ALLES ANDERE ALS SANFT

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HAMBURG

Eilig band sich der lockige Blondschopf die Schnürsenkel der weißen Sneaker zu.
Die Sonne schien heute über Hamburg, es war Anfang Mai und das Thermometer erreichte endlich über 20 Grad.
Für Emmi Winter gab es nichts Besseres als den lauen Abend mit einer ausgiebigen Joggingrunde zu beenden.
Sie band sich die blonden Haare zu einem Dutt und musterte prüfend ihr Outfit im Flurspiegel.
Unter dem schwarzen Oberteil und der gleichfarbigen Sportleggings zeichneten sich ihre Muskeln ab.

Emmi trainierte hart für ihren Körper, würde aber dafür niemals auf alles verzichten.
Sie gönnte sich lieber ab und an einen Burger und lief dafür ein paar Kilometer mehr.

Die hölzerne Wohnungstür ließ sie hinter sich ins Schloss fallen, hüpfte die Treppe herunter und startete den Timer auf ihrem Handy.
Ein Swedish House Mafia Remix bestimmte
ab jetzt den Rhythmus ihres Lauftempos.

Entspannt lief sie zuerst an der Alster vorbei und sog die frische Luft ein.
In der letzten Zeit war es stressig auf der Arbeit und sie war heilfroh darüber, jetzt endlich den Kopf frei zu kriegen.
Seitdem es hierarchisch einige Änderungen in der kleinen Kanzlei gegeben hatte, machte ihr die Arbeit zu ihrer eigenen Enttäuschung immer weniger Spaß.
Abgesehen davon, dass Emmi es schon immer gehasst hatte, irgendwelche Befehle auszuführen, betonte ihre beste Freundin Caro stets, dass sie ihre Kompetenzen besser nutzen solle.

Zügig lief sie an den spielenden Kindern vorbei. Immerhin übertönte die Lautstärke ihrer Kopfhörer größtenteils das nervige Kindergeschrei.
Emmi konnte sich bisher absolut nicht vorstellen, eine eigene Familie zu gründen.
Im Gegensatz zu ihrem Bruder Ben fühlte sie sich dazu noch viel zu jung.
Paradoxerweise spielte sich der Großteil des Lebens ihres Bruders auf der Hamburger Reeperbahn ab, zuhause war er jedoch der größte Familienmensch.
Zugegebenermaßen hatte seine kleine Tochter Holly eine wirklich zauberhafte Wirkung auf Emmi, jetzt selbst Mutter zu werden war für sie jedoch der Albtraum schlechthin.

Vielleicht lag es aber auch daran, dass sie in den letzten Jahren keinen Mann kennengelernt hatte, der sich annähernd für die Familienplanung eignete.
Ihre Beziehung mit Timo lag bereits fast zwei Jahre zurück und danach hatte sie nicht mehr das Verlangen gehabt, sich fest zu binden.

Nachdem sie sich plötzlich von ihm getrennt hatte, hatte sie endlich wieder zu sich gefunden.
Damals war sie wirklich verliebt in ihn gewesen, aber als sie von seinen Frauengeschichten erfahren hatte, zog sie einen schmerzhaften Schlussstrich.
Alles hatte harmonisch begonnen, war dann aber schnell zu extrem toxischen Mustern übergegangen.

Zu ihrer Enttäuschung arbeitete Timo mittlerweile in einer angesehen Kanzlei und verdiente dabei mindestens doppelt so viel wie Emmi.
Aber so war das Leben nun mal, den Bösen ging es immer besser als den Guten.

Nach circa 20 Minuten bog Emmi atemlos in den alten Elbpark ein.
Ein flüchtiger Blick auf ihr Handy verriet, dass sie das Tempo anziehen musste, um ihre Zeit zu halten. Für den Halbmarathon im Juli musste sie sich ranhalten.
Sie erhöhte ihr Tempo und merkte augenblicklich ein Stechen in der Rippengegend, aber Aufgeben war keine Option!

Zumindest bis ein hellbrauner Ball sich mit vollem Körpergewicht gegen sie schmiss und sie unsanft auf dem harten Boden aufprallte. Emmi brauchte einen kurzen Moment um Luft zu holen.
Das Bellen des beigen American Bullies erklärte, wieso sie so schmerzhaft auf dem steinigen Weg gelandet war.
„Ist ja gut, du hast mich wohl übersehen", sagte sie sanft und hielt sich den schmerzenden Knöchel.

Argwöhnisch kam der Bully ihr näher und blieb vor ihr stehen.
Sie waren ungefähr auf der selben Augenhöhe, denn Emmi saß immer noch auf dem Boden. Sie streckte ihm vorsichtig ihre Hand entgegen und er schnupperte daran, bevor er einmal drüber schleckte.
Sanft kraulte sie seinen Kopf.
Der Hund konnte ja nichts dafür, dass er sie übersehen hatte.

„Finger weg von meinem Hund!", eine tiefe, schneidende Stimme ließ Emmi erschrocken herumfahren.

Sie stand auf und klopfte den Staub ab, „dein Hund hat mich umgeworfen."

Ohne die Miene zu verziehen funkelten die eisblauen Augen des tätowierten Riesen sie bedrohlich an. „Jetzt stehst du ja wieder. Meinen Hund fasst keiner von euch scheiß Groupies an."

Die Präsenz des Mannes vor ihr, hatte eine unglaubliche Wirkung.
Die bedrohliche Tonlage und seine kräftige Statur schüchterten Emmi sehr wohl ein, sie versuchte aber, sich nichts anmerken zu lassen.

„Entschuldige dich doch einfach. Ich hab deinem Hund nichts getan."

Abschätzig musterte er sie, pfiff und ließ sie wortlos stehen.
Der American Bully folgte ihm sofort auf Kommando.

Fassungslos starrte Emmi dem breitgebauten Blondschopf hinterher. So ein respektloses Verhalten hatte sie lange nicht mehr erlebt.
Was bildete dieser Idiot sich eigentlich ein?
Der Hund konnte nichts dafür, dass er sie umgesprungen hatte, aber als Besitzer konnte man sich dafür immerhin entschuldigen.

Ihre gute Laune war verflogen und sie drehte mit schmerzendem Knöchel wieder um. Hoffentlich war es nur eine Verstauchung, denn auf einen längeren Ausfall konnte sie getrost verzichten.

⋆⋄✧⋄⋆

Auch nach einer kalten Duschen besserte sich Emmi's Gemütszustand nur mäßig.
Den schmerzenden Knöchel kühlte sie mit einem Becher Vanilleeis aus dem Gefrierschrank.
Rauchend saß sie auf einem der beigen Outdoorsessel auf dem kleinen Balkon und aß ein paar Trauben.

Von hier aus hatte man einen wunderschönen Blick über die Dächer Hamburgs. Auch wenn ihre Wohnung nicht überdurchschnittlich groß war, war sie mehr als ausreichend. Für Freunde war zumindest immer genug Platz da.
Die Mietpreis in Altona waren der Horror, weshalb die Wohnung ein echter Glücksgriff war.

Sie warf einen prüfenden Blick auf den Knöchel, der ziemlich angeschwollen war.
Verärgert dachte sie an den Typen aus dem Park zurück. Was für ein Idiot! Wenn sie wegen dem nicht den Halbmarathon laufen konnte, würde sie ausflippen.

WIE GEFÄLLT EUCH DAS ERSTE KAPITEL ?
(KEINE SORGE, DIE NÄCHSTEN WERDEN LÄNGER).

BAD IS BETTER - EMMI& MARTENWo Geschichten leben. Entdecke jetzt