Heutiges Spiel: Wer weiß es?

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Meine Reaktion verlief relativ sparsam. Ich meine, wie reagierte man darauf, dass der eigene Chef jahrelang an einer Möglichkeit getüftelt hat, wie er einen am besten unschädlich machen konnte?

Natürlich wusste ich - oder hatte es eher geahnt -, dass er etwas diesbezüglich als Notfallplan hatte, bevor seine Idee von den Avengers überhaupt Gestalt angenommen hatte - schließlich stand und stehe ich ganz oben auf dem Index der potentiell gefährlichen Menschen mit Fähigkeiten. Das war alles nichts neues für mich, ich hatte mich mit der Zeit daran gewöhnt, aber das?

Völlig unerwartet.

Obwohl ich zugeben musste, dass Fury da schon seiner Zeit vorraus gewesen zu sein schien. Es war eine Option.

Allerdings nur hypothetisch. Keiner hatte es je getestet - wie auch?

„Wow“, brachte ich hervor und senkte das Blatt. „Klingt nach keiner schlechten Idee, wo sind die Phiolen?“

„Keine Ahnung. Seit dem Untergang von SHIELD wurde nichts mehr darüber aufgezeichnet.“ Unbeholfen zuckte Clint mit den Schultern, als wäre er sich nicht sicher, ob ich gleich vor Wut die Realität ändern würde.

„Vielleicht Hydra“, schlug ich vor.

„Was wollen die denn mit einem Serum anstellen, dass nur für dich gemacht wurde?“

„Keine Ahnung, ich bin nicht Hydra.“ Ich fuhr mir durch die Haare. „Wo sind die ganzen geretteten SHIELD-Daten gelandet?“

„Stark, größenteils.“

Mir wurde schlecht.

„Wer, denkst du, weiß wohl davon?“, wollte ich von ihm wissen.

Verwirrt musterte er mich. „Von Starks Ansammlung von SHIELD-Datein? Jede-"

„Ich meinte das Serum.“

Er schwieg und ich wusste, was ihm durch den Kopf ging. Eventuell jeder aus dem originalen Team, bisauf er und ich und vielleicht Thor, weil er nicht von hier ist  - für den Notfall natürlich.

Es würde Sinn machen. Nat, Steve, Tony und Bruce waren am nächsten dran - meistens jedenfalls. Der einzige mit einer noch engeren Beziehung war Clint - und er hätte diesem Serum nie zugestimmt.

Und dazu hatten wir keine Ahnung, wo die Phiolen nun geblieben waren.
Jeder könnte sie haben. Und keiner hatte uns je darüber informiert, dass sie überhaupt existierten.

Vielleicht war es besser so gewesen. Mein 21 Jähriges Ich hätte das niemals so gut verstehen können, wie ich es jetzt tat.

Wenn ich zu dem Monster werden würde, in das ich mich gerade entwickelte, wäre es vielleicht sinnvoll, wenn es sowas geben würde - obwohl mir Clint da wieder widersprechen würde.

„Wir wissen nicht, wer was weiß“, schlussfolgerte ich aus seiner Stille. „Und fragen können wir such nicht, weil wir eben nicht wissen, wie viel sie wissen.“

„Das kommt mir bekannt vor“, murmelte er, spielte auf die Geschehnisse von vor fast zwei Jahren und alles, was danach kam, an.

Am Nachmittag, bis zu dem wir so taten, als wäre alles normal, wurde dann bekannt gegeben, dass die Avengers so lange Operationsverbot bekamen, bis die Sache geklärt war. Wenn wir irgendwo außerhalb der Vereinigten Staaten gesichtet werden würden, würden wir festgenommen werden.

Da überall bedrückte Stimmung herrschte, fiel es gar nicht auf, dass ich immer mal wieder misstrauisch zu einem der anderen schielte - auf der Suche nach irgendwelchen verstecken Hinweisen, als würden diese wie in einen Videospiel sofort beginnen, wenn ich wusste, wonach ich suchen musste.

Steve hatte sein bestes gegeben die Stimmung ein wenig fröhlicher zu machen, aber das war bei einem Haufen traumatisierter Superhelden mit Verdrängung nicht gerade einfach.

Meistens war ich den anderen aus dem Weg gegangen - als die, die uns erst in diesen ganzen Scheiß reingeritten hatte. Sie tolerieren es wenigstens einigermaßen und ließen mich allein in der Trainingshalle, in der ich meinen Frust an einem Boxsack auslassen konnte - obwohl das schon mal effektiver gewesen war.

Bei so einer Situation hatte ich meistens Juliet angerufen, um mir die Seele vom Leib zu reden, aber seit ich sie das letzte Mal besucht hatte, hatte sie rein gar keine Erinnerung an mich und schien auch nicht wirklich darauf erpicht zu sein, überhaupt mit einer Fremden wie mir sprechen zu wollen.
Dass ich das, was geschehen war, immer noch nicht verstanden hatte, beunruhigte mich.

Ich hasste mein Leben und was daraus geworden war.

Aber wenigstens war Barney tot, wie er es sein sollte.

Später hatte sich Natasha zu mir gesellt - vielleicht ahnte sie, dass etwas nicht stimmte, oder sie fühlte dazu verpflichtet nach dem Rechten zu sehen.

„Wie geht es deinem Kater?“, hatte sie mich gefragt.

Ich boxte weiter gegen den Sack. „In Ordnung.“

Die Antwort kam harscher rüber, als ich beabsichtigt hatte.

„Bella“, seufzte sie. „Es ist nicht deine Schuld.“

„Sicher?“ Ich schnaubte. Wollte sie wirklich darüber reden? „Denn ich bin mir sicher, das ist das, was jeder andere denkt.“

„Ich nicht. Clint auch nicht.“

Wenn sie doch wüsste, dass ich wegen etwas völlig anderem frustriert war, das nicht mit der Explosion zu tun hatte.

Dass mich das in der schnelle schon nicht mehr fertig machte, machte mir Angst. Aber glücklicherweise kam Clint ja immer genau richtig, um mir einen neuen Aspekt meines Lebens vor Augen zu halten, von dem ich bisher nichts gewusst hatte.

Danke dafür.

„Ha“, machte ich und ließ von dem Boxsack ab. „Clint würde mich nicht einmal als Monster ansehen, wenn ich die Welt untergehen lassen würde.“

„Er sieht in allem das gute“, meinte Natasha die Augenbrauen verziehend, als würde ihr nicht gefallen, worauf ich anspielte.

„Er sieht in mir etwas, das ich nicht mehr bin.“ Ich fuhr mir durch die Haare und sah sie an. „Das tut ihr alle noch.“

Ich wollte das nicht mit ihr diskutieren – da gab es nichts zu diskutieren. Es war so. Punkt.

„Das ist nicht wahr."

„Dann rede nicht mehr so mit mir, als könnte ich nichts falsch machen“, verlangte ich. „Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe. Und eine Entschuldigung wird das auch nicht geradebiegen können.“

Anstatt etwas zu erwidern starrte mich Natasha wortlos an. Eventuell stimmte sie mir zu, oder sie wollte mich nicht weiter aufregen.

Immer mehr fielen mir die Unterschiede zwischen meinen Teamkollegen – den Helden – und mir auf. Ich war keine Heldin wie Natasha und nicht selbstlos wie Clint. Ich machte das, was ich machen wollte.

Und das war genau das Problem.

AN: Uhh, scheiße, es ist Freitag. Zu meiner Verteidigung, ich habe heute Deutsch geschrieben und musste dafür lernen. Ups, sorry noch mal. Hoffe, das verspätete Kapitel hat sich dennoch gelohnt. Meine Güte, wie schusselig von mir.

Marvel's Catastrophe⁶ ~ The Sokovia AccordsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt