Kapitel 2

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"Komm schon Jocy! Lass mal schauen wo die herkommen!", bettelt Sophie und zerrt mich in die Richtung der Geigen.

Ich verdrehe die Augen, denn ich hatte bis jetzt noch nicht mitbekommen, dass sie auf Klassik stand. "Mach mal halb lang, ich komme ja schon."

Die Geigenklänge verstummen plötzlich und stattdessen hören wir einen Mann sagen: "Ist es so nicht einfacher?"

"Wer ist das?", fragt Sophie und wir verstecken uns hinter einem großen Baum, als wir die Menschenmenge sehen, die vor einem Mann mit Hörnern (?) niederkniet.

"Keine Ahnung", flüstere ich ihr zu und zucke mit den Schultern. Ich kann den Blick nicht von ihm wenden. Er geht durch die Menge: "Ist dies nicht eure natürliche Haltung?" Er schaut sich um, sein Blick schweift über die Menge und bleibt direkt bei unserem Baum hängen. "Es ist die unausgesprochene Wahrheit, dass es die Menschheit nach Unterwerfung verlangt. Die blendende Verlockung der Freiheit mindert eure Lebensfreude und bringt Gezänk um Macht und Identität! Eure Bestimmung ist es beherrscht zu werden! Am Ende werdet ihr immer niederknien!"

Er schreitet weiter durch die Menge, einen blau leuchtenden Stab in den Händen. Er kommt unserem Versteck immer näher und bleibt dann direkt vor uns stehen. Ich schaue Sophie an, die sich gegen den Baumstamm presst und schwer atmet. Man sieht die Angst in ihren Augen.

"Auch du solltest Angst haben, Kleine! So wie deine Freundin." Seine Stimme ist nicht mehr als ein Flüstern, aber Angst habe ich nicht, im Gegenteil, ich bin eher fasziniert von diesem Mann!

"Wer bist du?", frage ich ihn ruhig. In meinem Gehirn drehen sich die Zahnräder, als es zu verstehen versucht, wieso dieser Mann das tut.

"Ich bin Loki!", sagt er mit einem Grinsen. Die Erde scheint zu erzittern, als er seinen Namen ausspricht. Diese vier Buchstaben brennen sich in mein Gedächtnis. Sie stehen dort in großen, roten Buchstaben, unauslöschbar. Ich fasse mir wie unter Schmerzen an den Kopf.

"Ist alles OK?", fragt Loki mich.

Ich nicke und versuche all das zu verarbeiten.

"Wieso kniest du nicht nieder?", in seinem Ton liegt eine leichte Schärfe, die ich aber ignoriere. "Sage mir die Wahrheit, wieso kniest du nicht!"

Ausreden sind nicht mehr möglich, er will die Wahrheit haben. "Ich knie vor dem Richtigen nieder, und vor niemand anderem!" Meine Stimme klingt anfangs noch fest, bröckelt zum Schluss aber leicht. Ich raffe die Schultern nach hinten und schaue direkt in seine Augen. Ein Fehler.

Mein Kopf ist komplett leer, alles was ich sehe ist dieses lebendige Grün. Im Hintergrund sehe ich ein paar Sterne, die sich in seinen Augen zu spiegeln scheinen. Eine Lebendigkeit herrscht in diesen Augen, die ich noch nirgendwo gesehen habe – und diese Augen schauen mich direkt an. Sie schauen durch mich hindurch, geradewegs in meine Seele. Ich senke den Blick. Er kommt einen Schritt auf mich zu, umfasst mein Kinn, hebt meinen Kopf wieder an, sodass ich gezwungen bin, ihn anzusehen.

"Du wirst noch niederknien, eines Tages. Die Menschen sind alle gleich, es gibt welche, die behaupten, sie seien Helden, aber sie sind genauso mickrig wie der Rest." In seinen Augen blitzt etwas auf, nur einen kurzen Moment, dann sitzt seine kühle Maske wieder, und ich werde das Gefühl nicht los, dass er gelogen hat!

"Wir sehen uns wieder Kleine, eines Tages!" Ein kalter Schauer läuft meines Rücken hinunter, als er seine Hand von meinem Kinn nimmt und einmal über meine Wange streicht.

Er dreht sich um und widmet sich wieder der, immer noch knienden, Menschenmenge. Meine Freundin erwacht langsam aus ihrer Starre und schaut mich verwirrt an. "Was war das denn gerade?", fragt sie mich, bekommt aber keine Antwort, denn meine ganze Aufmerksamkeit gilt dem Mann, der gerade einen alten Opa belehrt, wer hier das Sagen hat. "Haaaallloooo, Erde an Jocy!"

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