Der bittere Geschmack von Lügen

45 4 1
                                    



Ich ließ mich erschöpft ins Bett fallen und verschränkte die Arme über meinem Gesicht. Mit May Kleider zu kaufen war die reinste Folter. Sie hatte mich in mindestens zwanzig Kleider gesteckt bevor sie zufrieden war. Ihre Wahl viel auf ein schulterfreies, schwarzes Kleid mit einem kürzen Rock welcher sich leicht bauschte. In den Stoff waren ebenfalls noch feine silberne Fäden eingewoben die dafür sorgten, dass das Kleid im Licht glitzerte. Ich fand ich sah wie eine Discokugel aus, aber May meinte ich würde umwerfend aussehen. Genervt stöhnte ich auf. Ich würde mich auf dieser Party blamieren und wenn ich Pech hatte würde das ganze Land über mich lachen. Dafür würden einige Adlige schon sorgen dachte ich und in dem Moment hörte ich wie die Tür des Schlafzimmers geöffnet wurde. Ich hob die Arme von meinem Gesicht und setzte mich auf. Logan schloss leise die Tür bevor er bemerkte, dass ich nicht schlief. Müde lächelte er mich an. „Wie war dein Shoppingtrip?" „Die Hölle", stöhnte ich und verschränkte meine Beine miteinander. Irgendetwas schien heute anders zu sein als sonst. Logan kam meist erst in unser Schlafzimmer zurück wenn es bereits nach Mitternacht war, aber die Sonne war grade erst unter gegangen. Seine Haare waren zerzaust und er trug nicht wie üblich die Perücke die sein blondgefärbtes Haar verstecken sollte. Die Königin wusste natürlich bereits davon und hatte so sehr getobt, dass ich fast hätte lachen müssen. Mir gefiel es, dass sie nicht so kühl war wie ich es sonst von Adligen kannte.

Ich betrachtete Logans Gesicht genauer und mir fiel der tief violette Abdruck unter seinem rechten Auge jetzt erst auf. „Was ist passiert", wollte ich wissen und er bewegte sich durch den Raum zum Fenster. „Was meinst du?" „Logan, dein Gesicht. Hast du dich geprügelt?" Er zog die Vorhänge zu und hielt dann inne. „Das war Elias." „Wieso sollte Elias dir ein Veilchen verpassen? Ihr seid beste Freunde." Stille legte sich über uns und ich beobachtete wie seine ganze Haltung sich anspannte. Irgendetwas schien ihn zu belasten und scheinbar wollte er nicht mit mir darüber reden. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen bei dem Fakt. Es war schon merkwürdig wie ich mich ihm mittlerweile anvertrauen konnte und er sich immer mehr von mir zurück zog. Ich wusste nicht ob es an seiner Arbeit lag oder dem Druck den er durch seinen Titel ausgesetzt war, aber es kränkte mich, dass er das nicht mit mir teilen wollte. Schließlich wollte ich ihm endlich auch mal helfen können. „Habt ihr euch gestritten", fragte ich sanft und stand auf. Vorsichtig näherte ich mich ihm und legte ihm eine Hand auf den Arm. Seine Augen schlossen sich in dem Moment und im nächsten wurde ich in eine Umarmung gezogen. Logan legte sein Kinn auf meinen Scheitel ab und ich legte meine Wange gegen seine warme Brust. „Er ist mit einer meiner Entscheidungen nicht einverstanden und wurde wütend. Wir haben uns seit Jahren nicht mehr so sehr gestritten." Leicht nickte ich und schlang meine Arme um seine schmale Hüfte. „Ist deine Entscheidung denn falsch?" Logan antwortete nicht direkt, aber an der Art wie sich seine Hand in mein Shirt krallte wusste ich, dass seine Entscheidung schlecht gewesen war und er wusste es auch. „Warum hast du denn..." „Ich muss manchmal Entscheidungen treffen die über meine eigenen Wünsche hinaus gehen. Ich muss an andere denken und nicht an mich, Amy und ich hasse es, dass ich damit so viel Schaden anrichte."

 Langsam ließ er mich los und ich sah zu ihm auf. Schmerz lag in den eisblauen Augen welche ich lieben gelernt hatte. Ich wollte ihn danach fragen, was er so schlimmes getan hatte, aber etwas in mir wusste, dass er es mir nicht sagen würde. Er hütete mittlerweile so viele Geheimnisse vor mir und war nicht bereit eins mit mir zu teilen, obwohl es ihn so sehr belastete. „Es wir bestimmt wieder besser", versuchte ich ihn aufzumuntern, aber ich merkte selbst wie schwach dieser Versuch war. Ein schmales Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus und wirkte mehr gezwungen als alles andere. Es würde nicht besser werden dachte ich und senkte den Blick. „Ich möchte heute Abend einfach bei dir sein", hörte ich Logan leise sagen und ich nickte leicht. Ich wollte ebenfalls, dass er hier bleib und nicht wieder arbeiten ging. Ich wollte einen kurzen Moment Normalität haben. War das etwa zu viel verlangt? Ein Teil von mir wollte wie so oft sagen, dass es okay war wenn er wichtigeres zu tun hatte, dass ich warten könnte, aber dem war nicht so. Seit ich hier im Schloss war fühlte ich mich schrecklich verlassen. Ich wollte doch nur, dass wir Zeit miteinander verbrachten wie ein normales Paar. Selbst Elias und May räumten sich diese Normalität ein. Bei ihnen wirkte alles so leicht und friedlich. Als gäbe es keine Probleme. Vielleicht war das auch so. May wurde vom Rat und vom Volk anerkannt. Sie kam aus einem gutes Haus und war talentiert. Ich hingegen war nur eine schlichte Bürgerin aus dieser Stadt, welche ihr halbes Leben näher an der Armutsgrenze gelebt hatte als jeder hier im Schloss. Mein Kopf war gefühlt mit wissen über dieses Land, andere Kulturen und Staaten, aber was brachte mir das? Meine Familie gehörte nicht zum Adel oder hatte einen guten Ruf. Mir lag nichts an großen Geldmengen oder Einfluss. Nicht das May so war, aber der Rat dachte dies zu mindestens. „Hey." Logan griff nach meinem Kinn und hob es leicht an damit ich ihn in die Augen sehen musste. Sorge huschte über sein Gesicht und er fragte: „An was denkst du schon wieder?" 

Erinnerungen aus ScherbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt