Kapitel 06

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•Kade•

Evangelien und ich kannten uns schon knapp drei Jahre, kurz bevor es mit meiner Karriere so richtig losging und sie in die Fußstapfen ihrer Mutter trat um Reporterin und später auch mal Chefredakteurin von It-Today zu werden.

Sie hatte die meisten meiner Interviews hier geführt, wir waren auch privat gute Freunde und es war immer eine Freude, sie zu sehen.

"Evangelien." begrüßte ich sie lächelnd mit einer Umarmung, sie tat es mir gleich, auch wenn sie sich durch ihre hohen High-Heels zu mir beugen musste.

"Kaddy, wie immer eine Freude." meinte sie und sah dann zu Rowan, der sich ganz seinem Job nach hinter mich gestellt hatte.
Sie betrachtete ihn mit einem berechnenden Blick, den er mit gleicher Miene erwiederte.

Kannten die beiden sich etwa? Es war jetzt nicht unwahrscheinlich, aber doch erstaunlich.

"Eve, das ist Herr Reece, mein neuer Begleitschutz." erklärte ich höflich und sah zu Rowan, dessen Augen sich vor Erstaunen geweitet hatten.
"Rowan, darf ich Ihnen Evangelien vorstellen?"

Die beiden gaben sich zögernd die Hand, mein Bodyguard wirkte beinahe ehrfürchtig und kurz flammte in meiner Brust ein seltsames Gefühl auf, das aber sofort wieder verschwand.

"Klar, Herr Reece." sagte Eve nüchtern, an ihrem Blick erkannte ich nicht, ob sie skeptisch war oder einfach unfreundlich.

"Kennt ihr euch etwa?" fragte ich verwirrt durch diese Reaktion, doch ehe Eve etwas sagen konnte, antwortete Rowan schnell.

"Nein, nein."

Eve bedachte ihn erstaunt, mir war klar, dass da was nicht stimmte, und ich war etwas neugierig, aber sie waren erwachsen, ihre Probleme konnten sie unter sich klären.

Eve begrüßte noch Herr Huntley, der Zeit seines Lebens in die hübsche, hochgewachsene Blondine verliebt war, wobei dieser aussah wie ein nervöser Teenager.

Sie tat seine gestotterte Begrüßung mit einem Lächeln ab.

Die Reporterin drehte sich wieder zu mir, wobei ihre blonden Haare glatt um ihre Schultern wirbelten.
Auf dem Kopf trug sie eine Art Haarreif mit Blumen, was zu ihrem geblümten Sommerkleid passte.
Einzig der knallrote Lippenstift verriet, dass sie es faustdick hinter den Ohren hatte, dazu ihre viel zu hohen Schuhe und das Bild einer angehenden Chefredakteurin war perfekt.

"Dann setz dich mal. Herr Reece, sie können da hinten stehen." wies sie ihn kalt an, was er mit grimmiger Miene kommentarlos hinnahm.

Während mein Bodyguard sich hinter der Kamera und dem technischem Personal plazierte, setzte ich mich zu Eve auf die sommerlich hergerichtete Schaukel, die sie hier anstatt einer Couch verwendeten.

Ich fand das verdammt cool und ich hatte schon oft überlegt, mir eine solche breite Schaukel auch für mein Büro zu holen.

"Also Kade, erstmal schön, dass du da bist." begann sie das Interview professionell und ich nahm meine gewohnte lässige, aber höfliche Haltung ein.
Also etwas schräg sitzen, Bein über das andere und immer lächeln.

"Freut mich auch hier zu sein." entgegnete ich, weil das immer diese Anfangsfloskel war.

In diesem Studio fühlte ich mich immer wohl, es war offen und freundlich eingerichtet, neben uns standen kühle Getränke mit lustigen Metallstrohhalmen; alles war etwas lockerer als bei diesen ganz großen Redaktionen.

Eve stellte mir ein paar Fragen zu meiner Tournee, wie es war, ob ich Spaß hatte und schon die nächste in Aussicht war.

Ich beantwortete alles wahrheitsgemäß, hinten konnte ich sehen, wie Herr Huntley zufrieden nickte.

Rowan hingegen stand stur da, seine Miene moton, aber aufmerksam.

Es war seltsam, aber ich fühlte mich erstaunlich ruhig in seiner Nähe, obwohl ich ihn weder kannte noch ihm groß vertraute, und doch kam es mir vor, als könnte ich freier Atmen, wenn er in der Nähe war.

Wo er da so stand, mit berechnender, undurchdringlicher Miene und voll in seine Aufgabe vertieft, musste ich ihn wohl einen Moment zu lange angesehen haben, denn sein Blick traf meinen, in der selben Sekunde hörte ich Eve etwas sagen.

Aus meinen Gedanken gerissen sah ich sie an.
"Wie bitte?" fragte ich, sie grinste leicht.

"Wie viel von den Gerüchten über die Kündigung deines Bodyguards wahr sind." wiederholte sie und ich schluckte.

Blödes Thema, ganz blödes, unangenehmes Thema, dem ich gerne aus dem Weg gegangen wäre.

Kurz sah ich zu Herr Huntley, der mir bedeutete, ruhig zu bleiben.
Auf jede Frage mit einer Gegenfrage antworten, das hatte ich gelernt.

"Kommt drauf an, was hast du denn gehört?" entgegnete ich lächelnd.

Schmunzelnd wog sie sich in der großen Schaukel hin und her.

"Es gab Gerüchte über eine gescheiterte Liebesbeziehung zwischen euch. Seine Gefühle haben dich wohl in Gefahr gebracht, er wurde unaufmerksam und beendete die Tournee zwar mit dir, kündigte wohl aber trotzdem."

Verdammt, das war zu präzise und viel zu detailliert.
Woher hatte sie diese Infos?

Ich tat das mit einem Lächeln ab.
Auf solche Fragen war ich ja vorbereitet, trotzdem waren sie unangenehm.

"Meinen ehemaligen Begleitschutz und mich verbindet einfach eine langjährige und tiefe Freundschaft. Leider kam es zu Streit, daher gehen wir nun getrennte Wege." antwortete ich, wobei ich Rowans neugierigen Blick auf mir spürte, welcher mir fast eine Gänsehaut bescherte.

"Worum ging es bei dem Streit?"

"Eine kleine Lapalie." wiederholte ich.
"Ein typischer Streit um alles, was einen aufregt und von dem am Ende keiner mehr sagen konnte, worum es eigentlich ging."

Ich konnte noch genau sagen, worum es ging, aber das wollte ich nicht weiter ausführen. Diese Version war kürzer, einfacher zu erklären und weniger skandalös.

"Okay, das ist zwar schade, aber beruhigend." sagte Eve, etwas enttäuscht, dass keine große Side-Story zustandekam, aber dennoch lächelnd.

Sie stellte noch ein paar Fragen zu neuen Hits und dem Album, wie es jetzt weiterging und dann beendeten wir auch schon das Interview.

Keine Ahnung wie lange mich die Geschichte mit River noch verfolgen würde, doch meine Erleichterung darüber, dass nicht zu viel davon ans Licht gekommen war, brach erneut über mich ein.

Ich durfte daran nicht denken.

Alles was in meinem Kopf zu sein hatte war meine Karriere.

"Kommen Sie?" fragte mein neuer Bodyguard und hielt mir die Tür auf.

Ja, eigentlich sollte auch er in meinem Kopf nichts zu suchen haben...

•••

Bodyguard || BoyxBoy [Beendet]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt