7. - Sie

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08. Juli 2012
Stadtpark der Miyagi-Präfektur
>POV: Tooru Oikawa<

Meine Knie zitterten. Meine Kehle war unglaublich trocken und alles in meinem Körper sträubte sich gegen diesen Park. Der Park, in dem wir zusammenkamen. Kazumi ist einfach eine Schönheit, ohne jegliche Zweifel. Doch nun, wieder hier zu sein, macht mir Angst. Sie ist mir immer ausgewichen, wenn ich reden wollte. Immer wenn ich etwas klarstellen wollte, hatte sie zu tun oder es waren zu viele Leute um uns. Ich wollte ihr sagen, was vor zwei Tagen los war, jedoch geht es nicht, wenn sie mich nicht aussprechen lässt. Und dann die Nachricht 'Wir müssen reden komm morgen zum Park' hat mich auch komplett nervös gemacht. Sie schrieb nie so monoton. Kazumi ruft ehr mich an, statt Nachrichten zu schreiben und dann noch so plötzlich. Ich habe ein noch schlechteres Gefühl als vor den Turnieren.

„Oikawa", erklang die triste Stimme meiner Freundin. Voller Sehnsucht drehte ich mich zu ihr. Sie fuhr sich durch die dunkelblonde Mähne. Ihr Blick klebte an mir, was sich so anfühlte, wie tausend Messerstiche. Ihr grünes Kleid lag locker an ihrem Körper, wie immer erkannte man kein einziger Makel. Um sie schien die Welt zum Erstrahlen zu bringen. „Es tut mir leid, dass ich dich so spät hierherbitte, jedoch um diese Uhrzeit verirren sich wenige Leute hierher. Ich fand es Angebracht alles zu beenden, wo es begonnen hat." Ihre Worte gaben mir den Gnadenstoß. Bitte... Bitte beende es nicht! Ich fühlte mich wie angewurzelt. Wieso zerbröckelt alles, was mir so viel bedeutet? Ich wollte doch Perfekt sein. Erst verlor ich dieses Match und nun auch meine Beziehung?! „Kaz-..." „Nein, Oikawa! Jetzt rede ich mal. Immer wenn ich was sagen will, unterbrichst du mich. Dann redest du auch nur über Volleyball. Sei ehrlich, hast du zuerst an Volleyball oder an unsere Beziehung gedacht?" Vorwurfsvoll ging mein Blick stur zu Boden, jedoch schnellte mein Fokus wieder auf, als ein stechender Schmerz mich durchfuhr. Kazumi verpasste mir eine Ohrfeige, was immer nur Hajime sich wagte. Es muss echt ernst sein. Fuck! Tränen füllten sich in ihren grünen Augen.

„Immer Volleyball hier, Volleyball da! Auch bei unseren Dates! Ach, stimmt, wir hatten keine, weil du immer nur trainierst und mich vernachlässigst. Ich habe dich geliebt, den Oikawa Tooru und keinen besessenen Spieler! Aber du schenktest dem Sport mehr Beachtung als mir und das reicht. Ich will das nicht mehr. Ich bin auch nur ein Mensch, der unter anderen sein will, der die Liebe des Partners fühlen will, doch du beachtest mich nicht. Es reicht mir einfach. Du musst auch nichts mehr erklären. Ich mache Schluss, Lebewohl!" Der Engel. Der nun nicht mehr mein ist, drehte sich auf ihrem Absatz um und stolzierte mit erhobenem Haupt aus dem Park. Wo es begann, endet es auch.

Ich konnte nicht verhindern. Ich durfte mich nicht aussprechen oder entschuldigen. Sie hat es urplötzlich beendet und dass wegen meinem Hobby. Volleyball ist aber nun mal das was mir am meisten bedeutet. Ich liebe diesen Sport. Ich liebe...doch sie.

Wir lernten uns in meinem ersten Jahr auf der Oberschule kennen, somit war sie noch in der Mittelschule. Es war Dezember und draußen fielen die ersten Schneeflocken, welche ich nicht beachtete, weil ich mit starrem Blick die Gänge langlief. An dem Tag war ich einfach angepisst auf den ehemaligen Kapitän, doch diese Wut verschwand, als ich in den nächsten Flur einbog und sie sah. Ein langer, blauer Rock und ein weißes Hemd mit einer roten Schleife, die Mädchenuniform der Kitagawa-Daiichi. Mit einem nervösen Blick schaute sie die Ergebnisse der Aufnahmeprüfungen auf dem Schwarzen Brett an. In mir rief alles danach, dass ich sie ansprechen muss, was ich auch tat. Ich wollte mich bei ihr vorstellen, doch sie erkannte mich sofort und ich konnte sie dann auch identifizieren. Sie war die Sängerin der Schulband, das ist der Grund, weshalb ich sofort ein Gespräch begann. Sie lachte und zusammen freuten wir uns über ihre Aufnahme.

Unser erstes Date war hier im Sommer letztes Jahr. Es war wunderschön, wie sie, und ich musste diese drei Worte aussprechen. Ich habe sie mit Komplimenten überhäuft, dann küsste sie mich. Der dreiundzwanzigste Juli 2011, das war unser Datum, den wir nicht mehr zusammen erleben werden. Du hast mich zuerst geküsst und du warst auch diejenige, die mich verlassen hat. Nicht mal ein Jahr hatten wir zusammen, dennoch werde ich mich immer daran erinnern. Vielleicht wusste ich, dass wir dazu bestimmt sind, Schluss zu machen, denn es war nie die wahre Liebe. „Kazumi!", brüllte ich noch einmal ihren Namen. Vielleicht in einem anderen Leben werde ich dich lieben können. Vielleicht schaffe ich dort all meine Versprechen zu halten und du würdest nicht gehen. In einem anderen Leben wäre alles anders gelaufen. Ich habe alles Verloren, außer zwei Dinge: Volleyball und meinen besten Freund. Ein Seufzen kam mir über die Lippen. Mit einer schnellen Bewegung wischte ich die Träne weg. Das nächste Mal mache ich alles richtig, Kazumi.

Ich machte mich wieder auf den Weg. Sie hat es beendet und somit muss ich es akzeptieren. Ich will einfach nach Hause. Weg von diesem Ort. Weg von mir selbst. Meine Ziele und Wünsche waren so hoch angesetzt, dass nun alles einbrach. Meine Schritte verschnellerten sich wieder. Die letzte Möglichkeit perfekt zu werden ist weg! Kazumi ist weg! Wir passten doch immer so gut zusammen. Wieso kann ich nicht einfach Volleyball spielen und sie haben? Warum kann ich nichts ändern? Erst besiegte mich Ushijima und dann war sie weg. Schneller immer schneller! Ich will von meinen Problemen weg! Ich will nicht mehr in dieser Präfektur sein!

Ich riss meine Zimmertür auf und schmiss mich auf mein Bett. Die Müdigkeit überkam mich. War das wirklich Liebe? Wenn ja, warum fühle ich nichts? Immer wenn ich sie berührte, kam kein Kribbeln auf. Als ihre Lippen auf meine trafen, entstand keine Gefühlsexplosion und sie ist auch nicht ein präsenter Gedanke in mir. Kazumi war nicht immer da. Aber immer wunderschön, doch nicht mehr. Ich schenkte ihr nie die Wärme zurück, die sie verdient hat, weil ich keine für sie übrighatte. Die meisten Beschreiben Schmetterlinge im Bauch oder ewiger Komfort bei der Person, doch das trat bei mir nicht auf. „Ich muss es mir wohl eingestehen", murmelte ich. „Ich habe sie nie geliebt." Ja, denn das was ich für sie empfand, war nie dieses starke Gefühl. Ich habe mich gezwungen zu lieben, denn ich bin doch 'Oikawa Tooru der falsche Oberschüler'. Das, was man von mir in der Öffentlichkeit sieht, ist nur eine Maske, die nichts bringt. Es lässt mich nur gutaussehen, wie sie auch. Ich gelte als Frauenschwarm, deshalb zwang ich mir wahrscheinlich eine Beziehung auf, obwohl ich keine wollte, beziehungswiese nicht mit ihr. Wie kann man mich bitte lieben? An meiner Seite war immer nur er und für ihn spiele ich Volleyball. Er ist das Einzige was mich hier hält. Kazumi hat Schluss gemacht, meine Freundin, Nein, nun Ex, ist nicht mehr an meiner Seite. Mein Team wird sich auch nach diesem Jahr auflösen und was will ich tun? Was kann ich hier bitte erreichen? „Ich bin scheiße", gähnte ich. Ich habe sie belogen, wie jeden anderen auch und vielleicht mich auch. Immerhin nimmt meine Fassade einen großen Teil meiner Persönlichkeit ein. Wie kann ich ohne sie noch strahlen? Wie soll ich mich verhalten? Werden mich alle hassen? Ich hoffe nicht. Nein, es sollte mir egal sein, solange er bei mir ist. Ich brauch ihn jetzt, meinen besten Freund. Meine Hand wanderte zu meinem Handy.

„Yaho, Iwalein!" Ich bin's der Hurensohn.
„Was ist los, Tooru? Es ist schon spät und du klingst nicht fröhlich, auch wenn du es versuchtest zu fälschen." Ja, ich habe es wieder probiert, aber jetzt kann ich nicht so tun.
„Kazumi hat mich verlassen", gestand ich trocken. Eine Ruhe dominierte unser Telefonat.
„Fuck, ich komme! Mach nichts dummes, Loserkawa." Seit wann so fürsorglich, Iwa-chan? Das würde ich gern sagen, aber er legte schon auf. Ein Schmunzeln machte sich auf meinem Gesicht bereit. Es tut mir leid, Kazumi. Ich habe dich belogen. Ich werde aber weitermachen.

Für ihn. 

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AdiósWo Geschichten leben. Entdecke jetzt