Kapitel 17

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Meine Flügel gaben mir den Halt, den ich gestern Abend brauchte. Eng um mich geschlungen waren sie warm und schützend. Die Decke hätte nur gestört. Doch um ein drückendes Gefühl in der Brust kam ich nicht herum. Magnus hatte komisch geschaut, als er gestern Abend hier rein gekommen war. Danach kam er noch weitere zwei Mal herein um zu fragen, wie es mir ging. Natürlich ging es mich nicht gut, aber ich wollte ihn nicht beunruhigen. Meine ganze Situation sollte ihn nicht belasten. Ich liebe Magnus, wie man seinen Vater lieben würde, ich vertraue ihm mehr, als irgendwem sonst. Er hat mich großgezogen. Er war dort, als Mum nicht hier war.
Die ganze Nacht über hatte ich nicht schlafen können. Meine Gedanken zu Mum kamen mit denen über Mira wieder ans Licht. Auch Raziel oder Magnus tauchten auf. Ebenso Luke und die Schattenjäger. In meinem Kopf war ein riesiges Gewusel aus Fragen und die Antworten, die ich darauf hatte wollte ich kaum wahrhaben.

Hatte ich mich wirklich so sehr verändert? War ich schuld, dass Miras und meine Freundschaft nur eine Lüge war? Wird Mum mich jemals wieder so ansehen, wie vorher? Was passiert mit mir, jetzt wo Camille es jedem sagen könnte?

Die erste Frage konnte ich sicher mit Ja beantworten. Sie Schattenjäger hatten mich verändert. Allein dadurch, dass sie mich mit in ihre Geschichte gezogen hatten, in die ich nicht reingehörte. Ich durfte keine zwei Sachen vermischen. Engel waren Wesen, die nur in der Fantasie lebten. Man sollte daran glauben und nicht wissen, wie sie aussahen.

„Josy steh auf." Ich sah zu dem Hexenmeister, der einen Tee vor sich hielt. Er stellte ihn auf den Tisch neben mein Bett und setzte sich neben mich. In solchen Momenten brauchte mein Dämon den Sicherheitsabstand und der Engel eine Umarmung. Ich war zwiegespalten. Ich war ein Hybid. Ein Körper, zwei Arten. Und diese zwei Arten passten nicht zusammen. Ich brauchte meinen Anker. Einen neuen Anker, doch ich musste ihn zuerst finden. Und ich hoffte, dass das bald passierte, denn sonst würde ich zersplittern. Zersplittern an dem Chaos, welches in meinem Kopf tobte.

„Josy?" Magnus sah mich voll Sorge an. Ich sah zurück in seine gelben Augen. Er zeigte mir sein Lilithmal. Natürlich hatte ich es schon oft gesehen, aber meistens trug er es erst offen, sobald ihm etwas zu nahe ging. „Ich hab meine Anker verloren" hauchte ich. Ich schob meine Flügel weiter um meinen Körper. Es auszusprechen war nochmal eine ganz andere Hausnummer. Magnus sah mich sprachlos an. "Mira hat alles über mich Camille erzählt" sagte ich als nächstes, weil er nicht auf meine Aussagen antwortete. Wahrscheinlich wusste er selber nicht, was er sagen sollte. Mir kamen Tränen und ich war mir sicher, dass er nun komplett überfordert war.

„Hey Josy. Bestimmt hatte sie einen guten Grund" versuchte er es, aber er fand es genauso beschissen, wie ich. Ich könnte mich vergessen, wenn ich keinen neuen finden sollte. "Lass uns erstmal an etwas anderes denken." schlug er vor, aber ich schüttelte meinen Kopf. Ich wusste nicht, wie viel Zeit mir in diesem Zustand blieb. Eigentlich lebte ich in vollkommener Angst jeden Moment die vollkommene Kontrolle zu verlieren. Zwei von vier Ankern waren aus meinem Leben getreten. Dass ich jetzt noch keinen Zusammenbruch habe, grenzt wirklich an ein Wunder.

„Ich finde aber nicht, dass du deinen Vater als Anker zählen konntest. Es war klar, dass er dich nicht richtig lieben kann und dich verrät." Meine Brust begann zu beben und Tränen liefen aus meinen Augen, wie Bäche. Mein Herz zog sich krampfhaft zusammen und ich bekam kaum noch Luft. Magnus verletzte mich gerade mehr, als auch nur möglich. „Mum. Nicht Dad." Keuchte ich. Doch auch seine Worte konnte ich nicht vergessen.

„Oh mein Gott, Josy! Es tut mir so leid!" Er stand panisch auf, was mich zusammenzucken ließ. Verdammt! Seit wann war ich so? Ich brauchte lange, bis ich mich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Magnus ließ mich nicht allein und redete gut auf mich ein. Die Hälfte seines Gesagten, waren allerdings Entschuldigungen.

JosephineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt