Bilder die man nie vergisst

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(Logan)

-Flashback-

„Logan." Die Stimme meiner Mutter erklang, aber ich starrte weiter aus dem Fenster. Der Himmel war bewölkt und kündigte einen Regenschauer an. Die Bäume bogen sich im Wind und gelbrote Blätter wurden durch die Luft gewirbelt. Früher hätte ich versucht diese Szene zu zeichnen. Ich hätte mich nach draußen gesetzt um selbst zu spüren wie sich der aufkommende Herbstregen anfühlte. Ich hätte es als Gelegenheit zu sehen mich aus dem Schloss zu schleichen. Aber keine der Ideen war für mich mehr attraktiv. Sie würden mich nicht von dem Bild ablenken welches ich seit Wochen in meinem Kopf hatte. Sie würden nicht die Schreie vertreiben die sich in meinem Kopf immer und immer wieder abspielten. Sie würden das Gefühl der Verzweiflung in mir nicht lindern welches mich seit Wochen begleitete. „Logan, bitte sprich mit mir", fehlte meine Mum und ich starrte auf dem Block welcher in meinem Schoß lag. Ein gezeichnetes Gesicht starrte zurück und die grünen Augen wirkten leblos. Es war das Gesicht welches mich seit Wochen verfolgte. Überzogen von Schürfungen und blauen Flecken. Blut strömte aus einer Wunde am Kopf. Ich wusste sie hatte gebrochene Knochen. Ich wusste sie würde das alles nicht ohne medizinische Hilfe überleben, aber das war doch genau das Ziel gewesen. Sie sollte so geschunden und verletzt sein. Damit sie niemanden mehr im Weg stand. Damit keine Bürgerliche an meiner Seite war. Damit ich die Erwartungen über meinen freien Willen setzte.

Ich schloss fest die Augen und presste eine Hand an meine Stirn. Vier Wochen. Das alles war vier Wochen her und es kam mir vor als wäre es erst vor wenigen Stunden gewesen. Vier Wochen und ich wusste immer noch nicht wo sie war. Sie könnte tot sein, was bei ihren Verletzungen wahrscheinlich war. Vier Wochen lebte ich schon mit dem Schmerz des Verlustes, der Hilflosigkeit und dem Selbsthass. Ich konnte sie nicht beschützen. Sie hatte das alles nur durchgemacht wegen mir. Ich war schuld. Ich war schuld. Ich war...

Ich spürte wie sich Hände um mein Gesicht legten und riss die Augen auf. Die braunen Augen meiner Mutter sahen in meine und ich sah wie Tränen über ihre Wange liefen. Sie versuchte jeden Tag mit mir zu sprechen, aber bis jetzt hatte ich nie geantwortet. Ich saß Tag für Tag am Fenster in meinen Zimmer und starrte hinaus, verfluchte meinen Titel und die Tatsache dass ich an allem Schuld war. Wäre ich stärker gewesen dann wäre sie vielleicht noch hier. Wäre ich nicht so selbstsüchtig gewesen wäre sie glücklicher gewesen. Wäre ich nicht der Prinz wäre sie unverletzt. „Schatz, rede endlich wieder mit uns. Friss das alles nicht in dich hinein. Amilia ist irgendwo da draußen und wartet darauf dass du sie findest. Es bringt nichts wenn du hier sitzt und dich in deinem Schmerz wühlst." Mum sagte das alles in einem ruhigen Ton und ein Teil wusste dass sie recht hatte. Sie hatte so gut wie immer recht, aber im Moment wollte ich das nicht hören. Ich wusste der Rat hatte sich alle mühe gegeben Amy verschwinden zu lassen und sie ließen nicht zu dass ich sie persönlich suchen konnte. Sie sagten es gibt hierbei um meine Sicherheit, aber ich wusste es war nur ein Vorwand. Ihre Familien waren schließlich an dem allem Schuld. Die Adelsfamilien hatten etwas gegen meine Brautwahl und nun hatten sie dafür gesorgt, dass ich Amy verloren hatten.

Ich befreite mein Gesicht von Mums Händen und drehte es wieder weg. Ich hörte sie seufzen und sie tätschelte mein Haar bevor sie das Zimmer verließ. Sie wusste sie hatte heute wiedereinmal keine Chance mich zum reden zu bekommen.

Regen durchnässte meine Kleidung und meine Schuhe gaben ein schmatzendes Geräusch von sich. Donner grollte über meinen Kopf und ich ließ meinen Blick durch die Straße schweifen. Kein Mensch traute sich bei diesem Wetter nach draußen, was verständlich war. Die Nacht brach bereits an und die Temperaturen sanken. Ich vergrub die Hände in den Taschen meines Mantels und bog um die nächste Ecke. Meine Eltern wussten, dass ich Nachts nicht mehr im Schloss blieb aber sie unternahmen nichts dagegen. Sie wollten nicht dass ich mich noch mehr von ihnen entfernte und mich noch mehr zurückzog. Ich erledigte zwar meine Aufgaben als Prinz, aber auch nur den Papierkram. Elias nahm für mich an dem Meetings Teil da ich weder Lust hatte mich mit dem Rat herum zu ärgern noch sprechen wollte. Meine Eltern machten sich zwar sorgen wegen dem nicht sprechen, aber sie kannten dieses Verhalten bereits. Nach den ersten Anschlag auf mich hatte ich während meiner Genesungsphase nicht gesprochen. Elias hatte mich irgendwann dazu gebracht mich durch Ja und Nein mitzuteilen, aber es hatte gut drei Jahre gedauert bis ich wieder völlig normal regen konnte und wollte. Ich war anscheinend damals nicht bestraft genug gewesen dachte ich und biss die Zähne zusammen.

Erinnerungen aus ScherbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt