Kapitel 33

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•Rowan•

Ich hörte Herr Greyson nicht wirklich zu.

In Gedanken war ich bei Kade, lag neben ihn und sah in seine hübschen Augen, küsste seine weichen Lippen und lauschte seiner wundervollen Stimme.

Wenn Herr Greyson nicht irgendwas mit mir zu besprechen gehabt hätte, dann läge ich in Kades Bett, seinen Körper unter meinem, seine Finger die sich in meinen Rücken krallten.
Ach lass das Rowan, träum nicht von etwas, das du dich sowieso nicht traust.

Als ob ich mit meinen Schuldgefühlen irgendetwas tun könnte ohne ihm gleich alles zu beichten.

Eine Tasse mit Kaffee wurde vor mir abgestellt, so dass meine Aufmerksamkeit sich wieder meinem Boss zuwand.

"Also Rowan, du weißt sicher weswegen zu hier bist?" fragte Herr Greyson.
Er sah aus wie immer, grauer Anzug, die grauen Haare nach hinten gekämmt, die grauen Augen richteten sich aufmerksam gegen meine.

Waren wie hier beim Elternsprechtag der 6B? Wenn er mir nicht sagte warum ich da war, woher sollte ich es dann wissen?

Ich verkniff mir den Sarkasmus aber.

"Wegen einem neuen Auftrag?" erfragte ich.

Herr Greyson musterte mich lange.
"Nun, ich war von deinem letzten Akt nicht begeistert." gab er von sich, anstatt auf meine Frage zu antworten.

"Ach nein?" versuchte ich mich unschuldig zu verteidigen.

Mein letzter Auftrag war es gewesen, Fotos von Kade in seinem Haus zu machen, beispielsweise unter der Dusche, auf dem Klo oder im Bett liegend, schlafend. Sinn dahinter war es, seine Adresse bekannt zu geben und so zutun, als hätte er Fans für gewisse Dinge in sein Haus gelassen.

Doch mir war das zu krass. Mit der Ausrede, ich hätte zu wenig Zeit gehabt und wäre in solchen Momenten nie bei Kade gewesen, habe ich bloß unnütze Fotos von Händen, Füßen und ein verwackeltes Bild seines Rückens vorgelegt.

Mein Chef war nicht begeistert.

"Nein, Rowan, war ich nicht. Ich hatte mehr von dir erwartet." mahnte er mich, meinen Sarkasmus beiseite zu schieben.

"Aber wenn ich doch-"

Eine Hand klatschte mit voller Wucht auf den Tisch, ich zuckte zusammen.
Trotz des grimmigen Ausdrucks den seine Augenbrauen bildeten, blieb seine Stimme ruhig und bestimmt.
"Ich will keine Ausreden mehr hören. Ich habe jemand anderes damit beauftragt."

Ein verwirrter, skeptischer Ausdruck trat in mein Gesicht.
"Jemand anderes? Bei allem Respekt, wie wollen Sie denn eine völlig fremde Person in Kades Haus einschleusen?"

Er hat am Anfang nicht einmal mich in das Haus lassen wollen, eine andere Person soll sich reinschleichen und Kade in obzönen und skandalösen Positionen fotografieren? Das war unmöglich.

"Lass das meine Sorge sein." Er lehnte sich zurück. "Weißt du, von deiner früheren Leistung war ich beeindruckter."
Klang er enttäuscht? Schwer zu sagen, bei dem grimmigen Gesicht.

Wir schwiegen uns kurz an. Vielleicht war jetzt der perfekte Zeitpunkt zu tun, was ich sowieso schon die ganze Zeit tun wollte. Ich atmete durch und überwand mich. Endlich.

"Das liegt daran, dass ich das nicht mehr machen möchte." gab ich von mir.

Es war gesagt.

Mein Herz schlug mir bis zum Hals. So aufgeregt war ich ewig nicht.
Besonders, weil ich nicht wusste, ob ich so einfach aufhören konnte.

Als ich durchgerechnet hatte, kam ich mit dem Gehalt von dem jetzigen Job als Bodyguard immer noch super hin, die Extras von dem Lohn hier konnte ich mir dann natürlich nicht mehr leisten, aber es würde gehen.

Herr Greysons Miene blieb starr, nachdenklich musterte er mich. Eine steile Falte hatte sich zwischen seinen Augenbrauen gebildet.

Die Stille wurde mir unangenehm, fast schämte ich mich ein bisschen.

"Du möchtest das nicht mehr?" fragte er dann in neutralem Ton.

Er klang nicht wütend oder beleidigt, sondern fast schon beängstigend neutral. Als würde ihm das täglich passieren. Manchmal kam er mir vor wie ein Mafia Boss, der gefährliche Deals abschloss.

"Nein." sagte ich, selbstsicherer als ich mich fühlte.

Er musterte mich erneut, stand dann auf und ging um seinen Tisch herum.
"Darf ich den Grund erfahren?" erkundigte er sich, blieb hinter mit stehen und legte seine großen Hände auf meine Schultern. Ein bedrückendes Gefühl.
"Schließlich war ich immer gut zu dir. Wir waren doch immer auf einer Ebene, nicht wahr? Da darf man doch den Grund erfahren."

Nervös nestelte ich an dem Saum meines Hoodies rum.
"Darum geht es nicht. Ich...fühle mich dabei einfach nicht mehr wohl." gestand ich.

Ich hatte mich auf voller Linie in Kade verliebt, war ihm komplett verfallen und konnte nur noch an ihn denken. Wie konnte ich ihn lieben und gleichzeitig betrügen?
Schon im Hotel hatte es sich falsch und richtig zugleich angefühlt, ich war zerissen gewesen.

"Gut." kam es dann von Herr Greyson, welcher sich sogleich wieder auf seinem Stuhl mir gegenüber niederließ. Das bedrückende Gefühl verschwand und ich konnte wieder etwas freier atmen.

"Gut?" fragte ich nach.
Er sagte das so simpel, dass ich zweifelte, ob da nicht noch etwas kam.

"Gut." wiederholte er und lehnte sich zurück. "Du darfst aufhören, unter einer Bedingung."

War klar. Natürlich war mein Austritt an eine Bedingung geknöpft.

Unsicher sah ich meinen Noch-Chef an. "Welche Bedingung?"

"Ich möchte eine letzte Information. Ein letztes großes Ding, etwas schockierendes. Etwas, das einen Skandal auslöst. Eine letzte Sache, danach unterschreibst du eine Verschwiegenheitserklärung und bist raus aus der Sache."

Stumm sah ich ihn an. Es war klar, dass eine Sache noch kommen musste, ich hätte es ahnen müssen. So einfach konnte es nicht werden.

Wie sollte ich in dem Gewissen leben, Kade einen Skandal aufgehalst zu haben? Nach allem was er mir anvertraut und wir geteilt hatten. Das war schrecklich. Wie konnte ich das tun?

Andererseits, was war eine letzte Sache gegen hundert weitere? War es das wert?

"Und, wenn es keine weitere Sache gibt? Wenn es das war? Keine weiteren Dinge?"

Herr Greyson hob beide Augenbrauen, aber nicht erstaunt, sondern abschätzend. Ein überlegener Ausdruck trat in sein Gesicht.
"Es gibt da noch was."

Wenn ich jetzt fragte woher er das wusste, dann würde ich keine Antwort erhalten.
Seufzend sah ich auf die Tischkante.

Ich wäre dann raus. Frei. Könnte ohne weiteres schlechtes Gewissen zu Kade.

"Und?" fragte mein Boss.

So wollte ich ihn nicht mehr nennen müssen.

"In Ordnung."

•••

Bodyguard || BoyxBoy [Beendet]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt