19 | Verletzung

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,,Lou? Bist du okay? Hörst du mich?“, höre ich Sjoeke fragen. ,,Ja“, antworte ich schwach und fasse mir an die rechte Seite meines Kopfes. Dort tut es am meisten weh. Ich schließe meine Augen, in der Hoffnung, dass es dadurch besser wird, was natürlich nicht so ist. ,,Alles wird gut“, sagt Sjoeke ruhig und streichelt mir über den Rücken. Gefühlsmäßig dauert es ewig bis unser medizinisches Personal da ist. In Wirklichkeit ist es wahrscheinlich nicht Mal eine Minute. Sjoeke geht ein Stück zur Seite, damit die beiden Sanitäter an mich rankommen. ,,Rechte Seite vom Kopf?“, fragt Jan, einer der Sanitäter. Ich nicke vorsichtig. Jan und Simon, der andere Sanitäter, drehen mich auf den Rücken, um mich einfacher behandeln zu können. ,,Das sieht nicht gut aus Lou. Kannst du dich hinsetzen?“, will Simon wissen. Langsam setzen sie mich auf und machen ein paar kleine Tests mit mir. ,,Du spielst definitiv nicht weiter“, bestimmt Jan und signalisiert das auch Ariane. Ich nicke nur. Mein Kopf dröhnt und mir steigen Tränen auf. Ich will keine Verletzung und vor allem keine Kopfverletzung. Ich will einfach weiterspielen, aber ich weiß selber, dass es fahrlässig ist, jetzt in diesem Moment sich dafür zu entscheiden.

Jan und Simon helfen mir hoch und führen mich an den Spielfeldrand. Sjoeke kommt nochmal kurz zu mir. ,,Das wird schon“, sagt sie leise und muss dann aber zurück aufs Spielfeld. Ich drehe mich zum Feld um und sehe wie Jule mit verschränkten Armen da steht. Genau dort, wo sie vor meinem Zusammenprall auch stand. Blöde Kuh. Zusammen mit Jan und Simon gehe ich in Richtung Kabine. Dort geben sie mir ein Kühl Pack, um meinen Kopf weiter zu kühlen. ,,Am besten wäre es, wenn wir dich direkt ins Krankenhaus bringen. Das könnte schon eine Gehirnerschütterung sein“, meint Simon. ,,Ich will aber die Mannschaft weiter unterstützen“, protestiere ich schwach. ,,Na gut, dann tu das, aber sobald das Spiel rum ist, fahren wir dich ins Krankenhaus. Und bis zur Halbzeitpause bleibst du noch hier drin. Die Mädels kommen ja dann rein“, sagt Simon.

Ungefähr zehn Minuten später kommen die Mädels in die Kabine. Sjoeke und Stina kommen direkt zu mir und erkundigen sich, wie es mir geht. Auch Ariane fragt mich danach bevor sie ihre Ansprache an die Mannschaft hält. Dann nimmt sie sich Jule nochmal beiseite oder besser gesagt kommt mit Jule zu mir. ,,So und jetzt erklär uns beiden doch bitte, warum du neben Lou standest und absolut nichts getan hast?“, fragt sie sichtlich aufgebracht. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob das jetzt der richtige Moment dazu ist. ,,Ich habe nicht genau gesehen, was passiert ist. Ich dachte es ist nicht so schlimm“, versucht sie sich zu erklären. ,,Naja jetzt weißt du es ja besser“, bemerkt Ariane. ,,Na dann, Entschuldigung. Aber ganz ehrlich Lou, du bist wie deine….“, setzt Jule an. ,,Willst du wieder zum Rest gehen und nochmal ein paar wichtige Absprachen treffen. Ich komme in einer Minute auch dazu“, unterbricht Ariane sie schnell. Gibt es da etwas, was ich nicht weiß? Etwas widerwillig geht Jule zu Gia und lässt sich neben sie fallen.

,,Ich weiß, du willst Jule verstehen, aber es ist bei nicht so einfach. Ihr Verhalten ist teilweise wirklich nicht okay, so wie gerade eben. Ich glaube, du hast es nicht komplett mitbekommen, aber sie hat sich keinen Millimeter auf dich zubewegt“, sagt Ariane. ,,Ich habe gesehen, wie sie mit verschränkten Armen da stand. Ich denke Mal, so stand sie die ganze Zeit da“, erwidere ich. Ariane nickt. ,,Ich hoffe, deinem Kopf geht es gut. Ich weiß, du willst für das Team da sein, aber es ist besser, wenn du jetzt schon ins Krankenhaus fährst. Kopfverletzungen sind nicht lustig und je früher man diese diagnostizieren kann desto besser. Ich möchte deine Ausfallzeit so gering wie möglich halten und ich sehe, dass es dir nicht wirklich gut geht“, fährt sie fort. Ich nicke langsam. Wahrscheinlich hat sie Recht.

Die Mädels verlassen die Kabine wieder und Jan und Simon bringen mich in Richtung Krankenhaus. Es ist wohl wirklich besser so, denn mein Kopf hört nicht auf zu schmerzen und auch im Nacken macht sich dieser bemerkbar. Was wollte Jule mir sagen? Wie wer bin ich denn? Und vor allem in welchem Verhältnis steht die Person zu mir? Und woher weiß Jule davon? Doch bevor ich mir darüber Gedanken machen kann, schlafe ich im Auto ein. Ich wache auf als unser Wagen zum Stehen kommt. Irgendwie ist mir plötzlich übel. Ganz toll, das hat mir gerade noch gefehlt. Wir betreten das Krankenhaus und werden direkt in ein Behandlungszimmer gebracht. Wahrscheinlich haben Jan und Simon schon kommuniziert, dass es einen Vorfall beim Spiel gab. Ziemlich schnell kommt ein Arzt herein. Herr Schmidt heißt er. Ich werde die üblichen Dinge gefragt, die man beim Verdacht auf Gehirnerschütterung so fragt. Name, Geburtstag und so weiter. Schnell kommt er zu seinem Ergebnis, dass ich definitiv eine Gehirnerschütterung erlitten habe, die auch nicht unbedingt nur leicht ist. Das habe ich ja toll hinbekommen. Mal schauen, wie lange ich ausfallen werde. ,,Du bleibst auf jeden Fall eine Nacht hier. Morgen sehen wir dann weiter. Ich gebe dir aber noch etwas gegen deine Übelkeit“, bestimmt Herr Schmidt.

Somit werde ich auf ein Zimmer gebracht. Jan kommt erstmal mit mir mit hoch. ,,Ich komme nachher nochmal vorbei und bringe dir ein paar Sachen. Sollen wir deine Familie oder sonst irgendwen informieren?“, fragt er. ,,Meine Mom ja und auch Feli Rauch bitte. Ich möchte, dass sie Bescheid weiß“, antworte ich. ,,Dann mache ich das.“

Ungefähr zwei Stunden später kommt er zusammen mit Herr Schmidt wieder. Jan stellt eine Tasche neben mein Bett und legt mein Handy auf den Nachttisch. ,,Überfordere dein Kopf bitte nicht mit dem Handy“, wirft Herr Schmidt sofort ein. ,,Ein bisschen ist aber okay. Hier sind Tabletten gegen deine Übelkeit. Nimm bitte eine, damit du dann heute Abend etwas essen kannst“, fügt er noch hinzu. ,,Deine Eltern und auch Feli sind informiert. Feli lässt ausrichten, dass du ihr bitte schreiben sollst und deine Mom kommt morgen Vormittag vorbei, um gemeinsam mit Herr Schmidt das weitere Vorgehen zu besprechen“, erklärt Jan. Ich nicke. Dann werde ich allein gelassen. Ich scrolle durch Instagram und suche nach dem Ergebnis zum Spiel. Beim Account unserer U-20 Mannschaft werde ich fündig. Wir haben 3:0 gewonnen. Jule und Sjoeke konnten noch die weiteren Tore erzielen. Außerdem wurde noch ein Interview mit Jule gepostet. War sie schon immer so krass hübsch? Diese langen Haare und vor allem diese tiefbraunen Augen. Aber warum denke ich sowas überhaupt? Das muss definitiv an der Gehirnerschütterung liegen.

No rain - No flowersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt