41 | Loch

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Zurück in der Kabine werfe ich als erstes einen Blick auf mein Handy. Irgendwie ist es mittlerweile zur Gewohnheit geworden. Doch sobald die ich ersten Nachrichten sehe, schalte ich mein Handy ganz aus. Ich kann jetzt keine Glückwünsche zu dem Sieg entgegen nehmen. Ich habe nicht gut gespielt und vor allem nicht das gezeigt, was von mir erwartet worden ist. Jule hatte Recht, wir können nicht mehr so zusammen spielen. Unsere Harmonie ist weg.

Ich lasse mich auf meinen Platz fallen und vergrabe den Kopf in meinen Händen. Warum ist das alles so kompliziert? Auch die anderen Mädels gehen zurück in die Kabine und nachdem wir uns umgezogen haben, geht es wieder und Hotel. Dort gehe ich erstmal duschen. Am liebsten würde ich mir ewig dafür Zeit lassen, aber Jule muss ja auch noch duschen und sonst wird sie nur wieder sauer. Also beeile ich mich doch und setze mich danach auf mein Bett. Was mache ich jetzt? Ich will mein Handy nicht wieder einschalten, da ich immer noch keine Lust auf die ganzen Nachrichten habe. Allerdings fällt mir auch nichts ein, was ich nun tun können. So bleibe ich einfach sitzen und starre ins Leere. ,,Lou? Ist alles gut bei dir?", fragt mich plötzlich Jule und ich zucke zusammen. ,,Ähm ja, alles gut", antworte ich. ,,Das sah gerade aber nicht so aus", wirft sie ein. ,,Nee passt. Ich war nur in Gedanken versunken", wimmele ich ab. ,,Na gut, aber mach dir nicht zu viele Gedanken wegen des Spiels, ja?", meint sie. Ich nicke. Trotzdem funktioniert das nicht. Das war einfach schlecht, was ich da gezeigt habe. Zum Glück dauert es nicht mehr lange bis zum Abendessen. Da bekomme ich dann hoffentlich etwas Ablenkung.

,,Wollen wir dann zusammen runtergehen?", fragt Jule. Sie hat die ganze Zeit auf ihr Handy geschaut während ich einfach nur auf dem Bett gelegen habe. ,,Ja, aber darf ich dich noch eine Sache fragen?", entgegne ich. Jule nickt. ,,Warum bist du so normal?", will ich wissen. Ich kann nicht weiter so verfahren. ,,Ich habe es dir erklärt. Es geht nicht", antwortet Jule und irgendwie wirkt ihr Blick etwas traurig. Schweigend gehen wir nach unten in den Speisesaal. Doch schon als ich das Essen nur rieche, weiß ich, dass ich nichts runterbekommen werde. Allein vom Geruch wird mit schon leicht übel. Zum Glück muss ich mich damit erst in ein paar Minuten befassen. Ariane will vor dem Essen noch ein paar Worte an uns richten, so dass wir uns erstmal an einen Tisch setzen können. Jule und ich schauen uns kurz an und gehen dann beide zu Sjoeke und Stina. Paulina und Gia kommen erst noch und haben dann auch noch Platz an dem Tisch und wenn wir jetzt wieder getrennt voneinander sitzen, wirft das irgendwann wirklich noch Fragen auf. Darauf haben wir beide keine Lust. Endlich Mal etwas, wo wir einer Meinung sind.

Als alle da sind, ergreift Ariane das Wort. ,,Also Mädels. Zwei Dinge, dann dürft ihr euch euer Essen holen. Erstmal ihr habt heute einen tollen Leistung gezeigt. Es nicht einfach gegen Nigeria zu spielen und dafür, dass ihr noch nie in so einer Situation wart, war das heute echt gut. Klar, es war nicht perfekt und es gibt natürlich Dinge, die verbessert werden müssen, aber im gesamten war es definitiv eine gute Leistung. Morgen steht dann Regeneration an und danach analysieren wir unser Spiel. Übermorgen im Training nehmen wir uns dann die Dinge, die wir bei der Analyse entdeckt haben, vor und arbeiten daran, so dass wir im nächsten Spiel gegen Frankreich besser machen können. Und als zweiten Punkt möchte ich euch noch das heutige Abendprogramm vorstellen. Da heute ja Freitag ist, schauen wir gemeinsam das Freitagsspiel der Männerbundesliga. Ihr bekommt dabei noch eine kleine Aufgabe, aber dazu später mehr", erklärt Ariane. ,,So und jetzt holt euch euer Essen. Es gibt einmal Kartoffeln mit Spinat und Spiegelei und auch einfach kaltes Buffet, so dass sich jede das holen kann, was sie gerne hätte", fügt Ariane noch hinzu. Eigentlich liebe ich Spinat, aber heute kann ich das nicht essen. Am liebsten würde ich gar nichts essen, aber das wird wohl nicht durchgehen. So gehe ich zum kalten Buffet und nehme mir eine kleine Scheibe Brot, die ich mit Butter bestreiche. Dazu nehme ich mir noch ein Stück Camembert, wobei ich den garantiert nicht essen werde. Wenn ich allerdings nur mit einem kleinen Butterbrot zurück komme, werden die anderen nur wieder Fragen stellen. ,,Bist du sicher, dass dir das reicht?", fragt Sjoeke als ich mich hinsetze. ,,Ja, ich habe kaum Hunger", erwidere ich. ,,Wenn du meinst." Während dem Essen klinke ich mich aus allen Gesprächen aus und konzentriere mich darauf, mein Brot zu essen. Mein Magen fühlt sich an wie zugeschnürt, genauso wie mein Herz. Jule hat mich gebrochen. Sie hat mich verletzt mit allem. Mit ihrer „Erklärung" vor ein paar Tagen und ihrem Verhalten danach. Ich verstehe einfach nicht, warum sie das so macht und das macht mich umso trauriger. Tatsächlich schaffe ich es mein Brot ganz aufzuessen, doch ich bin die letzte die fertig ist.

Bevor das Spiel nachher losgeht, haben wir noch etwas Zeit. Sjoeke zieht mich sofort nach draußen. ,,Hier sind wie ungestört. Erzähl, was ist los", fordert sie mich auf. ,,Nichts", lüge ich. ,,Das glaube ich dir nicht. Ich kenne dich mittlerweile gut genug um zu wissen, dass etwas passiert ist", meint Sjoeke. ,,Es ist gerade alles ein bisschen viel", sage ich. ,,In wie fern?", halt sie nach. ,,Na alles halt. Ich war noch nie in so einer Situation mit der WM und dem allen und jetzt so schlecht gespielt zu haben, macht mich gerade einfach total fertig", erkläre ich. ,,Du hast nicht schlecht gespielt. Wie Ariane es gesagt, gibt es Dinge, die verbessert werden müssen. Aber Lou, du bist gerade Mal 16 Jahre alt und spielst jetzt bei der U-20 WM. Das da nicht alles gut läuft ist doch klar. Mach dich selbst nicht so schlecht", sagt sie ruhig. ,,Irgendwie hast du ja Recht", erwidere ich. ,,Das sieht's du richtig. Mach dich selbst nicht so fertig, du warst gut und jetzt schau nach vorne auf die nächsten Spiele", meint sie. ,,Danke dir."

Der Abend soll eigentlich lustig sein, um bei uns für etwas Entspannung zu sorgen, doch bei mir funktioniert das nicht. Wie auch. Sjoekes Worte haben zwar etwas geholfen, aber ich habe ihr bewusst nicht alles erzählt. Das mit Jule kann ich keinen erzählen. Nur Feli weiß davon, aber von den Mädels hier darf das keiner erfahren. Mit dem Gedanken lege ich mich nach dem Spiel ins Bett. Dass mein Handy noch ganz ausgeschaltet ist, habe ich komplett vergessen.

No rain - No flowersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt