Eine ungeplante Begegnung

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(Alice)


Die Bar war gut gefüllt am Samstagabend. Ich arbeitete nun schon gut zwei Wochen für Joe und ich musste feststellen, dass es mir wirklich Spaß machte. Ich erkannte einige Wächter die wie fast jeden Abend hier waren und aßen und tranken. Auch wenn man es nicht erwartete, da die Wächter schließlich aus den Provinzen kamen, waren die meisten von ihnen ziemlich nett. Ich hatte noch nie erlebt, dass einer von ihnen uns unfair behandelte oder gegen jegliche menschliche Vernunft handelten. Selbst wenn die Adligen ihnen Anweisungen gaben, gab es einige von ihnen, die diese nicht durchführten, weil sie gegen jegliches Recht verstoßen würden. Die Wächter waren Angestellte vom Königshaus und nur dessen Befehlen würden sie gehorchen hatte Joe mit mal erklärt. Das war ein Grund weshalb die Adligen im Outback sich Söldner kauften um Unruhe zu stiften und uns in Angst und schrecken zu versetzen. Auch wenn die Wächter ihr besten gaben konnten sie das weder verhindern noch die Adligen stellen. Im Outback hatten die Adligen noch mehr Kontrolle und bis heute verstand ich nicht wie der König oder der Prinz das zulassen konnten.

Ich stellte einer Gruppe Wächtern ihre Biere auf den Tisch und schaute hoch zu den kümmerlichen Fernseher, der in Joes Bar stand. Es lief eine Rede des Königs und er redete anscheinend etwas darüber, dass sein Sohn aktuell das Outback besuchte um nach den rechten zu sehen. Soviel entnahm ich jedenfalls den Untertiteln als Joe plötzlich nach mir winkte um mehr Bestellungen zu verteilen. Der Prinz sollte also ins Outback kommen. Wahrscheinlich würde der Adel alles tun um zu verbergen, dass wir hier nichts weiter waren als billige Arbeiter. Joes Familie ging es durch die Bar noch recht gut, aber andere Familien waren kurz davor ihr Heim zu verlieren, weil sie sich keine Reparaturen am Haus leisten konnten oder einfach die Grundsteuer nicht aufbrachten. Es trieb mich zur Weißglut, dass wir so behandelt wurden und das nichts dagegen gemacht wurde.

„Alice!" Ich zuckte zusammen und drehte mich um. Daniel grinste mich an, nahm mir die schweren Teller ab die ich grade trug und fragte: „Bereit für deinen Auftritt?" Ich verdrehte die Augen. „Ich hab doch schon nein gesagt. Du weißt, dass ich nicht vor Menschen singe." „Wenn du in der Dusche singen kannst, dann kannst du das auch vor einen Publikum. Ich seh dich in 15 Minuten auf der Bühne und wehe du versuchst abzuhauen. Ich finde dich hier überall!" Er zwinkerte mir zu bevor er die Bestellung zu ihren Tisch brachte. Böse sah ich ihn hinterher und fragte mich warum ich mich eigentlich auf so was einließ. Ja, ich sang gern, aber das tat ich bis jetzt nicht vor Menschen sondern eher in der Dusche oder beim Kochen. Zwar schrieb ich das auf was ich sang, aber dazu gab es keine Noten. Es waren einfach nur Strophen in meinen Kopf und ich wusste nicht wie ich sie ohne die passende Musik singen sollte. Wütend schüttelte ich den Kopf. Ich ließ mich doch nicht von Daniel zu irgendetwas zwingen! Angefressen ging ich zum Hintereingang der Bar, schnappte mir meinen schwarzen Mantel und verließ die Bar mit aufgesetzter Kapuze. Mir war klar, dass Daniel mich jederzeit finden konnte, da er sich hier viel besser auskannte als ich, aber trotzdem war ich mir sicher das er mir nicht nach kommen würde. Er wusste ganz genau wann er mich alleine lassen musste und wann nicht. Ich wirbelte mit den Füßen Schnee auf, der mittlerweile gut zehn Zentimeter hoch war und schüttelte den Kopf. Vielleicht reagierte ich auch nur so wütend wenn es um meine Texte ging, weil es mir so vorkam als würden sie etwas mit meiner Vergangenheit zu tun haben. Ich erinnerte mich an nichts, was wirklich frustrierend war und immer wenn ich träumte war es das selbe. Es war ein Bruchstück des großen Scherbenhaufens der sich meine Erinnerungen nannte. 

Es war nicht viel. Nur ein kurzer Moment in meinen ganzen Leben, aber ich wusste er hatte mir viel bedeutet. Kurz schloss ich die Augen und dachte an den einzogen Moment an den ich mich erinnerte. Ein blonder Junge hatte von hinten die Arme um mich geschlungen und das Gesicht in meinen Nacken vergraben. Ich erinnerte mich nicht an sein Gesicht oder an seinen Namen. Das einzige was ich wusste war, dass er blond gewesen war. Frustriert seufzte ich und öffnete wieder die Augen. Ich wusste nicht, ob er aus dem Outback kam oder aus den Provinzen. Eigentlich wusste ich gar nichts über ihn. Das einzige was ich fühlte wenn ich an ihn dachte war tiefe Trauer. Was war mit ihm passiert? War er vielleicht gestorben? In meinen Augenwinkeln sammelten sich Tränen, die ich sofort wegwischte. Etwas in mir wollte nach dieser Person suchen, aber ich hatte nicht die Möglichkeit dazu. Ich besaß kein Geld und auch keine weiteren Wertgegenstände als die Kette, welche ich nie und nimmer verkaufen würde.

Erinnerungen aus ScherbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt