Das Gespräch

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Die Stofftücher, welche sie an ihre Hände gebunden hatte, waren blutgetränkt. Seufzend saß sie sich an ihrem Tisch und legte den Kopf in ihre Hände. Mittlerweile war es später Nachmittag. Ruth hatte sie noch länger arbeiten lassen, ungeachtet der Tatsache, dass sie unglaubliche Schmerzen hatte, trotz den Schmerzen war sie einfach nur froh, dass sie eine Arbeit hatte. Die Ereignisse der letzten Stunden waren wieder einmal zu viel. Erst einmal musste sie ihre Wunden versorgen und danach würde sie die Streitigkeiten bereinigen. Es wird alles gut. Das beschwor sie sich immer wieder. Wie üblich war keiner daheim, ihr Vater wahrscheinlich irgendwo in Kramas und Demir bei seinen Freunden Mathis und Kazir, welche zu zweit eine Wohnung ganz in der Nähe hatten. Ihre Gedanken fielen zu Kira und sie hoffte, dass es ihr gut ginge, wenigstens jetzt noch. Mit einem mulmigen Gefühl begann sie ihre Wunden zu säubern, was jedoch nicht gerade angenehm war und ihr liefen Tränen über die Wangen. Keuchend biss sie sich auf die Zähne, als sie mit dem Wasser ihre Wunde sauber machte. Bei jedem Striemen, den sie reinigte, wurde ihre Wut größer und größer und sie verfluchte die Visaner und diese Welt. Priamos würde sowieso jetzt auch das Schlimmste von ihr annehmen, weil sie einfach abgehauen war. Eigentlich hätte es sie nicht kümmern sollen, aber der Gedanke, dass er sie nur wie eine Hure sah, der bereitete ihr mehr als Unbehagen als sie wollte, aber sie konnte nicht einfach in das Amaro-Viertel spazieren und ihn besuchen. Sie hatte heute Vormittag schon Glück, dass ihr niemand etwas getan hatte. Mit glasigen Augen blickte in sie in das Gefäß voller Wasser, das jetzt blutrot war. Mit dem Schmerz musste sie jetzt leben, sie konnte sich bei den Göttern kein Schmerzmittel leisten, nichts was ihr helfen könnte und sie musste beten, dass sich nichts davon entzündete, sonst hätte sie noch andere Probleme. Da hörte sie es. Ein Klopfen an der Tür. Demir würde nicht klopfen und ihr Vater auch nicht. Stirnrunzelnd stand sie auf und öffnete mit einem kleinen Schmerzensschrei die Türe und da lagen mehrere Päckchen. Ihr geheimer Wohltäter, wer sonst?

Ein Lächeln schlich sich auf Shylas Gesicht. Das war wohl das einzige Gute an jenem scheußlichen Tag. Vorsichtig nahm sie es in die Hände, bedacht darauf es so wenig wie möglich mit Blut zu beschmutzen. Heute waren es drei Päckchen, irgendetwas hat dazu geführt, dass er heute großzügiger war. „Danke." Flüsterte sie eher zu sich selber, weil es die mysteriöse Person, die es ihr hingelegt hatte, ohnehin nicht hören würde, es sei denn es wäre ein Arener, einer der mithilfe der Luft die gesprochenen Worte zu sich ziehen konnte, aber sie bezweifelte stark, dass ein Visaner ihr helfen würde. Dieses Geheimnis würde sie wohl nie lüften, aber es war ihr im Moment auch egal, denn in dem einen der Päckchen war eine kleine Flasche und Shyla hielt den Atem an, als sie erkannte, dass der Wohltäter ihr eine schmerzlindernde Salbe geschenkt hatte. Sie hielt sich die Hand an den Mund und keuchte laut auf. Voller Freude hatte sie wohl am liebsten laut losgeweint, das war noch besser als jedes Geld. Bei den Göttern, so eine Salbe war wirklich teuer, jedenfalls für den Maßstab eines Menschen in Hylaris. Sogleich trug sie diese vorsichtig auf ihre Wunden auf und konnte sofort einen Effekt spüren. Erleichtert atmete sie auf und schloss die Augen. Danke, danke, danke. Was wohl in den anderen Päckchen enthalten ist? In dem einem war wieder Geld und in dem anderen .... Heute meint es wirklich jemand sehr gut mit ihr. Es war ein Stück des köstlichen Gebäcks, welches Shyla jemals kosten oder je riechen konnte. Am liebsten wollte sie es sogleich verspeisen, zumal sie heute noch nichts gegessen hatte, aber sie besann sich. Ihr Vater und Demir wollten sicherlich auch etwas davon essen und es war auch ein Friedensangebot an Demir sollte er denn auch mal wieder nachhause kommen. Doch zuerst hatte sie noch etwas anderes zu erledigen. Sie bandagierte ihre Hände noch einmal und sprang sogleich wieder von ihrem Tisch auf, jedoch achtete sie darauf, dass sie das Geld an einem sicheren Ort versteckte. Bald würde es ohnehin wieder zum Einsatz kommen, denn ihr Vater würde sicherlich bald wieder Kredit bei Ascian einfordern.

Sie stand in Tessal genau vor dem riesigen hellblauen angestrichenen Haus des populus, in welchem wohl gerade wieder eine Versammlung tagte. Elias würde sicherlich da drinnen sein. Kurz bevor sie aufgebrochen war, hatte sie sich noch einmal frisch gemacht, denn nach der Nacht mit Priamos und nach der anstrengenden Schicht in der Firma Lux hatte sie es auch dringendst nötig. Jetzt hatte sie sich ein frisches Kleid angezogen und ihre Haare wieder gebändigt, sodass diese in zwei geflochtenen Zöpfen an jeder Seite hinunterhingen. Nur ihre kleinen widerspenstigen Löckchen flogen frei im Wind umher. Die Tür zum populus ging auf und die ersten Menschen und auch Visaner strömten heraus. Shyla regte den Hals, um Elias ausfindig zu machen und da war er. Sein strubbeliges braunes Haar ragte wie immer aus allen Seiten hervor und seine Aktentasche, welche er lässig an der Seite hängen ließ, war wie immer unordentlich und ein Chaos von der speziellen Sorte. Solange er den Überblick darüber behält. Sein Blick fiel auf Shyla und er verzog überrascht das Gesicht. Zögerlich lächelte Shyla zurück und hoffte darauf, dass sie ihr Kriegsbeil begraben konnten. „Shyla, was machst du denn hier?" Er kam auf sie zu und blickte auf sie hinab. Er war ebenso recht groß, aber nicht so groß wie Priamos. Wieso musste sie sie jetzt überhaupt vergleichen? „Es tut mir leid." Platze aus Elias heraus und er fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. Er war sichtlich beschämt. „Ist in Ordnung. Du hast ja in gewisser Weise auch Recht." Meinte Shyla und dachte dabei an die Ereignisse von letzter Nacht.

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