2 | Lösung?

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Meine Eltern sind schwierig, sagen wir es so. Eigentlich kümmern sie sich hauptsächlich um Kathi und ich stehe immer so daneben. Sie interessieren sich schon auch für mich, aber es mehr so ein Hauptsache es geht ihr gut. Solange ich gut in der Schule bin, ist alles okay. Ansonsten gibt es auch öfter Mal etwas Stress. Aber nur bei mir, bei Kathi nicht. Und allgemein bekommt Kathi mehr Sachen als ich.

Manchmal frage ich mich, ob meine Eltern überhaupt wirklich wollten. Schließlich bemerkt man den Unterschied in ihrem Umgang mit mir und mit Kathi. Kathi spielt Schach und meine Eltern sind bei quasi jedem Turnier von ihr dabei. Bei mir jedoch kommen sie vielleicht einmal pro Saison zu einem Spiel. Sie finden es auch nicht sonderlich gut, dass ich Fußball spiele. Trotzdem lassen sie mich machen. Aber ob sie mir erlauben nach Wolfsburg zu wechseln? Ich hoffe es einfach.

Es war schon immer mein Traum irgendwann Mal für Wolfsburg zu spielen, aber damit dass es so schnell passieren könnte, hätte ich nie gerechnet. Aber mit sowas kann und darf man in meinem Alter auch nicht rechnen. Das passiert nicht oft, dass richtige Top Clubs so junge Spielerinnen unter Vertrag nehmen wollen. Das ist wirklich etwas besonderes und das weiß ich auch zu schätzen. Allerdings darf man sich so eine Chance dann auch nicht entgehen lassen. Wobei das ja nicht an mir liegen wird.

Nachdem ich endlich Mal geduscht habe, gehe ich wieder runter. Mom sitzt wieder am Wohnzimmertisch und spielt weiter Schach mit Kathi. ,,Wie sieht es denn jetzt aus?“, frage ich vorsichtig. ,,Wir spielen noch kurz fertig und dann komme ich hoch“, meint Mom. Da sieht man es Mal wieder. Ich nicke und gehe wieder hoch. ,,Kurz“ heißt wahrscheinlich in einer Stunde.

Seufzend setze ich mich an meinen Schreibtisch. Auch wenn das Schuljahr in zwei Wochen vorbei ist, warten doch noch ein paar Hausaufgaben auf mich. So gerne ich Deutsch mag, heute habe ich absolut keine Lust auf diese Gedichts Analyse. Allein schon das Gedicht zu verstehen ist eine Herausforderung für sich. Und ich kann mich auch absolut nicht darauf konzentrieren. Schließlich geht es gerade um etwas wirklich wichtiges für mich zumindest. Meine Lehrer sehen meine Fußballkarriere aber wahrscheinlich nicht als wichtig an, von daher sollte ich mich wirklich an das Gedicht setzen.

Letztendlich dauert es tatsächlich keine ganze Stunde bis Mom an meine Zimmertür klopft. ,,Komm rein“, rufe ich, froh darüber das Gedicht kurz beiseite legen zu können. Mom kommt in mein Zimmer und setzt sich auf mein Bett. ,,Und?“, frage ich. ,,Was habt ihr besprochen?“ ,,Also wir würden dich schon gerne nach Wolfsburg wechseln lassen. Wir wissen, dass das dein großer Traum ist. Allerdings ist es ziemlich kompliziert was die Schule angeht. Du musst schließlich weiter zur Schule gehen. Und wir können dich nicht beaufsichtigen. Wolfsburg liegt ja nicht um die Ecke. Dafür muss noch eine Lösung gefunden werden. Ansonsten wird es nicht funktionieren“, erklärt Mom. ,,Okay. Habt ihr schon irgendeinen Lösungsansatz gefunden oder gibt es wirklich noch gar keine Idee?“, erkundige ich mich. Immerhin ist noch nicht alles verloren. ,,Naja eigentlich nicht wirklich. Herr Kellermann und wir wollen da jetzt zusammen eine Lösung finden, um deinen Traum zu ermöglichen und Wolfsburg will dich ja auch wirklich haben. Deswegen wird er auch schauen, was sich in Wolfsburg machen lässt“, meint sie. Ich nicke.

Irgendwie gibt mir das kein gutes Gefühl. Ich mein, ich bin ja auch noch minderjährig. Ich kann nicht Mal alleine wohnen und die ganze Sache mit der Schule kommt noch dazu. Vor allem, weil ich ja jetzt in die Oberstufe komme, sprich ich muss auch noch für mein Abi lernen und so weiter. Wobei das wahrscheinlich das kleinste Problem sein wird. Ich kenne zwar den aktuellen Trainingsplan nicht, aber ich die trainieren ja nicht den ganzen Tag. Da bleibt ja schon noch genug Zeit für Schulzeug. Einige Spielerinnen studieren ja noch nebenher. Und wenn wir eine Auswärtsfahrt haben, dann kann ich ja auch im Bus lernen. Ich habe das Glück, dass ich im Bus oder im Zug alles machen kann ohne, dass mir schlecht wird. Das ist schon ziemlich vorteilhaft.  

Doch leider höre ich in den nächsten Tagen absolut nichts aus Wolfsburg. Und auch Mom sagt nichts. Ich weiß, dass sie noch in Kontakt mit Ralf Kellermann steht, aber gesagt wird mir nichts. So langsam gebe ich die Hoffnung schon auf.
Heute ist Donnerstag und ich habe wie immer direkt nach der Schule Fußballtraining. Oder anders gesagt, ich habe Schule bis um halb fünf Schule und um fünf Training. In der U-Bahn schaue ich schnell durch Instagram. Da fällt mir ein Beitrag von Wolfsburg ins Auge. Sie haben eine neue Spielerin unter Vertrag genommen. Genauer gesagt, eine Spielerin fürs offensive Mittelfeld oder die Flügel, eine Spielerin, die auf der Position spielt, auf der ich auch spiele. Das ist nicht gut. Ich mein, ja Wolfsburg braucht einige neue Spielerinnen, wenn man bedenkt, wer alles so gegangen ist, aber trotzdem gibt mir das irgendwie ein noch schlechteres Gefühl. Auf der Position haben sie jetzt ja schon eine neue Spielerin.

Das Training heute läuft überhaupt nicht gut. Ich bin sowas von unkonzentriert und spiele nur Müll zusammen. Das merkt auch mein Trainer. Am Ende des Trainings nimmt er mich zur Seite. ,,Lou, was war heute los? So kenne ich dich gar nicht“, fragt er. ,,Ich hatte einfach einen schlechten Tag, Stress mit der Schule und noch ein paar andere Dinge“, sage ich. ,,Okay. Wenn irgendwas ist, kannst du mir das gerne anvertrauen“, meint er. ,,Dankeschön“, erwidere ich und gehe in die Kabine. Und ja, ich habe natürlich einen eigenen kleinen Raum für mich. Ich kann mich ja nicht mit den Jungs zusammen umziehen. Aber mein Trainer ist wahrscheinlich der letzte, dem ich von meinen aktuellen Gedanken erzählen werde. Er will mich ja garantiert hier halten wollen.

No rain - No flowersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt