18. - Tatsache

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30.05.2013
Sendai - Stadtpark
>POV: Hajime Iwaizumi<

Ein Brief. Er konnte mir bisher nur einen einzigen Brief schicken und eine Antwort auf mein Schreiben kam natürlich nicht. Wieso hat er nur diesen Sport im Kopf? Es tut schon weh, ihn so weit weg von mir zu wissen, aber dass er es nicht einmal schafft, mir richtig zu schreiben, ist die Höhe! Auf Nachrichten will er natürlich nur per Brief antworten, aber bis er es schafft einen zu schreiben, haben die Aliens schon unsere Erde übernommen. Wütend schloss ich meine Strickjacke.
Ich bin doch eigentlich spazieren gegangen, um ihn kurzzeitig zu vergessen und dennoch ist er der einzige Gedanke, welcher in meinem Kopf ist. Tz, wie mich das aufregt.
Heute scheint die Sonne nach Wochen wieder klar und ohne Wolken. Die Temperaturen steigen und bald soll mein Universitätsleben beginnen. Wie er seinen Weg geht, so sollte ich dies auch tun. Manchmal wünschte ich mir einfach, dass er-...

„Iwaizumi-san, lange nicht mehr gesehen", hörte ich eine weibliche Stimme hinter mir erklingen. Mein Herz machte ein Satz. Jegliche Gedanken brachen zusammen. Ich drehte mich um und blickte in diese leuchtenden grünen Augen. Rotes Haar tanzte durch den Wind, wodurch es wie ein Feuer aussah. „Ito-san, dich habe ich das letzte Mal beim Abschluss gesehen", stellte ich fest. Die großgewachsene junge Frau lächelte, aber das Lächeln wich. Sie sah verdutzt wieder hinter mich wie sie es auch beim letzten Mal tat. „Wo ist denn dein Ballast?" Ohne Zweifel, sie meinte Oikawa. „Tz, der Typ ist in Argentinien", presste ich hervor. „Huch, diese Nachricht habe ich glatt vergessen. Lass mich mal raten", fing sie an, „Funkstille zwischen euch?"
Sie war nahezu eine Fremde für mich. Selten gerieten wir in unseren Kursen in Gespräche oder Gruppenarbeiten. Eine wirkliche Ahnung über sie habe ich nicht. Ich kenne nur das, was jeder von ihr erzählt. Offen, intelligent und schlagfertig, ein Mathegenie und selbstbewusste Persönlichkeit noch dazu. Und obgleich ich nichts über sie persönlich kenne, trafen wir zweimal aufeinander. Und bei beiden Malen, war er nicht da und sie erlöste mich aus meiner Gedankenqual. Sie ist eine Unbekannte für mich und doch kennt sie mich und erschließt mein Problem. Vielleicht liegt es an ihrer Kommunikationsgabe oder ihrer Neugier. Egal was es ist, ich bin froh darüber. Möglicherweise ist diese eigenartige Option eines Gespräches angenehm und wünschenswert.
„Habe ich ins Schwarze getroffen, oder wieso schweigst du?" Ich konnte mir kein Schmunzeln verkneifen. Der Wind legte sich. Ihr Haar fiel auf ihre Schultern. „Ja, du hast Recht. Von ihm kam bis jetzt nur ein Brief. Und auf Nachrichten will er nicht antworten, weil er das zu unpersönlich findet. Darum eben die Briefvariante, die kaum zur Anwendung anscheinend kommt", in meiner Stimme schwank ein Hauch von Frustration. „Ich weiß nicht, was in euren beiden Leben läuft, doch ich kann schlussfolgern, dass ein einziger Brief zu wenig für so eine Verbindung ist. Ich bin dir eine Fremde wie du für mich ein Fremder bist. Allerdings sind wir Fremde mit der Erinnerung unserer beider Schulzeit, also wenn du Lust hast, können wir einen Kaffee trinken gehen und du tobst deine Gedanken aus", bat sie mir an. Der Teufel, wie sie von vielen in der Schule gefürchtet wurde, hatte ein Herz am rechten Fleck. Mit einer Freundlichkeit, die keinesfalls Hinterlist mit sich führte. Mein Leben geht hier auch weiter, wieso sollte ich also keine neue Freundschaft beginnen? „Das wäre schön", gestand ich. Früher sah ich sie nur schelmisch grinsend auf den Fluren, aber das Lächeln, welches nun ihr Gesicht zierte, war liebevoll und ehrlich.
„Ich kenn ein Café in der Nähe, welches recht ruhig ist." Und so wurde aus einem Spaziergang ein Treffen.

Ihre Hand umschlang die Türklinge, welche sie sofort runterdrückte und die Tür aufschob. Wärme umhüllte uns. Sie trat ein und ich machte es ihr gleich. „Oh, Guten Tag, Kazuko, heute mir Begleitung? Ist das etwa dein Freund?" Eine ältere Dame kam uns sofort entgegen als sie die leuchtenden Haare ihrer Kundin erblickte. Und mein Gesicht nahm bestimmt dieselbe Farbe wegen der Frage an. „Nein, wir sind nicht zusammen. Er ist ein Bekannter aus der Schule", stellte Ito es richtig. Dieses Missverständnis brannte tiefer in mir als es in er Vergangenheit getan hätte. Die Tatsache, dass meine wahre Liebe wo anders herumgeistert, macht es mir irgendwie schwerer. „Ach, was nicht ist, kann noch werden." „Jetzt wirst du aber wieder sehr fantasievoll, Suzuki", seufzte Ito nochmals. „Oma, ärgere doch Kazuko nicht immer, die Arme. Dazu schau, der arme Junge ist ganz verlegen. Ich übernehme die beiden." Ein schwarzhaariges Mädchen, die kaum älter als wir sein konnten, erlöste uns aus dieser Lage. Und die alte Frau ging wieder an den Tresen. „Schön dich wiederzusehen, Kazuko. Dein Tisch ist wie immer frei." Ito grinste und packte mich an meinem Oberarm, um mich quer durch den Raum zu ziehen, ehe wir an einem abgelegeneren Tisch ankamen. Sie plumpste auf den Stuhl.

AdiósWo Geschichten leben. Entdecke jetzt