Jeder braucht eine beste Freundin

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Die Tage im Schloss vergingen rasch. Logan wurde schon wieder früh mit den Aufgaben eines Prinzen konfrontiert was dazu führte, dass wir selten Zeit miteinander verbrachten. Manchmal setzte ich mich zu ihn in sein Büro, wenn er Berge von Dokumenten sichtete. Ich kam mir wie ein Fremdkörper an diesem Ort vor. Die Angestellten waren ganz nett zu mir, manche schienen mich noch von der Auswahl zu erkennen und freuten sich mich wieder zu sehen. Die Mitglieder des Rates allerdings die hier ein und aus gingen behandelten mich wie einen Störenfried. Auch wenn sie dachten ich würde es nicht mitbekommen wusste ich, dass sie über mich redeten. Wie unhöflich ich doch sei und wie sehr die oder die Adelstochter doch besser an die Seite des Prinzen passte. Meist ignorierte ich diese Aussagen, aber tief in mir sagte eine kleine Stimme manchmal, dass sie vielleicht recht hatten. Ich passte hier nicht rein, aber das musste man mir nicht sagen. Ich war nicht so verblendet um das schlechte in diesem Land zu ignorieren. Oder sollte ich eher sagen, dass mir die Menschen nicht egal waren?

„Amy? Amy!" Ich hob den Blick von meinem Notizbuch und blickte in die grünblauen Augen von May Thomson. May, meine damals einzige richtige Freundin hier welche sich mit Logans besten Freund und Cousin Elias verlobt hatte. May war definitiv dass was der Rat von einer Frau des Königshaus erwartete. Sie war hübsch. Ihr recht rundes Gesicht wurde von mittellangen braunem Haar umrahmt und ihre Nase zierten ein paar Sommersprossen. Im Gegensatz zu mir war sie kein Schlumpf, sondern bestimmt gut ein 1,75m groß. Sie kam aus einer Adelsfamilie, aber ihr Vater hatte sie bodenständig erzogen. Er selbst hatte den Adelstitel bekommen durch seine Arbeit. Er war Musiker und war früher sehr erfolgreich gewesen. Jetzt besaß er ein kleines Studio und suchte nach Talenten. Natürlich war seine Tochter ebenfalls Musikerin. May spielte Klavier, Geige und Gitarre. Sie wirkte fast perfekt, aber wie gesagt nur fast. Ebenfalls hielt sie vom Rat nichts und die Auswahl hatte sie nur mitgemacht, weil sie neugierig gewesen war auf was für Menschen sie treffen würde. Da sie komplett Zuhause unterrichtet wurde hatte sie nicht all zu viele Freunde und sie wollte gar nichts von den Diven aus den reichen Familien wissen. Man würde davon ausgehen, dass ich May gut kannte, ich mich an sie erinnerte, aber eigentlich tat ich das gar nicht. May hatte mir das alles in den letzten Stunden erzählt, da mein Kopf zwar etwas mit ihrem Gesicht und Namen anfangen konnte, aber ich mich an nichts konkretes erinnerte. Ich wusste wir waren Freunde und dass ich ihr vertrauen konnte, aber es war nur ein Gefühl tief in mir. „May", erwiderte ich und sie stemmte die Hände an die Hüfte. 

„Wofür sind wir in der Stadt einkaufen, wenn du nur Lieder schreibst und dir nichts ansiehst?" „Ich dachte wir sind hier um dein Hochzeitskleid zu besprechen?" Fragend legte ich den Kopf schief. May und Elias würden Ende des Jahres heiraten. Im Gegensatz zu der Hochzeit mit dem Prinzen würde diese kleiner ausfallen und es würde nicht im ganzen Land ausgestrahlt werden. May und Elias wollten ihre Privatsphäre und diese stand ihnen zu. Elias war schließlich kein direktes Mitglied der Königsfamilie. Er war der Sohn der älteren Schwester von der Königin. In der Erbfolge würde er nur in Frage kommen, wenn Logan sterben würde und selbst dann war fraglich ob ihn das Volk als König annahm. „Du bekommst auch gar nichts mit oder?" May schüttelte den Kopf und wanderte durch den Raum. Ich sah mich um. Wir saßen in einer Schneiderei, welche in der Main Street lag. Die Kleider hier waren hochwertig, aber nicht überteuert oder übertrieben. Die Besitzerin war eine niedliche ältere Dame, welche zusammen mit ihren Töchtern den Betrieb leitete. „Am Freitag findet im Schloss ein Ball statt. So gesehen ist es Elias und mein Verlobungsball und wir haben das Thema Maskenball dafür gewählt." Sie grinste leicht und ergänzte: „Na ja vielleicht habe ich das alleine gewählt. Elias interessiert sich nicht wirklich für den Ball. Es ist eine reine Show." 

„Freitag schon?" Ich sah May überrascht an. Das war in vier Tagen. Niemand hatte mir bis zu diesem Zeitpunkt davon erzählt. Die wenigen Mal die ich mit Logan in den letzten Tagen gesprochen hatte hatte er nichts davon erwähnt. Um ehrlich zu sein erzählte Logan mir recht wenig von den Dingen die im Schloss passierten. Ich wusste nicht wo er die letzten Tage um die Mittagszeit hin verschwunden war und nachzufragen traute ich mich nicht. Es ging mich ja schließlich nicht wirklich was an was für Aufgaben er erledigte oder? Es wurmte mich allerdings, dass er mir nicht wenigstens hiervon erzählt hatte. May hatte mich quasi genötigt ihre Trauzeugin zu werden und ich sollte doch über alles informiert werden was die Hochzeitsvorbereitungen anging oder nicht? „Du wusstest nichts davon", May klang genau so überrascht wie ich mich fühlte. Sie setzte sich zu mir und sah mich fragend an. „Ich dachte Logan hat dir davon erzählt?" Langsam schüttelte ich den Kopf und erwiderte: „Logan und ich reden wenig, da er so lange mit seinen Aufgaben als Prinz zu tun hat." „Selbst Elias gönnt sich eine Pause! So geht das nicht. Ihr seid verlobt. Er sollte sich Zeit nehmen." Ich blickte runter zu meinem Notizbuch und mein Blick wanderten über den letzten Satz.

Erinnerungen aus ScherbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt