Kopf schütteln: "Ich will im Moment keine Beziehung, und selbst wenn ... du bist einfach nicht der Typ Frau für mich."

"Sag mir, was du willst, ich kann mich ändern! Ich habe für dich angefangen, für die Schule zu lernen, ich kann mich ändern!", beharrte sie verzweifelt, doch wieder schüttelte Draco nur den Kopf: "Wenn ich jemals eine echte Beziehung eingehe, dann brauche ich eine ... eine selbstbewusste Frau. Mit der ich streiten kann, ohne dass sie sofort losweint. Die einen Streit gewinnen kann, durch Argumente, nicht durch rumzicken. Da muss einfach ... Leidenschaft sein. Ich will eine Frau, die selbstständig ist, die genauso Karriere macht wie ich. Damit wir unseren Erfolg auch wirklich teilen können."

Er verstummte. Je mehr er darüber nachdachte, was er von einer echten Partnerin erwartete, umso mehr verfestigte sich das Bild von Hermine in seinem Kopf. Es war nicht so, dass sie perfekt auf seine Vorstellungen passte. Vielmehr musste er zu seinem eigenen Entsetzen feststellen, dass sie seine Vorstellungen prägte, dass er genau diese Eigenschaften an einer Frau mochte und erwartete, weil Hermine sie hatte. Verwirrt schüttelte er den Kopf. Wo kam das plötzlich her? Er war ja nicht einmal verliebt in sie und das letzte, was er wollte, war eine Beziehung mir ihr.

"Dann war alles umsonst?", unterbrach ihn da die traurige Stimme von Pansy.

"Wie meinst du das?"

"Ach ... einfach alles", flüsterte sie verzweifelt: "Weißt du, dass ich plötzlich besser in der Schule bin, ist auch nicht einfach so vom Himmel gefallen. Das war Theos Idee. Er meinte, ich könnte damit dein Interesse wecken. Deswegen hab ich Nachhilfe bei Hermine genommen. Ihr hab ich alles zu verdanken."

"Moment, was?", hakte Draco verwirrt nach: "Was hat Hermine damit zu tun?"

"Naja, Theo meinte, dass er nicht gut genug ist, um mir Nachhilfe zu geben. Also hat er Hermine vorgeschlagen. Er meinte, das sei gleich doppelt gut, weil es dich bestimmt ärgern würde, wenn du das irgendwann erfährst. Für Theo war das ein witziger Streich."

Ungläubig starrte Draco seine Freundin an: "Ein Streich? Ich fass es nicht. Und wie bei Merlins Bart habt ihr Granger dazu bekommen, dass sie ausgerechnet dir Nachhilfe gibt? So dicke seid ihr ja nun auch nicht."

"Das hat Theo eingefädelt. Er meinte, er versteht sich gut mit ihr. Sie wollte erst nicht, aber dann hat sie vorgeschlagen, dass dafür Theo und Blaise mit ihr lernen, dafür wollte sie dann mir helfen."

"Sie ... sie wusste von dem Plan? Und Blaise auch?"

Pansy nickte langsam: "Ja. Blaise hat sich anfangs ziemlich angestellt, weil er Hermine auf den Tod nicht ausstehen konnte. Ich glaube, es war nur die Aussicht, dir einen Streich spielen zu können, die ihn schließlich überredet hat. Zu seinem Glück, würde ich mal sagen. Wenigstens er profotiert von der Sache."

"Wie meinst du das?"

Skeptisch zog Pansy eine Augenbraue hoch: "Na, das ist doch offensichtlich. Er ist in Hermine verliebt und sie in ihn. Ehrlich, Draco, du bist sein bester Freund und merkst das nicht?"

Wütend ballte Draco die Fäuste: "Bester Freund, dass ich nicht lache. Ihr steckt alle unter einer Decke, um mir einen Streich zu spielen. Sowas tun Freunde nicht."

Niedergeschlagen ließ Pansy die Schultern hängen: "Mir ging es nicht um den Streich. Ich dachte wirklich, ich hätte eine Chance bei dir, wenn ich besser in der Schule bin."

Beruhigend legte Draco wieder eine seiner Hände auf ihre: "Keine Sorge, dir bin ich nicht böse. Ich kann es dir nicht verübeln, dass du es versucht hast. Und ich freue mich für dich, dass du jetzt gute Noten hast, wirklich. Du solltest jetzt nicht aufhören damit, es ist gut für dich. Aber leider ändert es nichts daran, dass ich in dir eine sehr gute Freundin sehe."

"Ich weiß", murmelte Pansy. Plötzlich musste sie daran denken, dass Theo versucht hatte, sie abzuhalten. Hatte er geahnt oder sogar gewusst, dass Draco ihre Gefühle nicht erwiderte? Oder war etwas ganz anderes der Grund für seine Ablehnung gewesen?

"Wir bleiben doch Freunde, oder?", fragte sie schließlich, nachdem beide eine lange Zeit ihren eigenen Gedanken nachgehangen hatten.

"Gerne", nickte Draco: "Aber das liegt an dir. Ich bin immer da für dich, als guter Freund. Wenn du gerade lieber Abstand willst, verstehe ich das auch."

Dankbar lächelte sie ihn an: "Tja, ich weiß auch nicht so recht. Wir werden sehen, wie es sich entwickelt."

Er nickte zustimmend, doch in Gedanken war er bereits wieder woanders. Er hatte dringend ein Hühnchen mit Theo, Blaise und Hermine zu rupfen. Alle drei hatten sich gegen ihn verschworen, um ihn mit Pansy zu verkuppeln. Warum hatte Hermine dann so getan, als ob er für sie interessant wäre? Wenn sie von Anfang an auf Pansys Seite war, warum hatte sie ihm dann überhaupt die Hoffnung gemacht, dass auch nur die geringste Chance besteht, dass er sie in sein Bett kriegt? Wütend verkrampften sich seine Hände um den Krug mit Butterbier. Er war die ganzen letzten Wochen von allen seinen Freunden nach Strich und Faden belogen worden - und Hermine, die sonst immer auf ehrlich und aufrichtig tat, war die schlimmste von allen. Er war sich nicht einmal sicher, ob er überhaupt den Nerv hatte, in der nächsten Zeit noch einmal mit ihr zu reden.

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