Prolog

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Prolog

***Drei Jahre zuvor***

"Sie werden jetzt entlassen, Miss Carter. Sie müssen nicht mehr in die Reha, da haben Sie großes Glück. Ich schicke Ihnen eine Krankenschwester vorbei, die hilft Ihnen mit dem Packen Ihrer Kleider. Alles Gute noch." Mein Arzt verschwindet aus dem Zimmer. Ich stehe vorsichtig auf und humpele mit meinen Krücken zum kleinen Spiegel im Bad meines Einzelzimmers.

Ein blasses, krank aussehendes Mädchen blickt mir entgegen. Ihre grünen Augen haben das Leuchten verloren, und sehen mir stumpf und ausdruckslos entgegen. Ihre blonden Locken sind strähnig und haben keinen Glanz mehr; unvoluminös hängen sie ihr vom Kopf ab, und ihre Lippen sind blass und dünn. Ihr ganzer Körper ist vollkommen ausgezehrt und sieht aus, als hätte sie zehn Kilo Gewicht verloren, welches sie nicht entbehren kann. 

Ich kann nicht glauben, dass dieses schwache, kranke Mädchen ich sein soll. Früher sprangen meine Locken lebendig um meinen Kopf herum, mein Gesicht war leicht gebräunt und meine Lippen voll und sinnlich. Mein Körper war gesund, hatte genug Gewicht und war gut trainiert.

Warum musste ich eigentlich so etwas durchmachen? Warum konnte mein Leben nicht einfach in geregelten Bahnen weiterverlaufen? Warum musste ich diejenige sein, die entführt wurde und ein halbes Jahr im Koma lag? Das alles hatte doch überhaupt keinen Sinn.

Wütend schleudere ich meine Zahnbürste auf mein Bett. Drei Monate musste ich nach meinem Erwachen noch hierbleiben. Neun Monate war ich im Krankenhaus gewesen! Neun Monate! Ein Dreivierteljahr! In so einer langen Zeit hätte ich viele neue Songs und Alben produzieren können, ich hätte studieren können, aber nein, ich war im Krankenhaus.

Nicht in Selbstmitleid versinken, Rosie, ermahne ich mich selbst. Das war in den letzten Wochen viel zu häufig vorgekommen. Der Arzt meinte, ich habe eine passive Depression. Was das nun wieder alles bedeuten soll ...

Ich schaue auf mein Handy. Meine Mom hat mir doch versprochen, dass sie mich um drei abholen will. Jetzt ist es schon viertel nach drei. Verärgert scrolle ich auf meinem iPhone durch meine Fotos. Die meisten sind natürlich von Ruby, meiner Mom und mir, aber hier und da sind auch Bilder mit meinen Fans, die ich vor einiger Zeit geschossen habe.

Plötzlich krümmt mein Herz sich vor Schmerz. Da ist er. Er. Und ich. Wir halten zusammen ein Eis in den Händen. Meine andere Hand ist mit seiner verschränkt.

Verschiedene Gefühle spiegeln sich in mir wider.

Wut. Hass. Trauer. Liebe. Sehnsucht.

Ich spüre, wie meine Augen sich mit Tränen füllen. Für meine erste große Liebe hätte ich mir wirklich ein hübscheres Ende vorstellen können als dieses. Meine ehemaligen besten Freunde hassen mich, mein Exfreund ist zutiefst enttäuscht von mir, genauso wie meine Fans und meine Freunde.

Warum habe ich kein schöneres Ende bekommen?

Don't walk away without meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt