Kapitel 3

110 5 0
                                    

Ich hörte ihre Stimmen, während ich langsam zu mir kam.

"Sie ist wegen Selbstverteidigung hier.", hörte ich Alex' Stimme.

"Sie wird zuhause misshandelt, Mom.", flüsterte Lisa gedämpft. "Wir können sie nicht einfach nach Hause schicken."

Ich schlief wieder ein und träumte von einer besseren Welt. Ich träumte von einer glücklichen Familie. Von Brüdern die mich beschützten und mir halfen. Mir klar machten, dass sie meine Beschützer waren und ich mit ihnen über alles reden konnte. Brüder mit denen ich lachen konnte und Späße machen durfte. Die mich neckten, aber es gut mit mir meinten.

Ich träumte von einem Vater der mir sagte, dass ich mir keine Sorgen machen sollte, wenn es mal schwere Zeiten gab. Der mit mir Fern sah und über Witze lachte. Der einen richtigen Job hatte und uns etwas bieten konnte. Ich träumte von einer Mutter, die mir die Haare flechtet und mir Schminktipps gab. Mit der ich über den neusten Klatsch und Tratsch sprechen konnte, weil man das mit Müttern nun mal machte, wenn man keinen zum Reden hatte. Die mich tröstete, wenn ich Schmerzen hatte. Die mich nicht ignoriert und beleidigte.

            Ich träumte also von einer völlig fremden Familie. Ich träumte nicht von meiner Familie, sondern von der, bei der ich gerade war.

Alex machte das Frühstück für Lily, weil er spürte, dass sie bald wach wurde. Er wollte ihr eine Freude machen, während seine Schwestern bei ihr waren.

            Sie würden sie hier behalten, dass war schon festgelegt. Sie würden die Polizei einschalten, damit das endlich endete und sie würden ein offenes Ohr für Lily haben. Sie musste sich aussprechen können, dass war sicher. Sie brauchte Unterstützung.

"Wir finden heraus, was sie dir angetan haben.", dachte er und nickte leicht.

Er stellte alles auf ein Tablett und ging die Treppe hoch, als er ihre Stimme vernahm. Sie war aufgewacht.

"Das ... also der blaue Fleck.", fing Lauren an. "Das war nicht das erste Mal oder?"

"Nein.", hörte er Lily durch die Tür hindurch.

"Wie oft, ist das schon passiert?", fragte Lisa.

"Ich habe aufgehört zu zählen."

Alex schob die Tür auf und sah die sieben Mädchen auf dem Bett sitzen, sie sahen alle auf. Doch sein Blick galt nur Lily.

"Wie geht's dir?", fragte er und trat zum Bett.

"Ganz gut.", lächelte sie leicht.

"Ich habe Frühstück gemacht, deine letzte Mahlzeit ist einen Tag her.", erklärte er.

"Lieb von dir, danke.", er sah die Liebe in ihren Augen und stellte das Tablett zu ihr. "Ich bin das nicht gewöhnt."

Er nickte nur. "Ich lass euch wieder alleine."

Damit verließ er das Zimmer. Er konnte sich vorstellen, dass Lily es schon länger als einen Tag ohne Essen aushalten musste. Er ließ sich auf der obersten Stufe der Treppe sinken und strich durch seine Haare.

            Er versuchte zu begreifen, wie man sein eigenes Kind so misshandeln und einschüchtern konnte. Wie man sein eigen Fleisch und Blut so brutal zurecht weisen kann, wie man dazu fähig sein konnte. Es gab für viele Sachen Ausreden, aber nicht dafür.

"Worüber denkst du nach, Al?", setzte sich Mike neben ihn. "Über Lily?"

Er nickte. "Ich verstehe das nicht."

"Das kann keiner von uns.", erwiderte er. "Aber wir werden diese Familie zur Rechenschaft ziehen."

"Wie konnte sie leben als wäre nichts passiert? Wie geht das?", flüsterte er und sah seinen großen Bruder an. "Ich kann mir das einfach nicht vorstellen. Ich könnte nicht mehr schlafen, weil ich angst hätte nicht wieder aufzuwachen."

You changed my LifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt