4. - Schwäche

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03. Mai 2012
Haus der Familie Oikawa
>POV: Oikawa Tooru<

Es ist schon eine gefühlte Ewigkeit her, jedoch lastet die Niederlage noch immer auf mir. Mein Team gab alles, aber es hat dann doch nicht gereicht. Ich kam zu spät zu dem Spiel, in dem er mitmacht. Es war mein Fehler, dass wir nicht gewonnen haben. Als der Kapitän hätte ich jedem Halt geben sollen, aber ich war nicht anwesend. Wie soll ich der Beste werden, wenn er noch so präsent in meinem Leben ist? Tobio ist einfach zu stark. Klar, habe ich gesagt, ich sei besser in anderen Dingen als er, jedoch hat er das Talent dazu, mich zu besiegen. Seit ich Volleyball spiele, wurde mir gesagt, dass ich das Zeug dazu habe. Dass ich talentiert bin und groß rauskomme. Man zeigte mir, was ich schaffen kann. Doch den Ausblick, den sie mir versprachen, kann ich nicht sehen. Es ist mein letztes Jahr und meine letzte Chance für die Nationalen. Aber sie sind da. Sie versperren mir den Weg! Ich wollte ihn besiegen und dann Ushijima. Ich will doch nur, die Menschen, die mir im Weg stehen, besiegen und endlich glücklich sein. Mein Ziel, meine Zukunft, ist festgeschrieben. Es gibt kein Zurück, aber alles wirft mich aus der Bahn. Ich gebe schon alles. Aber ich bin noch immer nicht gut genug! Ich bin noch immer ein Nichtsnutz. Volleyball ist alles seit diesem Sommertag für mich. Ich spiele Volleyball, weil es mich mit ihm verbindet. Ich hielt meine hohlen Hände unter den Wasserhahn, aus dem das kalte, durchsichtige Gold floss und sich in meinen Handflächen sammelte. Ich bückte mich leicht vor und kühlte mein Gesicht mit dem erfrischenden Nass. Meine Augen brannten von den Tränen, die ich schon vergossen hab. Jedoch hatte dieser Vorgang, den ich noch drei weitere Male wiederholte, den Effekt, meine Müdigkeit zu vertreiben. Aber meine Wut gegen mich selbst bleibt bestehen. Ich beendete den Wasserfluss und griff nach einem Handtuch, um mein Gesicht zu trocknen. Ich führte langsam wieder diesen weichen Stoff weg, nachdem jegliche Wasserperlen abgerieben waren, und betrachtet mich in meinem Badspiegel.

„So sieht wohl ein Verlierer aus, der nur große Töne spucken kann." Unter meinen trüben Augen bildeten sich starke Augenringe, welche vom nächtlichen Lernen kommen. Meine Haut sieht ungepflegt und meine Haare fettig aus. Ich hasse diesen Anblick, weil es meine Schwäche zeigt. Ich will weiter machen, für ihn. Ich muss weiter trainieren. Wie kann ich mit zwei Gesichtern leben? Wieso scheitere ich? Wieso bin ich nicht gut genug? „Wieso kriegst du nichts hin?!", brüllte ich mein Spiegelbild an und wieder verschwamm mein Sichtfeld durch die Tränen. Nach paar Mal blinzeln, sah ich schon wie die Träne meine Wange runter floss, bis zu meinem Kinn, ehe es abtropfte. Erbärmlich. Unfähig. Schwach. „Du kannst nichts!" Meine Hände wanderten zu meinem Kopf. Ich verkrampfte meine Finger in meinem Haaren. Ein weiterer Schrei hallte im Bad. „Wieso kann ich nicht gewinnen?" Mein Hals kratzte. Meine Augen brannten noch immer und mein Gesicht war verheult. Die Kraft verließ meinen Körper, wodurch ich langsam zu Boden sank. Ich bin kein König. Ich bin ein elendiger Bauer. Ich werde kein Stück besser. Egal, wie viel ich darein investiere, ich bleibe auf der Stelle. Nichts ändert sich. Ich bin noch immer so unbegabt. Ich mache alles falsch. Selbst meine Freundin ignoriert mich. Aber ich brauch sie. Ich brauche das Gefühl ein Wert zu haben, geliebt zu werden und ich brauche diesen Blick, der mir zeigt, ich habe es geschafft. Sie-... Nein, ich bin schuld. „Ich liebe dich doch", flüsterte ich. Ein Klingeln ertönte. „Du bist mir wichtig." Es vibrierte. „Kazumi!" Ich will doch ein guter Freund sein! Ich gebe doch schon alles. Ich gebe mein bestes. Ich gebe mein bestes für dich. Du bist wunderschön. Neben dir erstrahlt die Welt, du sollst meine Welt zum Strahlen bringen. Ich darf nicht verlieren. Ich darf dich nicht verlieren! Du bist das erste Mädchen, für die ich sowas empfinde. Ich habe es endlich geschafft, jemanden sowas zu zeigen. Du bist meine Maske, du versteckst eine Emotion, die ich nicht ausleben kann, die ich aber brauch. Ich brauch dich, Kazumi. Wieder vibrierten mein Handy und ich kniff meine Augen zusammen. Meine Umgebung ist so verschwommen. Mir ist so warm.

„Iwa?" Sein Name kam mir schwer über die Lippen, doch ich hatte Recht. Auf meinem Handy, welches neben mir achtlos auf dem Boden lag, las ich seinem Namen. Er schrieb mir tausende Beleidigungen und wieso ich nicht ran gehe. „Es tut mir leid, Iwa-chan, ich bin ein Versager. Ich will dich doch nur stolz machen", schluchzte ich und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Du hast so recht. Mein Leben ist doch eigentlich so einfach. Ich scheine doch so 'perfekt', aber ich kann das nicht mehr lange. Jeder Fehler zerstört mich immer mehr. Ich bin scheiße. Ja, ich bin ein Arschloch, unfähig und unwichtig. Alles, was du je an meinen Kopf geworfen hast, ist doch war. Ich bin ein falscher und schlechter Mensch. Aber versteh mich bitte. Ich tu das für dich, damit du stolz auf mich bist. Ich will gut genug sein. Ich will, dass du mir wieder diesen Blick gibst. Ich will, dass du mich mit diesem Funken im Auge anschaust, so als hätte ich etwas geschafft. „Ich-... Ich will nicht mehr!" Mein Handy und somit die Geräusche verstummten. Er hat von mir abgelassen, wie jeder einmal. Der Druck in meinem Kopf wurde schlimmer. Ich verliere noch mein Verstand! Die Stille der Einsamkeit überkam mich. Ich verliere am Ende alles! Aber ich will doch nur dich!

Mein Herz zog sich krampfhaft zusammen. Ich zog meine Beine näher an meinen Körper. Alles, was ich aufgebaut hab, wurde durch unfähige Krähen zu Boden gestampft. Ich habe gegen meinen Zögling verloren. Ich bin schlechter als meine Kopie. Du bist nichts. Du bist schuld. Wegen dir haben wir verloren. Du bist ein schlechter König! Das Denken doch alle! So sehen mich doch die meisten.

Ein Knarzen.

Ich bin nicht mehr allein hier. Ich bin kein schlechter König.

Schritte.

Sag mir bitte, ich bin toll.

Ein Klopfen.

„Ha-... Hajime!", krächzte ich den Namen, des Menschen, der mir so viel bedeutet.

Die Badezimmertür wurde aufgerissen und ich blickte auf. Ich sah direkt in die grünen Augen von meinem besten Freund. „Es tut mir leid", flüsterte ich niedergeschlagen. Mein Blick senkte sich weder, wie auch die Chance auf Erfolg. Ich bin wertlos. „Tooru, was ist los, verdammte Scheiße?!" Er ist wütend. Er ist wütend auf mich. Natürlich, denn ich kriege es nicht hin Kapitän zu sein. Ich albere nur herum. Ich bin ein grauenhafter Volleyballer. Er hat so Recht. Er tut mir so leid, dass ich sein bester Freund bin. Iwa-chan hat was Besseres als mich verdient. „Tooru?" Ich spürte seine Körperwärme. Er hockte genau vor mir. Seine Hand lag auf meiner Wange und ich versuchte seinem Blick standzuhalten. Wieso beruhigt mich deine Wärme so sehr? „Sag mir bitte, ich bin ein guter Mensch", bat ich ihn mit leiser Stimme. Seine Pupillen weiteten sich. Ich sah, wie er ein Kloß in seinem Hals runterschluckte. Hajimes Hand wandertet an meinen Hinterkopf, ehe er mich an sich zog, wie damals in der Umkleide, als ich mich verletzt hab. Du bist immer bei mir. Ich will nicht, dass du mich verlässt.

„Du bist ein Idiot, Loserkawa." Seine Wortwahl war Harsch, wie auch sonst immer. Jedoch war seine Stimme wie ein leitender Faden, der mich beschützt. „Ich weiß", schluchzte ich einmal auf. Ich will doch nicht so schwach sein. Ich bin doch der größere von uns beiden. Ich will genauso stark sein! „Du bist mein bester Freund und der beste Spieler den ich kenne." „Seit... Seit wa-wann so liebevoll, Iwa-chan?", versuchte ich ihn mit einem Lächeln zu necken, doch erhielt nur ein Schnauben zur Antwort. Ich kann nur bei dir ich sein. Sein Herzschlag war rasend. Ich spürte, wie es pochte, doch es gab mir eine Sicherheit. Ich lebe. Ich kann noch weitermachen, wenn ich etwas fühle. Ich bin noch ein Mensch, denn ich fühle. „Ich bin Müll! Ich habe noch nichts geleistet!" Ich sprach es aus. Ich sprach das aus, was alle doch denken. Tooru Oikawa hat nichts geschafft.

Iwa drückte mich von sich weg, ich hörte sein Herzklopfen nicht mehr, jedoch ein Schmerz. Er knallte sein Dickschädel gegen meines. „Du bist kein Müll! Du bist nicht immer so eiskalt! Du bist der beste Zuspieler und ein Volltrottel! Du bist Oikawa Tooru, der behindertest Idiot mit Minderwertigkeitskomplexen. Du bist der beste, weil du alles gibst. Dein Gesicht schreit einfach danach, dass ich dir mal eine verpassen muss", brüllte er mich an. Meine Augen fühlten sich wieder mit Tränen. „Iwalein, du bist so gemein. Ein Lächeln würde dir besser passen." Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte, weshalb meine Fassade wieder anfing sich aufzubauen. Iwalein... Alles für dich. „Wie soll ich lächeln, wenn du verheult auf dem Boden sitzt?!" Er stand mit einem Ruck auf und blickte zu mir herab. Ja, ich bin erbärmlich. Geh, Iwa, solange du noch kannst. Mit jemanden wie mir solltest du dich wohl lieber nicht abgeben. Er streckte seine Hand nach meinem Arm aus und zog mich auf die Beine. Er sagte nichts mehr. Er zog mich aus dem Bad, in mein Zimmer, wo er sich auf mein Bett setzte und mich neben sich zog. Keine Sekunde später nahm er mich wieder in den Arm. Du kannst doch genauso wenig mit Gefühlen umgehen. Du zeigst mir eine so liebevolle Art, das wird mir nie jemand glauben. „Soll ich Kazumi anrufen?", fragte er mich besorgt, doch ich schüttelte mein Kopf.

„Kannst du mir bitte sagen, dass ich es schaffe?", murmelte ich gegen seine Schulter.
„Du schaffst alles, Tooru. Ich glaube an dich." 

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AdiósWo Geschichten leben. Entdecke jetzt