Kapitel 9

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-> Rückblick <-

Ich schlich durch den Flur in mein Zimmer und schloss die Tür hinter mir. Es war früh am Morgen und mir war schlecht gewesen. Bis jetzt hatte keiner etwas bemerkt. Um mich kümmerte sich eh keiner. Der Arztbesuch war genau zwei Wochen her und heute bin ich mit einem unguten Gefühl aufgewacht. Da wusste ich nicht, ob es eine Vorahnung war. Und ich wusste auch nicht, was mich noch erwarten würde.

         Ich zog mich an und gegen halb acht ging es wieder ins Bad, wo ich mein Fertigmachen vollendete mit Zähne putzen und Haare machen. Schließlich bereitete ich mir Frühstück vor, damit ich, wenn der Rest meiner Familie wach ist, nicht mehr im Weg stehe. Gut eine Stunde später standen sie auf. Niemand begrüßte mich, was sie seit Jahren nicht mehr gemacht hatten. Es gehört nicht dazu und ich hatte mich daran gewöhnt.

"Die Einkaufsliste ...", hörte ich auf und sah zu meinem Vater. "...liegt auf der Kommode im Flur."

Das war die Aufforderung, dass ich einkaufen gehen sollte. Ich nickte, zog meine Jacke über und packte den Zettel und das Geld ein, schlüpfte in meine Schuhe und verließ das Einfamilienhaus.

Der Supermarkt war nicht weit entfernt, sodass ich schnell dort war, mir allerdings Zeit ließ. Was hatte ich an einem Freitag schon zu tun? Meine Schule hatte ich vor ein paar Wochen absolviert und von da an war ich nur noch Zuhause. Woanders durfte ich nun mal nicht hin. Ich durfte nicht studieren oder eine Ausbildung anfangen, man brauchte mich Zuhause. Ich war hier festgebunden und konnte nicht weiter als zum Supermarkt. Sicher hatte ich schon ans abhauen gedacht, aber sie würden mich überall finden.

         Nachdem ich kurz nach zehn wieder zurück war, war es ruhig. Zu ruhig.

Ich stellte die Einkaufstaschen auf dem Küchentisch ab und begann sie auszuräumen. Meine Mutter schien in der Stube etwas zu bewerkstelligen und meine Brüder waren weg. Mein Vater musste arbeiten, also waren wir alleine. Nach einer halben Stunde war ich fertig und verzog mich in mein Zimmer.

         Ich hatte mir einen Plan zurecht gelegt, aber noch nicht weiter überdacht. Vielleicht hatte ich ja jetzt etwas ...

"Lily!", rief mich meine Mutter, ich stand von meinem Bett auf und ging in die Stube.

"Ja?", fragte ich sie.

"Ich gehe heute Abend mit deinem Vater weg. Du bist mit Eddie und Jeff alleine.", stellte sie mich vor vollendete Tatsachen. "Ich will nichts hören, hast du verstanden?"

Ich nickte und schluckte. Ich wollte nicht mit den beiden alleine sein.

Der Tag verging und sie kamen wieder. Eddie und Jeff. Sie schienen auf etwas wütend zu sein, denn als sie in mein Zimmer kamen, sah ich Jeffreys Zucken wieder und stand auf.

"Willst du uns noch was sagen?", hob Eddie eine Augenbraue.

"Was meinst du?", murmelte ich und wich zurück.

Aber es gab keinen Ausweg, wenn sie mich einmal in der Falle hatten, gab es kein Entkommen.

"Wie weit bist du?", zischte Jeff.

Ich erwiderte nichts.

"In der wievielten Woche, verdammt noch mal?", rief Eddie aus.

"In der neunten.", flüsterte ich. "Bitte."

Sie schüttelte den Kopf. Jeffrey war als erster bei mir und zog mich zu sich oder eher aus der Ecke.

"Wir müssen das machen.", erklärte er.

"Nein.", schüttelte ich den Kopf. "Ich gehe und dann seht ihr mich nie wieder."

"Natürlich. Das erste was du machst ist zur Polizei rennen, meinst du wir sind blöd?"

Noch ehe ich etwas machen konnte, war ich am Boden und spürte Tritte in Rücken und Bauch. So sehr ich es auch versucht hatte, ich konnte sie nicht abwehren. Ich konnte das Kleine nicht beschützen.

         Irgendwann sah ich meinen Vater in der Tür stehen und sah Hilfesuchend zu ihm auf. Er schickte meine Brüder raus und hockte sich zu mir.

"Was hast du nur wieder angestellt?", schüttelte er den Kopf und musterte mich.

"Gar nichts.", hauchte ich. "Ich habe gar nichts gemacht."

"Weißt du was ich hasse?", stellte er sich wieder aufrecht hin. "Lügen."

Dann wurde alles schwarz. Ich konnte mich nicht erinnern was er gemacht hatte, aber eins war mir klar.

         Ich hatte mein kleines Baby verloren und die Hoffnung, die ich gerade Aufzubauen versuchte.

You changed my LifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt