Die Bücherei ist riesig, die Regale stehen teils bis zur Decke und ich fühle mich klein. Alle diese Werke müssen auch Leute erschaffen haben! Schießt es mir durch den Kopf. Schweigend setze ich mich an einen der Rechner. Sophie hat sich nicht noch überreden lassen mitzukommen und meine letzte Hoffnung starb, als sie ein Junge gefragt hat, ob sie heute schon etwas vorhabe.
Das Ticken der Tastatur hört sich unerhört laut an in dem riesigen, stillen Raum und ich habe das Gefühl, dass der Mann hinter mir, mich andauernd missbilligend anstarrt. Du machst dich noch verrückt! Rede ich mir ein und beginne meine Suche. Langsam fahren meine Finger über die Tastatur, als ich den Namen eingebe, seinen Namen. Der Bildschirm flackert zweimal, dann zeigt er die Suchergebnisse an. Ich schreibe die für mich relevanten Ergebnisse auf und begebe mich dann in den Regal- und Bücherdschungel.
Am Ende sitze ich mit einer Edda und drei weiteren Büchern an einem der alten Tische. Eine Tischlampe steht neben mir und ist eine der wenigen Lichtquellen dieser Bibliothek.
Ich schlage die Edda auf. Die Seiten knistern leicht zwischen meinen Fingern. Ich lese einige Absätze, werde aus ihnen aber nicht wirklich schlau. Bei den anderen Werken sieht es schon anders aus.
„Loki ist schmuck und schön von Gestalt, aber bös von Gemüt und sehr unbeständig. Er übertrifft alle andern in Schlauheit und in jeder Art von Betrug."
(Stange: jüngere Edda Str. 33, S. 282)
Ich schüttele den Kopf, als ich auf diesen Auszug aus der jüngeren Edda stoße.
Ich lese weiter:
"Loki (Lodur, Loge, Lofn, auch Loptr, nord. von logi „Feuerbringer”, „Lohe”, „Luftgott”) Loki gilt als Sohn des Riesen Farbauti und der Laufey (oder Nal) und gilt daher auch als Riese. Brüder des Loki sind Byleist und Helblindi. Er wurde durch die Blutsbrüderschaft mit Odin in das Geschlecht der Asen aufgenommen. Er wird manchmal auch als Odins Bruder identifiziert, was sich aus dem Namen Lodur (in Gylfaginning als Gott We bekannt) ableiten lässt.
Loki ist Gott des Feuers (Feuergott), Gott des Schabernacks, Gott des Bösen, Gott der Verwandlung, Gott der List und dämonischer Trickser, halb Gott, halb Riese, ein Gestaltenwechsler."
Das war also der Gott, dem ich begegnet war. Ich will mich gerade in den nächsten Text vertiefen, da es mir, als habe ich einen Schatten hinter den Regalen längshuschen sehen. Nicht verrückt machen, Jocy! Ich schaue erneut auf die Texte:
"Mit der Riesin Angrboda („Angstmacherin”) ist Loki Vater des Wolfs Fenrir, der Midgardschlange (Jörmungandr) und der Todesgöttin Helja. Den drei Unheilen der Welt. Als Stute hat Loki den achtbeinigen Hengst Sleipnir geboren, das Reittier Odins."
Ich schlug das Buch wieder zu und lehne mich an die kalte Holzlehne des Stuhls und schließe die Augen. Das war er also! Vater der Weltenfeinde, der Gott des Bösen! Und doch können diese Vorwürfe meine Faszination für ihn nicht schmälern, im Gegenteil, ich will wissen wieso.
Ich stehe langsam auf, damit der Stuhl nicht zu laut über den Boden schrammt, dann sammle ich meine Bücher ein und Stelle sie wieder zurück. Wieso ich? Frage ich mich und schaue mich noch einmal zwischen den Regalen um. Das Wissen so vieler Leute scheint in der Luft zu schweben. Es scheint so nah zu sein, so greifbar. So viel Wissen ist hier vereint und jedes einzelne Werk wartet nur darauf angeschaut zu werden. Vorsichtig streiche ich im Vorbeigehen über die Buchrücken. Leichter Staub setzt sich auf meinen Fingerspitzen ab. Wie alt sind wohl die Ältesten?
Am Ausgang bleibe ich noch einmal stehen und schaue mich erneut um. "Ich werde dich finden, Loki!", flüstere ich leise, und verlasse endgültig die Bücherei.
Meine Recherche und Reise soll an dieser Stelle noch lange nicht zu Ende sein. Es soll auch nicht das letzte Mal sein, dass ich stundenlang in einer Bücherei sitze und versuche zu verstehen. Lange Nächte bringe ich damit zu, meine Ideen und Erkenntnisse niederzuschreiben. Anfangs nur in kleinem Format, aber mit der Zeit begreife ich Zusammenhänge. Das letzte Mal, dass ich von Loki höre war in New York und dieser Tag weht die letzten Zweifel weg, dass es wirklich Loki war, der mir da begegnet war. Sophie und ich machen ein Auslandsjahr und später Abitur. Ich studiere Journalistik und bekomme eine Stelle bei der Geo. Sophie zieht es in die Medizin und unsere Wege trennen sich. Für jeden wäre damit seine Geschichte zu Ende, aber meine beginnt jetzt erst!
Sie beginnt mit einem Auftrag von meinem Chef einen Artikel zu schreiben, einen Artikel über ein Thema, welches ich vor Jahren niedergelegt hatte. Er bittet mich für die Geo einen Bericht über Loki rauszubringen. Ich stimme ihm zu und nun bin ich hier, sitze zu mir zu Hause und krame die alte Kisten hervor mit all den Aufzeichnungen über Loki, die ich kurz vor dem Abitur, sprich vor sechs Jahren, das letzte Mal geschlossen habe.
Die Erinnerung ist da, als wäre es Gestern. Ich hinter diesem Baum, der Gott vor mir. Seine Augen auf mich gerichtet, seine Hand, die zärtlich über meine Wange streicht. Ein Blatt nach anderen hole ich aus der Kiste und lese mir meine Berichte durch. Sophie hat damals, gesagt, dass sie für eine Doktorarbeit locker reichen würden, aber ich wollte nicht, es war meine persönliche Meinung, und die gingen niemanden etwas an. Sophie war sogar die Einzige, die weiß, was genau Loki gesagt, beziehungsweise getan hat.
Langsam setze ich mich an meinen Rechner und fange an zu schreiben, erst stockend, dann fliegen meine Finger nur über die Tastatur. All das Wissen drängt sich wieder in mein Bewusstsein. Es ist wie in einem Rausch. Es sprudelt nur so aus mir hinaus und am nächsten Tag kann ich den Bericht schon abgeben. Aber dieser Bericht hat nur eine alte Leidenschaft wieder geweckt. Das Wieso in meinem Kopf ist größer als je zuvor. Ich denke anders als damals, rationaler, aber so sehr ich auch brühte, ich bekomme keine Antwort. Mit einer Halben gebe ich mich nicht mehr zufrieden. "Ich werde dich finden, Loki!" Das Versprechen ist alt, aber ich werde es einlösen, ich werde ihn finden. Wenigstens einmal muss ich noch mit ihm reden, ein einziges Mal, und wenn es das Letzte ich, was ich tue, ich muss endlich eine Antwort bekommen, wieso gerade ich.
Müde lasse ich mich auf mein Bett fallen. Morgen werde ich es meinem Chef sagen, erzählen, dass ich unbezahlten Urlaub nehmen werde! Ich schiebe es schon viel zu lange vor mir her! Ich wollte es schon lange, nur es ist irgendwie untergangen und dieser Bericht hat die alte Leidenschaft wieder geweckt. Lange zögern kann ich nicht, sonst werde ich es nie tun! Ich schlafe ein.
"Komm, komm mit! Sagt der Mann mit den eisblauen Augen und hält mir eine Hand hin. Komm, ich möchte dir etwas Zeigen!" Ich schaue ihn an, ergreife dann aber nach einigem Zögern doch die Hand. Er führt mich durch einen Wald. Der Boden ist mit Blättern und Gestrüpp bedeckt. Das Knacken unserer Schritte sind die einzigen Geräusche. Kein Vogel, kein Wind, nichts. Der Wald lichtet sich. Jetzt kann ich etwas hören, es klingt wie ein Rauschen. Ein Donnern, als würden Wellen gegen Steine schlagen. Ich stehe an einer Klippe. Der Mann hält immer noch meine Hand und schaut mich ruhig an, er sagt nichts. Langsam gehe ich einen Schritt weiter nach vorne und stehe nun direkt an der Kante. Unter mir brechen die Wellen. Nun ist es hell, aber in der Nacht oder am Abend wäre es nichts mehr als ein dunkler, schwarzer Abgrund. "Wieso bin ich hier?", frage ich ihn.
"Das wirst du noch erfahren", antwortet er mir, dann ist er verschwunden nur ein leichtes Prickeln an den Stellen wo er meine Hand berührte ist geblieben. Ich drehe mich um. Der Wald scheint mich zu beobachten. Ich bin nicht alleine, aber ich habe keine Ahnung, wer mich dort anschaut. Ich weiß nicht, wieso ich hier bin, aber ich bin hier. Ich setze mich auf die kleine Wiese und warte, ich weiß nicht worauf, aber ich warte!
》Auch dieses Kapitel ist fertig und ich möchte allen danken, die bis hier gelesen haben und es auch weiterhin tun. Es bedeutet mir sehr viel, wenn ihr es lest und ich glaube, dass ich gar nicht bis hier hin gekommen bin, wenn da nicht genau ihr wärt, die mich die ganze Zeit über unterstützen.
Die obigen Texte habe ich unter folgender Quelle gefunden:
http://www.lokis-mythologie.de/menue.html
Machts gut, man sieht sich! Ich wünsche euch was!
Fenrir Lokison
PS: Das Lied hatte ich mir während ihrer Suche in der Bücherei gedacht.《
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You are always safe in my heart
Paranormal》Eine Andere hätte auf ihn gehört, eine Andere hätte ihn wieder vergessen, eine Andere wäre ihm nicht gefolgt! Aber ich bin keine Andere!《 Stuttgart bei Nacht, da erblickt Jocy ihn. Ein Blick, der ihr Leben verändern wird! Nur ein Augenblick, mehr...