Kapitel 10

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Die schwarzen Wände glänzen. Sie sind so heiß geworden, dass der Stein zum Teil geschmolzen ist. Der Boden ist übersät mit kleineren Rissen, ebenso die Wände. Kratzer und Spuren, die verdächtig nach Blut aussehen, kann ich ebenso in Bruchteilen von Sekunden erkennen. Das alles wird aber nur noch getoppt von der Person, die zusammengesunken an der Wand lehnt. Das einzige Licht kommt von draußen, sonst ist es stockdunkel. Langsam erwache ich aus meiner Starre, fange an zu begreifen und renne die paar Schritte auf die Person zu. Die langen, schwarzen Haare sind fettig und verfilzt, die Kleidung nicht mehr als ein Fetzen. Der Mann sieht abgemagert und müde aus. Einzelne Strähnen bedecken sein Gesicht und die Augen sind geschlossen, es sieht aus, als würde er schlafen.

Ich knie zu ihm nieder. Die Wangenknochen sind eingefallen, er sieht blass aus. Ich streiche ihm die Strähnen aus dem Gesicht und berühre dabei vorsichtig seine Haut, sie ist eiskalt. Eine einzelne Träne fließt meine Wange hinunter. Ich schlucke: "Bitte Loki, bitte!" Meine Worte sind nicht mehr als ein Flüstern, ein Hauch im Wind, so gut wie nichts. Ich nehme seine Hand und fühle am Handgelenk nach dem Plus – er ist nicht vorhanden! Ich sacke in mich zusammen, lege meinen Kopf auf seine Brust, schließe die Augen. Das kann nicht das Ende sein! Du kannst nicht tot sein, du hast mir versprochen, dass wir uns wiedersehen, dazu gehören zwei! Ich bin verzweifelt, am Ende. Bitte Loki! Es ist still, ich höre nichts. Kein Vogel zwitschert, ja man kann noch nicht einmal den Wind hören. "Bitte Loki", flüstere ich erneut, zu mehr fehlt mir die Kraft. Mein Verstand hat schon akzeptiert, was mein Herz immer noch leugnen will.

Er ist tot!

Ich liege halb auf seiner Brust, zu keiner Bewegung fähig. Es herrscht eine Totenstille, im wahrsten Sinne des Wortes, doch dann ist es mir, als würde ich etwas hören, nur ganz leise. Du-dumm. Ein Hauch, mehr nicht. Du-dumm. Schon wieder. Ganz leise, aber ich habe mich nicht geirrt.

Du-dumm!

Du-dumm!

Du-dumm!

Ich schlage die Augen auf, mit der Gewissheit, dass das Geräusch nicht mehr als eine Einbildung war.

Du-dumm!

Ich traue mich nicht mich zu bewegen, zu groß ist die Angst, das Geräusch könnte verschwinden. Es kommt mir bekannt vor aber ich kann es nicht einordnen.

Du- dumm!

Ich kann ein leichtes Heben und Senken des Brustkorbs unter mir spüren und da kommt endlich die Antwort, des Rätsels Lösung: Herzschlag.

Ich hebe meinen Kopf und stehe auf. Jetzt kann ich die Bewegung sehen. Sie ist nicht stark, aber vorhanden. Ganz langsam hebt und senkt sich seine Brust, sein Herz schlägt. "Loki", flüstere ich erleichtert und mir fällt ein Stein vom Herzen. "Du lebst!"

Erneut falle ich vor ihm auf die Knie. Ich sitze einfach da und beobachte ihn. Dann kann ich leise Schritte hinter mir hören. Ich drehe mich um und sehe Thor der sich neben mir hinkniet und Loki schweigend hochhebt: "Komm mit Jocy, wenn wir ihn hier lassen wird er es nicht überleben!"

Ich folge ihm nach draußen. Die Sonne blendet mich und ich beschatte meine Augen. In der Ferne kann ich eine Bewegung ausmachen, nur ganz kurz, dann liegt die Landschaft wieder regungslos unter mir. Ich ignoriere sie und beginne ebenfalls den Abstieg. Thor wartet unten auf mich: "Schaffst du es noch zurück?"

Ich nicke als Antwort und wir machen uns auf den Weg, zurück ins Wanendorf. Ich habe die ganze Zeit über dieses komische Gefühl, als würden wir beobachtet. Immer wieder schaue ich mich um, kann aber nichts ausmachen.

Plötzlich kann ich ganz deutlich Schritte hören und auch Thor dreht sich um und bleibt stehen. Ich folge seinem Beispiel. "Wir sind nicht alleine!", flüstert er mir zu.

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