14. - Zuhause

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10.02.2013
Haus der Familie Oikawa
>POV: Tooru Oikawa<

Liebes Tagebuch,
hiermit ändere ich den Inhalt dieses Buches, denn in mir wütend ein Sturm, der nicht viel mit Volleyball zu tun hat. Nein, viel mehr, was meine Entscheidung mit mir anstellt, oder mit anderen. Ich bin achtzehn Jahre alt und hab bald mein Abschluss, mit dem ich dann ins Ausland gehe. Ich lasse alles zurück und beginne ein neues Leben ohne Hindernisse namens „Wakatoshi" und „Kageyama", aber es kommt ein anderes Problem auf. Meine Gefühlslage ist das Problem. Mir ist nun vollkommen bewusst, was es heißt, zu gehen. Ich lasse nicht nur meine Familie und Freunde zurück, sondern auch ihn. Ja, er ist mein bester Freund, aber ich fühle etwas anderes. Ich hatte oft dieses Kribbeln im Magen, wenn wir zusammen Volleyball spielten und ich dachte, dieses Gefühl sei dem Sport gewidmet, so ist es jedoch nicht. Dieses schöne Chaos gilt echt ihm. Wahrscheinlich war ich nur Blind, nicht wegen der „rosa-roten Brille", sondern wegen meinem Ziel der Perfektion. Ich kam mit Kazumi zusammen, weil sie ein wunderschönes Mädchen ist und genau zu dem passt, was ich sein wollte, perfekt. Der perfekte Typ ist derjenige, der makellos aussieht, sportlich, gutverdienend und mit einem Mädchen an der Seite ist. Dumme und einfältige Vorstellung, trotzdem war es genau das, was mir beigebracht wurde. Ich fing vielleicht mit meinem 'idiotischen, kindischen Verhalten' an, damit ich die Schmetterlinge überspielte oder meine Röte einen dämlichen Grund gab. Es war eine Mauer, die mich vor mir selbst schütze.
Vielleicht ist die Entscheidung nach Argentinien zu gehen wirklich eine Flucht vor den Emotionen. In den letzten Monaten kamen wir uns näher, um die letzte Zeit, die uns bleibt, zu genießen, dabei konnte ich nichts mehr verstecken, darum setzte ich mich mit diesem Eintrag auseinander. Diese grünen Augen haben mich wirklich in ein Abendteuer gestürzt, aus dem ich nicht raus möchte. Ich würde sogar den Volleyball für seine Berührungen eintauschen. Das, was ich bei Kazumi hätte fühlen sollen, spüre ich bei ihm. Schon immer...

Fand ich es toll, dass er mich, immer wenn wir den Wald erkundeten, beschützt hat? Oh ja...
Finde ich es süß, wenn meine Fangirls zu mir kommen und Iwa dann eifersüchtig schaut? Klar...
Macht Volleyball nur wegen ihm Spaß? Natürlich!

Diese Tatsache lässt mich wieder realisieren, dass ich nur ein pubertierender Jugendlicher bin und kein erwachsener Profivolleyballer. Ich bin nur ein achtzehnjähriger Oberschüler, der über seinen Schwarm einen Tagebucheintrag macht. Darüber habe ich mich immer lächerlich gemacht, obwohl es guttut. Es tut gut mir so einzugestehen, dass ich meinen besten Freund immer geliebt hab, aber durch meine Vernarrtheit in Volleyball das übersah. Ich übersah ihn, auch wenn er mich immer im Blick hatte. Ich verdanke ihm meinen Willen für den Sport und das Ziel, der beste zu sein. Dank ihm kann ich eine Karriere beginnen und irgendwann spielen wir in einem Team, wie unser Versprechen es sagte. Mein Ziel war es, Iwa stolz zu sehen, wenn ich ihm die beste Vorlage liefere, doch dafür muss ich ihn verlassen. So ist nun mal meine Entscheidung und es bringt nichts. Ich bin ein achtzehnjähriger angehender Volleyballer, der auf seinen besten Freund steht. Ein Junge liebt einen anderen Jungen, das sollte doch okay sein, oder? Ich hoffe, er findet es okay. In Japan ist die Ehe für alle nicht legal, zwar wird die Liebe akzeptiert, dennoch redet niemand darüber. Man erwartet, dass man eine schöne Frau mit ins Elternhaus bringt und mit ihr irgendwann ein Kind bekommt, das will ich aber nicht. Das wollte ich nicht mal mit Kazumi an der Seite, weil schon damals liebte ich Iwa, der immer an meiner Seite war. Als sie Schluss machte, erleichterte mich der Fakt, nun nähere an ihn sein zu können. Sie war nicht mehr im Weg und ich konnte sie nicht weiter verletzten. Ich wollte sie nicht damit verletzten, dass ich sie nie liebte, sondern Hajime.

Würde ich jetzt zu ihm gehen und das sagen, könnte unsere Freundschaft zerbrechen, jedoch weiß ich nicht, ob ich die Gefühle bei dieser Distanz ertrage. Doch würde ich es ihm gestehen und nach Argentinien gehen, würde ich ihn vielleicht zerstöre. Damit denke ich nicht, dass er es erwidert, sondern, dass mein Liebesgeständnis unseren Abschied beschmutzt. Ich hoffe, dass Iwa wirklich auf mich wartet. Vielleicht lerne ich in Argentinien, dass meine Gefühle okay sind und ich es ausleben darf. Und wenn ich wiederkomme sag ich es ihm und dann sind wir glücklich. Existiert eigentlich eine Garantie für die erwiderte Liebe, oder ist es ein Wunschtraum? Ich weiß zwar, dass er mich mag, aber ob es mehr ist, weiß ich nicht. Ich hoffe aber so sehr. Ich will nur, dass seine grünen Augen mein Fixieren, mich in ihr Bann ziehen. Ich genieße die übrig gebliebene Zeit und wenn ich wiederkomme, liebe ich ihn so, wie ich es immer wollte.

Nachdem ich endlich ein Profi bin.
Nachdem ich endlich meine Ziele erfüllt habe, kann ich ihn „mein" möglicherweise nennen.
Ich werde mir alldem bewusst.

Ich liebe Hajime Iwaizumi

Bis zum nächsten Mal, liebes Tagebuch.
Tooru Oikawa

Seufzend schlug ich das Buch vor mir zu. Es ist nun niedergeschrieben. Ich habe dieses eine Gefühl bemerkt und ich weiß nicht, wie ich es annehmen soll. Es ist so wie das erste Mal, als ich den mörderischen Angriff von Wakatoshi in der Mittelschule annehmen wollte. Es kam in rasanter Geschwindigkeit zu mir geflogen, mein Kopf reagierte nicht. Meine Muskeln waren erstarrt und die Welt war wie eingefroren. Der Ball zwang mich auf die Knie und ließ mich am Ende schwach zusammenbrechen. Damals reagierte ich wütend mit einer Finte darauf, aber in diesem Moment, als ich den Ball selbst auf die andere Seite brachte, wartete Iwa parallel zu mir in der Luft auf meine Vorlage. Damals habe ich ihn nicht beachtet, weil ich nur meine Wut im Kopf hatte.
Nun ist es so, dass ich mich mit den Gefühlen auseinandersetze und weiß, dass ich Iwa linksliegen lasse. Die Zeit verändert mich irgendwie nicht, alle werden erwachsener und ich bleibe einfach wertlos. Ich habe mich dieses Jahr im Volleyball nicht verbessert, darum muss ich weg hier! Auch wenn ich wieder eine dumme Finte mache und mein Ass ignoriere. Ich komme ja wieder und dann sind wir zusammen. Er wartet auf mich, wie auf die nächste Vorlage. Alles wird gut.

Mein Körper spannte sich an. Übelkeit kam hoch. Panisch sah ich mich im Raum um und erkannte so viele Spuren von ihm. Bilder von uns hingen an der Wand, dort lag seine Krawatte, die er hier vergäßen hatte, und dort standen zwei Deodorantflaschen von ihm. Viele kleine Details von ihm existierten neben mir. Dieser Raum, es engt mich ein. Rasch erhob ich mich und schnappte mir eine Jacke, welche auf dem Boden lag. Ich muss hier raus! Mein Kopf schmerzte und ich stolperte die Treppen runter bis zur Eingangstür, wo ich mir irgendwelche unpassenden Schuhe anzog. „Tooru, wo gehst du hin?", rief meine Mutter aus dem Wohnzimmer. „Spa-spazieren!", war meine brüchige Antwort. Ich brauche einen klaren Kopf!
Ein Schritt nach dem anderen. Immer weiter, ich will nicht stehen bleiben

Alles könnte sich wiederholen. Wenn ich in Japan bleibe, versage ich wie in meiner Oberschulzeit. Wenn ich hierbleibe und vielleicht mit ihm zusammenkomme, versinke ich in Frust wegen dem Volleyball, alles endet wie bei Kazumi.
Ich hatte den Wunsch ihn stolz zu machen und wenn ich als ein besserer Mensch zurückkomme, könnte er sich in mich verlieben. Jetzt bin ich ein niemand. Ich muss besser für ihn werden. Ich muss in Argentinien die beste Vorlage kreieren und sie ihm präsentieren, ihn meine Liebe so darstellen.
Volleyball verbindet uns, es ist unser Band. Solange wir diesen Spot haben, werden wir nie Fremde sein. Solange die Sterne am Himmel leuchten und die Aliens uns beobachten, werden wir zusammen sein. Es gibt keine Garantie für die Liebe, aber ein unendliches Band, daran glaube ich! Ich glaube an dieses Band, wie an die Existenz der Außerirdischen.

Am Ende bin ich nur ein Kind!

Ich blieb abrupt stehen. Mein Kopf drehte sich nach rechts, wo ein Spielplatz war. Der Spielplatz unserer Kindheit. Alles verbindet uns. In meine Nase stieg der Geruch von einem sehr bekannten Deodorant, den ich nie benutzte, aber so gut kannte. Es war sein Geruch. Erschrocken schaute ich auf die Jacke. Scheiße, das ist ja seine! Ich schluckte den Kloß in meinem Hals runter. Egal, wohin ich gehe, er ist bei mir. Ich bin nie allein, weil ich ihn bei mir hab. Ich verlasse Iwa nicht, weil er in meinem Herzen ist. Seine Jacke und dieser Ort bestätigen irgendwie unsere Verbindung. Mein Blick wanderte hoch zum Himmel, wo die ersten Sterne sich abbildeten.

Unter den strengen Augen der Aliens im Schatten der Sterne verspreche ich dir, Hajime Iwaizumi, dich aus meinem Herzen nicht zu verlieren. Du bist mein Antrieb und mein Wille, die Kraft für den Sport. Ich habe dich nicht verdient, aber ich hoffe, du wirst mich in einigen Jahren am Flughafen abholen und mich umarmen.

Mein Zuhause ist nicht Japan, sondern du.
Und ich gehe auf eine kleine Reise, danach kehre ich zurück daheim. 

(Wörteranzahl: 1506)

AdiósWo Geschichten leben. Entdecke jetzt