Das Angebot

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Ihre Wand müsste neu gestrichen werden. Sie bröckelte. Genauso brüchig wie die Schubladen in ihrer Küche. Seit Stunden saß sie auf dem Küchentisch und starrte die Wand an. Wie betäubt war sie nachhause gegangen, unfähig die Ereignisse der letzten Stunden auch nur ansatzweise zu verarbeiten. Priamos entsetzten Blick als er sie in ihrem Elend gesehen hatte. Er wusste zwar was sie war und woher sie kam, aber es war etwas Anderes als es in Wirklichkeit zu sehen. Verzweifelt raufte sie sich die Arme. Sie schämte sich so, erst hatte sie ihn nach einem One-Night-Stand ohne Erklärung verlassen und nun sah er sie in ihrer Arbeitskleidung in jener gottverdammten Firma. Ruht und Dera waren ihr so dermaßen egal, keinen einzigen Gedanken würde sie an sie verschwenden. Wie zum Infernum war das ihre Schuld? Der Flüsterer hatte sie angegriffen. Ja, sie hatte gelacht, aber nicht über ihn, sondern nur über die komische Situation. Die mächtigsten Visaner und zudem noch Ratsmitglieder bei Ihnen in der Firma, die Absurdität der Parade war nicht zu übertrumpfen. Ihre Gedanken fielen zu dem Flüsterer, dem mächtigsten aller, dem Meister der Gedanken, dem Nachfahr von Styx, dem Herrscher über das Infernum und allen Böses. Er hatte sie angegriffen, hätte mit seinem Nebelfaden gesponnen durch seine Kraft sie alles befehlen hatte können. Sie wäre seine Sklavin gewesen, unfähig auch nur sich zu wehren, vor allem als schwacher Mensch. Das allerschlimmste an diesem Angriff war die Tatsache, dass es sie hätte mehr kümmern müssen, dass sie vielleicht nicht mehr Herr ihres eigenen Willens war, doch es war so. Sie konnte nur Priamos Augen auf sich spüren. Sein Blick hatte es bis in ihr Inneres geschafft und sich dort eingefressen. Wieso kümmert es sie denn so sehr? Er war unerreichbar, ein Visaner, ein Ratsmitglied. Trotzdem hatte er dich verteidigt meldete sich eine kleine Stimme in ihrem Inneren wieder. Ja, das stimmte er hatte sie vor dem Flüsterer gerettet, mit einem riesigen .... Feuerball. Allein der Gedanke an eine solche Macht durchdrang sie. Sie konnte ihm nichts bieten. Und sie war mittlerweile arbeitslos. Auch die Spenden ihres Wohltäters würden sie nicht mehr über Wasser halten. Wie sollte sie das nur ihrem Vater und Demir erklären? Sie hatten sich nach Kiras Gehen doch erst wieder vertragen. Ihre Arbeitskolleginnen Bera und Gaia hatten sie vorhin noch besucht und ihr Mut zugesprochen, doch die Wahrheit war so ernüchternd wie ihr verfluchtes Leben. Sie würde keine Arbeit mehr bekommen, Ruth würde dafür sorgen. Die Arbeitsplätze in Lumis waren ohnehin schon heiß begehrt und eine andere Glücklich würde nachrücken und um Mindestlohn in diesem Dampfinfernum schuften. Kein einziger würde sie anstellen in den Firmen und die Alternative zu solchen waren Spelunken im Kramas Viertel, in welchem Ascias, ihr Schuldeintreiber und Rojus, der Menschenhändler in Unwesen treiben. Oder einer der vielzähligen Bordelle dort. Seufzend wand sie den Blick endlich von der Wand zur Tür. Sie musste zu einer Prostituierten werden. Wenigstens hatte dann alle Recht, wenn sie sagten, dass sie eine Hure war. Ein freudloser Lacher entkam ihr. Wenigstens hatte sie noch ihren Humor, denn ihre Würde war ihr mittlerweile abhandengekommen. Ein energisches Klopfen durchbrach ihre Gedankenspirale. Das war sicher Demir, der von Gaia wohl schon von ihrer Glanzleistung heute gehört haben muss. Seufzend stand sie auf und riss die Tür auf. „Ich kann es erklären. Ich wollte nicht lachen, wirklich nicht. Die ganze Situation war nur so...." Auf einmal verstummte sie und keuchte laut auf. Es war nicht Demir, der sie mit belustigendem Blick bedachte, nein es waren jene Augen, die sie schon den ganzen Nachmittag über verfolgten. „Priamos." „Wie war denn die Situation?" Mit einem neugierigen Blick schaute er hinter ihr in ihre kleine Wohnung, die neben seiner Villa ein Witz war. „Komisch." Würgte Shyla fast hervor und blickte nervös auf den Boden. Ihr ganzes Inneres zog sich zusammen und sie musste sich zusammenreißen, um ihn nicht mit Blicken zu durchbohren. Alleine seine Präsenz nährte die kleine Wohnung und strahlte pure Macht aus. Seine Augen wurden feurig und das schöne Blau verschwand. Mit einer einzigen Handbewegung strich er sich seine lockigen blonden Haare aus dem Gesicht und kam mit einem Schritt auf sie zu. „Bitte schau mich an." Seine Stimme war fast ... flehend. Aber sie konnte nicht, sie schämte sich so. „Es tut mir leid, dass ich in jener Nacht einfach abgehauen bin, ich habe verschlafen und musste arbeiten, du weißt ja mittlerweile wo. Ich wollte meine Arbeit nicht verlieren, nun das hätte ich mir sparen können." „Wieso?" Seine dunkle Stimme ließ ihr einen Schauer über den Rücken jagen und endlich konnte sie ihn mit ihren Augen anblicken. Er war größer als sie weswegen sie nach oben blicken musste. Sie schluckte einmal.... zweimal. „Ich wurde gerade eben gefeuert." Seine Augenbrauen zogen sich zusammen und seine Augen... bei den Göttern seine Augen leuchteten im hellsten Rotbraun. Er atmete tief durch. „Das tut mir leid. Es war aber nicht deine Schuld." „Ich habe gelacht." Murmelte sie. „Tja Ray ist ein arroganter Idiot und wohl nicht daran gewöhnt, dass ihn irgendjemand lächerlich macht, vor allem ein Mensch. Er gibt einen Dreck auf alles und jeden und er war damit zu weit gegangen. Er ist verbannt worden." Shyla wand den Blick ab, um die Information, die sie soeben bekommen hatte, erst einmal zu verdauen. Der Flüsterer hatte einen Namen, Ray. Es sollte sie eigentlich nicht wundern. Seine Mutter hätte ihn wohl kaum Flüsterer getauft. Verbannt. Stimmt, die Kanzlerin Renna hatte ihn verbannt. Was das wohl heißen mag, wohin müsste er gehen? Doch im Grund war es ihr auch egal, solange er ihr nicht mehr über den Weg lief. Auf eine zweite Begegnung konnte sie verzichten. Ein Schauer durchlief sie. „Du musst keine Angst vor ihm haben, er wird dir nichts tun." Priamos müsste ihre Angst wohl bemerkt haben. Sein Blick war weich, als er ihr in die Augen blickte. „Du hast mich verteidigt. Danke." Hauchte Shyla und sie meinte es ernst. Er hatte sie vor ihm gerettet. „Ich werde dich immer verteidigen." Sein Blick war ebenso todernst und eine Wärme durchfuhr Shyla. Er würde sie immer verteidigen. Diese Worte waren wie Balsam für ihre Seele, die nach seiner Liebe und seinen Berührungen ächzte. Eine Weile standen sie still da, scheinen die Nähe des anderen genießen zu wollen, denn wer weiß wie lange diese hält. „Ich will dir ein Angebot machen." Fing Priamos schließlich an und dabei wirkte er nervös. Wie ein kleiner Junge fuhr er sich durch die Haare und rang mit seinen Worten. „Was ist es?" Auffordernd blickte Shyla ihn an und wollte ihm so Mut zusprechen, seine Gedanken auszudrücken. „Ich will dir eine Arbeitsstelle geben, bei mir." Shylas Herz machte einen Sprung. Bei ihm. Das waren die einzigen Worte, die sie hörte. „Als Haushaltsgehilfin. Ich brauche sowieso noch jemanden. Meine Köchin schafft es nicht alleine und die anderen sind für den Garten und meine Tiere zuständig. Verwirrt blicke sie ihn an. Er machte ihr allen Ernstes ein Jobangebot. Das sie wohl mehr als alles andere benötigt. „Ich nehme an." „Du weißt doch noch gar nicht, was ich zahle und wie die Bedingungen sind." Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln. „Du kannst es wohl gar nicht erwarten, wieder in meiner Nähe zu sein." Shyla grinste zurück. „Das hättest du wohl gerne." „Schlagfertig wie eh und jeh." „Nein, im Ernst meine Chancen hier in Hylaris einen Job zu finden, stehen gleich null. Ich kann entweder meine Organe verkaufen oder meinen Körper." Priamos lachte laut auf. „Dein Humor ist... speziell." Doch Shyla lachte nicht, sie grinste nicht einmal. „Warte, du meinst das ernst?" „Ja!" Shyla stemmte die Hände in die Hüften. Er hatte wirklich keine Ahnung von dem Leben hier. Priamos wurde blass im Gesicht und räusperte sich. „Ich .. es tut mir leid, ich hatte keine Ahnung. Verdammt, ich will, dass es dir gut geht. Ich werde dich gut bezahlen und du bekommst Krankheitstage, Urlaub alles, was du willst. Nur ich möchte, dass du bei mir wohnst." Bei ihm wohnen? Unsicher blickte Shyla sich um. Nun, der Komfort war sicherlich selbst in den Dienstzimmern besser als hier, aber dennoch. Ihr Vater, ihr Bruder. „Du kannst heim, wann du willst und auch deine Freunde treffen." Versuchte ihr neuer Arbeitsgeber sie zu beruhigen. „Okay." Flüsterte sie und Priamos Augen wurden groß und sprühten. Er schien sich über ihr Zusagen offenbar zu freuen. „Ich kann morgen anfangen, ich möchte es nur meiner Familie erklären." „Natürlich. Nimm dir Zeit solange du willst. Ich kann warten." Seine Worte hatten einen sehnsüchtigen Beigeschmack. „Dann bis morgen."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 18, 2021 ⏰

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