33 | Die rettende E-Mail

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Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft ich den Ball aufs Tor geschossen habe. Erst wollte ich nur ein schönes Freestyle Training durchführen, aber irgendwann ging es nicht mehr anders und so landet der Bälle gerade immer und immer wieder im Tor. Es muss einfach raus. Wie soll ich nur mit Feli reden? Was soll ich zu ihr sagen? Da ich auf diese Fragen keine Antwort finde, werde ich wütend und der Ball knallt noch härter unter die Latte.

,,Lou, was tust du da?“, fragt jemand plötzlich. Ich habe gar nicht realisiert, das da jemand gekommen ist. Ich schaue auf und sehe Feli am Eingang des Bolzplatzes. ,,Was machst du hier?“, stelle ich die Gegenfrage. ,,Ich war eine Runde Joggen und dachte dann, ich komme hier Mal vorbei“, antwortet sie. Ich nicke und wende mich dann ab, um den Ball wieder aus dem Netz zu fischen. Ich muss jetzt mit ihr reden, aber wie? Doch ich brauche die Antwort darauf nicht zu finden.

,,Louisa, es tut mir Leid. Es tut mir Leid wie ich mich verhalten habe. Das war wirklich nicht lieb von mir. Ich hätte viel offener damit umgehen müssen und viel besser auf dich eingehen müssen. Ich hätte deine Reaktion einfach respektieren müssen“, sagt Feli und kommt auf mich zu. ,,Ich weiß, dass ich die einzige Person deiner richtigen Familie bin, die du bisher kennst. Ich hätte in den letzten Tagen genau diese Person für dich sein müssen, aber das war ich nicht“, fährt sie fort. ,,Das muss dir nicht Leid tun. Auch ich habe mich ja nicht ganz richtig verhalten. Ich hätte dich nicht so abstoßen dürfen“, erwidere ich. ,,Nein Lou. Du hast nichts falsch gemacht. Du musstest damit umgehen und ich verstehe, dass das nicht leicht war. Es ist alles andere wie leicht, wenn das ganze Leben auf den Kopf gestellt wird. Und außerdem hätte ich es dir früher sagen sollen“, meint Feli. ,,Vielleicht hast du da Recht. Aber auch du kannst doch nicht unbedingt etwas dafür. Mom und Dad haben es dir verboten, was sollst du da machen. Ich hätte das akzeptieren müssen“, sage ich. ,,Hör auf dich zu entschuldigen! Du hast wirklich nichts falsch gemacht. Ich bin die einzige, die einige Dinge in letzter Zeit nicht richtig gemacht hat.“ Feli’s Stimme ist kaum höher wie ein Flüstern. ,,Dann hör du auf die Vorwürfe zu machen! Ich sehe, wie fertig du dich machst. Das will ich nicht“, sage ich kaum lauter wie Feli. Wir stehen immer noch einige Meter auseinander, so dass es schon fast ein Wunder ist, dass wir uns überhaupt gegenseitig hören. ,,Kannst du mir verzeihen?“, fragt Feli. ,,Ich denke schon, aber trotzdem müssen wir erst wieder richtig zueinander finden“, antworte ich. Feli nickt. ,,Alles gut. Das schaffen wir. Wir haben ja morgen eine fünf Stunden Autofahrt vor uns. Aber jetzt kommt, spiel mir Mal den Ball zu“, meint sie.

Am nächsten Morgen packe ich die letzten Sachen in meinen Koffer. Der gestrige Tag war rückblickend echt ganz schön. Es tat gut mit Feli geredet zu haben und auch mit meinen Eltern. Es fühlt sich an als hätte man mir zumindest eine kleine Last von den Schultern genommen. Die große Last ist aber noch da. Heute bekomme ich gesagt, ob ich bei der U-20 WM dabei bin. Oder anders gesagt, ich bekomme mitgeteilt, dass es nicht gereicht hat. Sind wir Mal realistisch, nachdem ich beim letzten Lehrgang nicht dabei, wird das nichts mehr werden. Da werden auch meine Leistungen im Dezember nichts mehr gebracht haben. Nach dem Frühstück verabschieden Feli und ich uns von Kathi und meinen Eltern mit dem Versprechen in Kontakt zu bleiben. Dann fahren wir los.

Irgendwann seufze ich auf. Die Anspannung ist einfach viel zu groß. Klar, ich weiß, was mir geschrieben werden wird, aber ich will einfach nicht eine erneute Enttäuschung erfahren. ,,Es wird alles gut werden. Glaub mir, das spüre ich“, meint Feli schon fast genervt. ,,Glaubst du wirklich?“ ,,Ja definitiv. Schau dir deine krassen Spiele vom Dezember an. Wie soll Ariane dich da zu Hause lassen? Nenn mir einen Grund“, antwortet sie. ,,Ich war beim letzten, entscheidenden Lehrgang nicht dabei“, erwidere ich. ,,Jetzt komm nicht schon wieder damit. Vergiss den Lehrgang doch einfach. Aber siehst du, es gibt keinen anderen Grund, um dich zu Hause zu lassen“, grinst Feli. ,,Ich weiß nicht“, gebe ich erneut zu bedenken und schaue zum gefühlt hundertsten Mal auf mein Handy . ,,Leg dein Handy weg. Komm wir reden jetzt über was anderes. Dann wirst du abgelenkt bis die Mail kommt“, beschließt Feli.

In den nächsten zwei Stunden reden wir über alles mögliche. Es fühlt sich wieder total vertraut an und vor allem es ist auf einer schwesterlichen Ebene. Irgendwann halten wir auf einem Parkplatz, um die eingepackten belegten Brötchen zu essen. Als wir wieder zurück ins Auto steigen, schaue ich erneut auf mein Handy. Vor Schreck lasse ich es erstmal fallen. ,,Ist die Mail da?“, fragt Feli, obwohl es eigentlich überflüssig ist. Meine Reaktion hat schon alles gesagt. ,,Ich will es gar nicht sehen“, sage ich und hebe mein Handy wieder auf. ,,Soll ich zuerst nachschauen?“, erkundigt sich Feli. Ich nicke und entsperre mein Handy. Ich schaue hat nicht hin während Feli die Mail liest. ,,Soll ich dir die Mail vorlesen oder es einfach so sagen?“, fragt sie, als sie fertig ist. ,,Sag es einfach. Ich halte es nicht mehr aus“, stöhne ich auf und schnalle mich an. ,,Okay, also du bist dabei! Lou du hast es geschafft!“, ruft Feli. ,,Was echt jetzt? Verarsch mich nicht“, erwidere ich.  ,,Mit sowas würde ich das nicht tun! Du bist wirklich dabei. Hier steht es schwarz auf weiß“, meint sie und gibt mir mein Handy zurück. Dann schnallt sie sich auch wieder an und beginnt weiter zu fahren. Ich lese die E-Mail selber. Ich bin tatsächlich dabei. Und nicht nur auf Abruf, sondern richtig dabei. ,,Darf ich einmal kurz schreien?“, frage ich. ,,Ja klar, lass alles raus was raus muss“, lacht Feli. Also schreie ich einmal kurz auf. Danach fange auch ich an zu lachen. Die ganze Anspannung fällt von mir ab. Ich habe es geschafft. Schnell antworte ich noch Ariane und bedanke mich für die Nominierung. Dann informiere ich meine Eltern, Chantal und auch Sjoeke und Stina. Die beiden sind garantiert auch dabei. Zum Schluss schreibe ich noch Jule. Postwendend kommt ihr Antwort.

Jule: Yes, sehr cool! Ich bin auch dabei. Dann geht unser kleines Duell auf dem linken Flügel ja weiter ;)
Ich: Ja, das stimmt. Möge die bessere mehr Spielzeit bekommen. Aber ich freue mich schon darauf!!
Jule: Oh ja, ich mich auch!

,,Was grinst du so?“, fragt Feli. ,,Ach nichts“, antworte ich. Ich muss ihr jetzt nicht von meinen Konversationen mit Jule erzählen. Aber etwas anderes muss ich noch loswerden. ,,Ich muss aber einfach nochmal Danke sagen. Danke, dass du mir im letzten halben Jahr so viel geholfen hast. Danke, dass du mich überhaupt bei dir aufgenommen hast, aber mittlerweile ist das ja noch Mal mehr begründet. Einfach Danke für alles. Ohne dich hätte ich das nie geschafft“, sage ich. ,,Ach Lou bist du süß. Ich habe dir immer gerne geholfen und helfe dir auch weiterhin immer gerne. Aber du hast dir das selber verdient“, meint sie. ,,Aber geschafft habe ich es nur mit deiner Hilfe“, beteuere ich. ,,Dann sehen wir das eben so“, grinst Feli. ,,Ich hab dich lieb meine große Schwester“, erwidere ich und es fühlt sich endlich richtig an, dass zu sagen.

No rain - No flowersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt