Das Outback

464 32 2
                                    


(Logan)


„Es tut mir leid, Prinz Logan, aber wir können keine weiteren Suchmaßnahmen bewilligen." Ich starrte den Vorsitzenden des Rates an und ballte meine Hände neben meinen Körper. War das ein schlechter Witz? Bis jetzt wurde kaum nach Amilia gesucht. Das einzige was der Rat bewilligt hatte war ein Suchaufruf im Fernsehen, aber selbst dieser war mickrig gewesen. Natürlich hatte es nichts gebracht und mir waren die Hände zu sehr gebunden, dass ich nicht mal selbst nach ihr suchen konnte. Unsere Entführung war jetzt etwas mehr als ein Jahr her und bis jetzt fühlte es sich so an als würde ich nur auf der Stelle laufen. Es gab keinen Fortschritt. Weder in der Suche nach Amy noch in den Verhandlung der Entführer. Sie waren angeklagt, aber immer wieder wurden die Verhandlungen verschoben, weil die Beweise mal nicht aufzufinden waren oder die Angeklagten einfach nicht zum Termin erschienen. Auch wenn es in Neu Amerika ein Königshaus gab kam es mir seit der Entführung immer wieder so vor als würden wir nur Dekoration sein. Hübsch anzusehen, aber wirklich etwas zu sagen hatten wir nicht. Jede Entscheidung mussten wir mit dem Rat besprechen und oftmals waren sie dagegen. Wann hatte man uns das Land und seine Führung nur aus der Hand gerissen? Ich verstand nicht wie mein Vater das alles zulassen konnte. „Und was ist dafür die Begründung", wollte ich wissen und sah den Vorsitzenden mit eiskalten Blick an. „Ihr seit es doch, die das alles zu verschulden habt. Eure Leute, eure eigene Familie teilweise sogar, hat mein Heim angezündet. Sie haben meine Verlobte entführt und vielleicht sogar getötet. Kennt ihr gar nicht so etwas wie Moral? Was ist mit unseren Rechten?" Ich schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht vor ekel dabei. „Wir verbitten uns solche Unterstellungen", rief eins der Ratsmitglieder und ich warf ihn einen vernichtenden Blick zu. „Unterstellungen? Das ist die verdammte Wahrheit. Euch ist das Volk egal. Menschen hungern in diesen Land obwohl unsere Vorfahren sich geschworen haben, dass dies nie wieder passiert. Ihr hortet Geld und seit nur auf Macht auf." Ich lächelte bitter und spürte den strafenden Blick meines Vaters auf mir. Ich wusste, dass ich mich hier beim Rat an gewisse Regeln halten musste. Das hier waren schließlich die führenden Adelsfamilien, welche den größten Teil unserer Wirtschaft in gang hielten, aber zur Hölle noch mal ich hatte diese Verräter satt. „Wir handeln zum Wohle des Volkes", zischte Ratsmitglied Stone und ich straffte die Schulter. Grade als ich erneut zu einen Satz ansetzen wollte trat mein Vater vor mich und ich starrte auf seinen breiten Rücken. Seit der Entführung war das Verhältnis zwischen uns gestört. Er wusste wie ich für Amy empfand, aber scheinbar war das nicht wichtig genug. Wenn es nach ihn gegen würde würde er mich schon längst auf den Thron setzen damit ich lernen müsse was es heißt Verantwortung zu übernehmen. „Ich entschuldige mich für das Verhalten meines Sohnes. Der Verlust seiner Verlobten setzt ihn immer noch sehr zu", hörte ich ihn sagen und wandte meinen Blick ab. „Vielleicht wäre es besser den Fall beiseite zu legen", meinte der Vorsitzende und ich biss die Zähne zusammen. Beiseite legen? So einfach war das? Es kam mir nicht so vor als würden wir hier über ein Menschenleben reden, sondern über ein langweiliges Gesetz. „Ja, wir sollten es fürs erste dabei beruhen lassen." „Dad..." „Sei leise Logan", zischte dieser und packte meinen Arm. Er entschuldigte uns und zerrte mich aus dem Ratsgebäude. Ich sah ihn geschockt an und kaum waren wir an der frischen Luft entriss ich ihn meinen Arm. „Was sollte das", fragte ich wutentbrannt und starrte in ein Gesicht, welches meinen ähnlich sah. Mein Vater kniff sich in den Nasenrücken und ich konnte sehen wie sein Gesicht eine rote Farbe annahm. „Ich werde dich nicht anbrüllen, auch wenn ich das jetzt gerne tun würde", sagte er in einer kühlen Tonlage. „Ich weiß, dass du dieses Mädchen liebst. Verdammt, wäre deiner Mutter und mir das damals passiert... Ich würde wahrscheinlich nicht anders handeln." „Und warum lassen wir uns das gefallen? Warum lassen wir immer wieder zu, dass der Rat so viel Match ausübt. Ich verstehe dich nicht", flüsterte ich und merkte wie mir langsam die Energie ausging immer und immer wieder mit ihn darüber zu diskutieren. Ich senkte den Blick und spürte wie meine Augen anfingen zu brennen. Ich hasste das Gefühl nutzlos zu sein. Schon damals im Keller hatte ich nichts für Amy tun können und jetzt konnte ich es immer noch nicht. „Manche Dinge brauchen Zeit, Logan. Lass den Rat meine Sorge sein und konzentriere du dich jetzt erst mal auf deine Pflichten." „Was meinst du damit?" Er legte mir die Hand aufs Haar, wie er es schon immer tat seit ich ein Kind gewesen war. „Warum besuchst du nicht mal das Outback? Als Prinz solltest du auch die letzte Ecke des Landes kennen."


(Alice)

Ich legte den Kopf in den Nacken und schaute hoch in den graublauen Himmel. Dicke Wolken zogen über die Mauer hinüber und ein kalter Wind kam auf. Kleine weiße Flocken vielen vom Himmel und ich streckte die Hand aus um eine zu fangen. „Alice?" In der Ferne hörte ich Daniels Stimme. Ich senkte den Blick und sah wie Daniel den Berg hoch am. Ich war an einen meiner Lieblingsorte. Eine verlassende Wassermühle, welche schon etwas verfallen war. Am liebsten saß ich oben auf dem Dachboden. Der Wind hatte die Ziegel vom Dach geweht und dadurch war der Dachboden halb offen. Von hieraus konnte man die ganze, kleine Stadt überblicken in der ich Lebte. Riverside, so hieß die Stadt, war eine der drei Hauptstädte des Outbacks. Wenn man mal bedachte, dass hier weniger als 100 Leute lebten war diese Bezeichnung wirklich lächerlich. Hier waren die meisten Wächter stationiert, welche die Mauer bewachten und instand hielten. Ein bis zwei Adelsfamilien gab es ebenfalls, aber diese mieden uns. Sie hielten sich für etwas besseres, auch wenn die großen Hauptfamilien sie hierher verbannt hatten. Eigentlich waren sie nicht besser als wir auch. Ich verschränkte die Beine und beobachtete Daniel dabei wie er endlich an der Mühle ankam. Graue Augen sahen mich aus einen kantigen Gesicht strafend an. Das braune Haar fiel ihm in kleinen Locken ins Gesicht. „Was zur Hölle machst du hier? In einer halben Stunde fängt deine Schicht in Dads Bar an", rief er zu mir hoch und ich grinste ihn an. Heute würde ich endlich in Joe's Bar anfangen. Joe war der Vater von Daniel und behandelte mich seit ich hier war wie seine Tochter. Die beiden hatten mich vor einen Jahr im Wald gefunden, mehr tot als lebendig. Es hatte mehr als ein halbes Jahr gedauert bis ich soweit wieder gesund gewesen war, dass ich das Bett verlassen konnte. Hier im Outback gab es nicht die beste medizinische Versorgung, aber irgendwie hatte ich meine Verletzungen überlebt. Trotz allem wusste ich bis heute nicht, wie ich zu ihnen gekommen war. Ich wusste nicht, woher ich kam oder wie ich wirklich hieß. Joe nahm an, dass ich bei einen Adligen als Zwangsarbeiter gearbeitet haben muss und er mich irgendwann leid gewesen sein musste. Ob das wirklich stimmte wusste ich nicht. „Ich weiß das. Ich wollte vorher nur nochmal ein bisschen frische Luft schnuppern", rief ich zu Daniel runter. Ich rappelte mich auf und stieg die schmale, halb kaputte Treppe herunter. Unten angekommen sah Daniel mich strafend an. „Du weißt, dass mir das nicht gefällt wenn du alleine hier herum irrst. Nicht jeder ist hier so nett wie wir." Entschuldigend zuckte ich mit den Schultern und schob die Hände in die Taschen meines Mantels. Frustriert seufzte er und fuhr sich durchs Haar. Dann sah er mich mit schief gelegten Kopf an und ein kleines Lächeln breitete sich auf seinen Gesicht aus. Langsam streckte er die Hand nach meinen Haar aus und strich eine Strähne hinter mein Ohr. „Ich mag es wie du dir die Haare gefärbt hast. Das helle pink steht dir." Ich spürte wie meine Wangen rot wurden und wich seinen Blick aus. Vor wenigen Tagen hatte ich die Schnapsidee gehabt mir die Haare zu färben. Hier im Outback war es quasi normal, dass man sich die Haare bunt färbte. Dadurch, dass wir hier viel Chemieindustrie hatten waren Haarfarben hier recht günstig und für jeden zugänglich. Irgendwie hatte ich versucht mich anzupassen, aber trotzdem kam ich mir immer noch etwas fremd vor. Lag es daran, dass ich mich nicht daran erinnerte woher ich wirklich kam? Wer waren meine Eltern und warum suchten sie nicht nach mir. Wie automatisch griff ich nach dem Amulett das immer auf meiner Brust lag. Es war das einzige was ich damals dabei hatte als Daniel und Joe mich gefunden hatten. Das Metall war verbogen und ich konnte es nicht mehr öffnen. Ich wollte nicht mit Gewalt dabei gehen, weil ich Angst hatte es kaputt zu machen. Damit würde ich das einzige zerstören was mir geblieben war nach all dem Verletzungen. Ich konnte es auf keinen Fall verlieren.

„Erde an Alice." Daniel wedelte mit der Hand vor meinen Gesicht rum und ich schreckte aus meinen Gedanken hoch. Verwirrt blickte er mich an und zog eine Augenbraue hoch. Ich wusste, er würde nachfragen worüber ich nachgedacht hatte, aber ich würde es ihn nicht sagen. Zwar vertraute ich ihm, aber ich brauchte auch ein paar Geheimnisse für mich. Wir waren fast immer zusammen und ich mochte Daniel wirklich, aber gleichzeitig sagte mir etwas, dass ich ihn nicht zu nah am mich heran lassen durfte, auch wenn dies dazu führen würde, dass ich mich selbst ausgrenzte. Irgendwann würde ich mich vielleicht etwas an meine Vergangenheit erinnern und dann würde ich meine Eltern suchen gehen. Wenn es dazu kam würde ich Daniel verletzen wenn ich mich auf ihn einließ. Es war besser wenn es bei einer Freundschaft blieb.

Erinnerungen aus ScherbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt