Jeder darf mal zweifeln...

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Ein entschuldigendes Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Prinzen und er sah mir ins Gesicht. Er zog die Beine dicht an seinen Körper und legte die Arme auf den Knien ab. „Warum hast du gelogen", wollte ich wissen und sank tiefer ins Wasser. Meine Zehen guckten nun etwas aus dem Wasser und ich wackelte mit ihnen. So langsam spürte ich meine Füße wieder. Mein Blick wanderte wieder zu Logan, welcher ebenfalls auf meine Füße schaute. „Du hasst den Prinzen", sagte er nur und ich musste schwer schlucken. Seine harte Wortwahl überraschte mich und gleichzeitig sah ich in seinen Augen soviel Selbsthass. Bevor ich Logan persönlich kannte hatte ich ihn für vieles verantwortlich gemacht, was hier im Outback schief lief. Aus dem ganz einfachen Grund weil auf jedem Räumungsbeschluss, jedem neuen Gesetz und jeden Dokument welches Schaden anrichtete das Siegel des Königshaus drauf war. Ich hasste Logan nicht, aber ich verabscheute es was man in seinen Namen tat. 

„So ist das nicht", murmelte ich und er schüttelte den Kopf. „Ich kann es doch verstehen. Ich hasse mich selbst." Er fasste sich ins Haar und zog fest daran. „Hör auf so was zu sagen", bat ich und griff nach seinen Arm. Vorsichtig zog ich daran, damit er sein Haar wieder los ließ. Kurz trafen sich unsere Blicke als ich mit meiner Hand seine umfasste. „Es stimmt doch", stieß er hervor und seine eisblauen Augen wurden wässrig. Was hatte man diesen armen Mann nur angetan, dass er sich so sehr selbst hasste fragte ich mich und betrachtete sein Gesicht. Zum ersten Mal bemerkte ich die dunklen Ringe die unter seinen Augen lagen, der drei Tage Bart, welcher ihn mindestens fünf Jahre älter machte, obwohl ich wusste das er erst in wenigen Monaten zwanzig werden würde. Er sah mitgenommen aus und mir wurde langsam bewusst, dass er unter meinen Verschwinden sehr gelitten haben musste. „Ich war nicht in der Lage dich zu beschützen. Sie haben dich mir weggenommen, dich verprügelt und dir die Erinnerungen genommen. Ich konnte nichts tun. Ich bin nutzlos." 

Logan vergrub das Gesicht in den Händen und seine Schultern bebten. Ein unterdrücktes Schluchzen verließ seine Kehle und ich biss mir auf die Lippe. Ich wollte für ihn da sein, niemand verdiente es so zu leiden wie er es tat, aber ich wusste nicht wie. Kurzerhand griff ich nach einen Handtuch, welches am Badewannenrand lag und kletterte mit etwas mühe aus dem warmen Wasser. Mein Körper protestierte, aber ich zwang ihn dazu mich aufrecht auf den Beinen zu halten. Schnell schlang ich das Handtuch um meinen schmalen Körper und hockte mich neben Logan. Sanft zog ich seine Hände von seinen Gesicht. Seine Augen waren gerötet und er sah mich mit so viel Schmerz an, dass mein Herz ins stolpern geriet. Ich hatte ihn noch nie so gesehen und das wusste ich genau, auch wenn ich mich nicht erinnerte. Er war immer tapfer gewesen oder nicht? Er hatte mich immer versucht mich zu beschützen. Wie konnte er von so einer starken Persönlichkeit zu jemanden ohne Hoffnung werden? Sanft strich ich über seine Wange und unsere Blicke begegnen sich. „Du bist so stark geworden", wisperte er und hielt meine Hand fest. „Als ich dich auf der Bühne gesehen habe war mir klar, dass du mich eigentlich gar nichts brauchst. Dir geht es hier gut." Sanft zog er meine Hand zu seinen Lippen und küsste die Innenseite. Meine Wangen fingen an zu brennen. So eine Geste war mir komplett neu und löste in mir ein Gefühl von Verlegenheit aus. 

„Ich bin nicht stark", stritt ich ab, aber Logan lächelte nur schief. „Du stellst dich deiner Angst, Amy. Dir ist so viel passiert und du bist immer noch hier, bei gesunden Menschenverstand. Du hast mich angeschrienen und dir war bewusst, dass es dir Ärger einbringen würde. Du hast auf der Bühne gesungen, obwohl es dir unangenehm gewesen war. Ich wünschte..." Er hielt inne und schloss die Augen. Sanft legte er meine Hand zurück auf seine Wange und seufzte. „Ich wünschte ich hätte diese Seite von dir schon früher kennenlernen können." „Ich denke nicht, dass ich schon immer so war", sagte ich leise und strich mir eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht. Kurz erinnerte ich mich an die ersten Wochen im Outback. Ich hatte so viel geweint und ich hatte nie gewusst warum. Mein Herz hatte geschmerzt und mein Körper hatte sich angefühlt als hätte jemand mich angezündet. Ich war meistens in meinen Zimmer gewesen und hatte mit niemanden geredet. Irgendwann war der Schmerz alltäglich geworden und ich hatte angefangen ihn zu akzeptieren. 

Erinnerungen aus ScherbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt