11.Kapitel

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Als Loki wieder zu sich kommt, ist es still. Er liegt auf dem Bett, Peter muss ihn dorthin gelegt haben. Peter... Er hat ihn ausgetrickst. Der Gott muss zugeben, das hatte er niemals kommen sehen. Er hatte einfach nicht einmal in Betracht gezogen, dass der Mensch auf die Idee kommen könnte. Dass er es sich wagen würde.
Unwillkürlich fragt er sich, ob die Spinne überhaupt noch lebt, damit er sich dafür rächen kann. Er glaubt, nicht länger als zehn Minuten bewusstlos gewesen zu sein, doch diese Stille ist beunruhigend. Durch seine Ohnmacht sind alle Zauber aufgelöst bis auf den der Halskette, da diese selber mit Magie versorgt ist. Sie ist es auch, die ihm Gewissheit gibt, dass der Junge noch lebt. Doch sein Puls ist beunruhigend hoch.

Er braucht länger als sonst für die Teleportation. Als er schließlich im Cockpit steht, sieht er Hela, äußerlich kaum verändert bis auf etwas mehr Farbe im Gesicht und ein paar verirrten Strähnen, wie sie hinter Peter steht, der seinerseits noch wesentlich schlechter aussieht als vor Lokis unfreiwilligem Aussetzer. Es war klar, dass er Hela nicht gewachsen sein würde.
Die Göttin drückt mit der rechten Hand ein Messer an Peters Hals, die linke hält seine beiden Handgelenke hinter ihm zusammen. Immerhin kein Blut. Und der Mensch hat sogar endlich die Hose an. Sie ist etwas zu lang aber sonst scheint Loki gut geschätzt zu haben.
„Da bist du ja... Ich glaube, dein kleiner Freund hier hat unsere Regeln noch nicht ganz verstanden."
Peter sieht ihn nicht an, doch Loki sieht auch so den Schmerz in seinem Gesicht. Schaut wieder zurück zu Hela.
„Wir brauchen ihn noch. Lass ihn los."
„Wir brauchen ihn lebendig, nicht unversehrt. Er hat mich geschlagen, ich fordere eine gerechte Strafe."
Sie grinst. Loki weiß, dass sie Freude daran empfindet, sie beide leiden zu lassen.
„Und was schwebt dir da vor?"
„Hmmm, ich denke, drei Stiche reichen mir. Keine tödlichen, selbstverständlich."
Loki tut als würde er darüber nachdenken, während er weiter auf das Cockpit zu geht. Der Blick von Hela folgt ihm. Er hört Peters Herz schnell und kräftig schlagen.
„Gut."
Kurz streift sein Blick den des Menschen und der scheint mittlerweile völlig apathisch. Loki ist jetzt nahe genug an den Steuerelementen. Er wendet den Blick nicht von Hela ab, während er vorsichtig hinter sich nach den Knöpfen tastet.
Die Göttin bewegt die Hand mit dem Messer von Peters Hals weg, schwebt damit über seiner Brust. Sieht zu ihm herüber. Sie würde ihn nicht töten. Oder?
Das Messer saust in einer schnellen Bewegung auf den Körper zu, gerade als Lokis rechte Hand den richtigen Knopf gefunden hat und ihn betätigt. Eine mechanische Stimme informiert sie, dass die Kursroute abgebrochen wurde, doch das geht unter in dem Schmerzensschrei des Jungen. Lokis Eingeweide ziehen sich zusammen. Er muss es versuchen. Auch wenn es eigentlich sinnlos ist.

Als er wieder zu sich kommt, spürt er zuerst harten, steinigen Boden unter sich. Sein ganzer Körper fühlt sich an wie leer, als hätte er jegliche Kraft verloren. Was ihn nicht wirklich überrascht. Jede versuchte Bewegung stößt auf massiven Widerstand. Mit viel Mühe gelingt es ihm wenigstens, die Augen zu öffnen.
Er hat es geschafft. Peter liegt ein Stück von ihm entfernt auf der Seite, ihm zugewandt. Die Augen sind ebenfalls auf, doch leer. Natürlich, Menschen benötigen Luft zum atmen. Verdammt.
Es war eine Kurzschlussreaktion gewesen, die ihn dazu veranlasst hat, die Kursroute abzubrechen und sich mit Peter auf ihren Zielplaneten zu teleportieren, der eigentlich noch zwei Tagesreisen entfernt gewesen wäre. Natürlich hat das seine eh schon angeschlagenen Magiereserven völlig überfordert. Er kann von Glück reden, dass er und Peter überhaupt in ganzen Stücken hier gelandet sind...
Aber im Grunde ist es auch egal. Der Mensch wird trotzdem sterben und er auf diesem Planeten verharren müssen, bis Hela oder jemand anderes kommt. Selbst der Seelenstein wäre ihm ohne Raumschiff hier keine große Hilfe.
Obwohl sein ganzer Körper schon schmerzt, konzentriert er sich. Peters Herz schlägt kaum noch, vereinzelt und schwach. Er kennt keinen Zauber für künstliche Luft, auf Asgard hatte es nie Relevanz. Er wird improvisieren müssen.
Und ihm fällt nur eine Sache ein, die Peter retten könnte.

Es funktioniert. Von seiner liegenden Position, dem Menschen gegenüber, sieht er, wie das Leben in Peters Augen zurückkehrt. Er hört den Puls wieder stärker werden. Und fühlt sich noch katastrophaler.
Er hat den Körper des Jungen an seinen gebunden. Jetzt gleichen sie sich praktisch aus, der Gott nimmt all seine Schwächen, seine Schmerzen, der Mensch erhält alle Stärken von ihm, die Lebenskraft. Loki hat das noch nie gemacht doch er vermutet, dass Peter jetzt sogar Zugang zu seiner Magie hat. Oder hätte, wenn Loki nicht gerade alles völlig über das Maß verbraucht hätte. Es wird definitiv dauern, bis sie wieder voll regeneriert ist.
Als der Gott merkt, dass der Zauber gelungen ist, schließt er die Augen wieder. Die Stichwunde am Bauch des Menschen schmerzt und sein ganzer Körper fühlt sich an als hätte Hulk ihn wieder zu Boden geschmettert. Außerdem scheint es, als habe der Jungen ein paar Rippen gebrochen. Er driftet wieder weg.

„Loki? Loki, wach auf, bitte."
Er spürt eine warme Hand an seinem Gesicht, Strähnen, die weggestrichen werden. Dann ist die Wärme wieder weg und dafür schiebt sich etwas unter seinen Rücken und die Beine. Er wird angehoben. Was macht Peter da?!
Er würde gerne etwas tun, doch er hat keine Kraft. Der Schmerz ist zwar ein wenig abgeflacht, wahrscheinlich wegen seinen eigenen und Peters Heilkräften, doch sein Körper ist noch immer völlig erschöpft. Es ist demütigend aber er kann gerade nichts tun. Selbst wenn er wollte.
Eine Weile spürt er nur die Bewegung des Menschen bei jedem Schritt, die Hände, die ihn an der Seite festhalten. Peter atmet nicht, weil er es nicht kann und jetzt auch nicht mehr muss. Loki fragt sich, ob das dem Anderen überhaupt schon aufgefallen ist.
Nach einer gefühlten Ewigkeit lässt Peter ihn schließlich wieder vorsichtig herunter, setzt sich dem Geräusch nach zu urteilen direkt neben ihn.
„Hier sollten wir fürs Erste sicher sein... Loki, kannst du mich hören?"
Hätte der Gott etwas mehr Energie, könnte er die neue Verbindung nutzen um mit Peter telepathisch zu kommunizieren. So aber schafft er es nur gerade, endlich die Augen zu öffnen.
Sie befinden sich hinter einem Felsen. Loki weiß beim besten Willen nicht, warum der Mensch glaubt, dass sie hier sicherer wären als überall anders auf diesem Planeten, doch es ihm auch egal.

Peter sieht zu ihm herunter, die braunen Augen voller Erleichterung. Und Wärme.
Sein Shirt ist noch immer am Bauch voller Blut, doch soweit der Gott es beurteilen kann, ist es schon vertrocknet, also älter. Ansonsten sieht der Junge besser aus. Beinahe so wie vor der Entführung.
„Gott sei Dank... Als ich dich zuerst sah... Ich dachte, du wärst tot..."
Peter beißt sich auf die Unterlippe. Sieht einen Moment zur Seite.
„Ich würde dich jetzt so gerne küssen...", sagt er mehr zu sich selbst als zu Loki, dann sucht er wieder seinen Blick. „Also, was ist der Plan? Wo sind wir hier? Was soll ich tun?"
Der Gott räuspert sich, versucht, seine Stimme wieder unter Kontrolle zu bekommen.
„N-nichts."

„Nichts? Worauf warten wir dann?"
Die Wahrheit ist, Loki hatte keine Zeit, sich einen wirklichen Plan zu überlegen, der über ihre Ankunft hier hinausging. Hätte der Mensch nicht so dumm und unüberlegt gehandelt, wäre es gar nicht so weit gekommen.
Da er nicht antwortet, fährt Peter schließlich fort. „Das hier ist der Planet mit dem Seelenstein, nicht wahr? Aber ohne das Raumschiff kommen wir nicht mehr hier weg... Bist du deswegen so erschöpft? Wegen der weiten Teleportation?"
Größtenteils. Der andere Grund ist die zusätzliche Bürde von Peters Schmerzen. Seinem fehlenden Atem.
„Ja..."
Peter nickt. „Okay. Dann schlaf. Erhol' dich. Ich passe solange hier auf, versprochen. Ich weiche nicht von deiner Seite."
Das Unglaubliche ist, Loki vertraut ihm. Selbst wenn er nicht glaubt, dass Peter ihn wirklich beschützen könnte, glaubt er aber, dass er es wenigstens versuchen würde. Dass er im Notfall sein Leben dafür opfern würde.
Der Mensch sieht ihn immer noch an, die Brauen besorgt zusammen gezogen, winzige Fältchen auf seiner Stirn. Er greift nach Lokis linker Hand, zieht sie zu sich heran, auf seinen Schoß. Umklammert sie.
Der Gott schließt die Augen wieder.

Spider-Man and the God of MischiefWo Geschichten leben. Entdecke jetzt