17 | Zweiter Lehrgang

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Ich verbringe die Nacht mit dem Rest der Mannschaft noch in Hoffenheim. Von hier aus sollen wir dann am Montag zu den Nationalmannschaften reisen. Für mich ist das ganz praktisch, denn wir haben unsere Länderspiele beide in Stuttgart und dementsprechend findet auch unser Lehrgang dort statt. Der Haken der Sache ist, dass ich mit Paulina, Gia und Jule in einem Shuttle nach Stuttgart fahren muss. Prinzipiell ist es ja schon ganz praktisch, aber Jule wird wahrscheinlich alles daran setzen mich auszugrenzen. Nachdem ich noch mit Feli, Sara und Kathy zusammen gefrühstückt habe, packe ich meine restlichen Sachen zusammen ehe ich vom Shuttle abgeholt werde. Paulina, Gia und Jule wurden zuvor schon an deren Trainingsgelände abgeholt, so dass die drei schon im Gespräch sind bevor ich überhaupt im Shuttle sitze. Letztendlich behalte ich Recht und während der gesamten Fahrt, die zum Glück aber nicht lange dauert, rede ich kaum ein Wort mit den dreien. Paulina versucht mich zwar hin und wieder mit ins Gespräch mit ein zu beziehen, aber Jule unterbricht mich immer sobald ich etwas sage, so dass das ganze nicht wirklich funktioniert.

Nach etwas mehr als einer Stunde erreichen wir dann schon unser Hotel. Irgendwie ist es komisch wieder hier in Stuttgart zu sein. Mittlerweile sehe ich Wolfsburg als mein zu Hause an und nicht mehr Stuttgart. Auch der Kontakt zu meiner Familie ist eher spärlich. Immerhin haben sie sich für das erste Spiel zum Zuschauen angekündigt. Am Hoteleingang wartet wie auch schon beim ersten Lehrgang Ariane auf uns. Sie begrüßt uns und bringt uns dann in den uns zugeteilten Aufenthaltsraum. Sjoeke und Stina sind beide noch nicht da. Das wär aber auch komisch, schließlich habe ich ja einen viel kürzeren Weg als die beiden. So sitze ich wieder ziemlich alleine rum. Nach und nach kommen die anderen Mädels und ich wechsle ein paar Worte mit denen, aber so richtig auch wieder nicht.

Endlich betritt Sjoeke den Raum. ,,Hey“, begrüße ich sie umarme sie. ,,Hi“, erwidert sie. ,,Schönes Tor gestern“, fügt sie direkt noch dazu. ,,Danke. Du hast auch ein richtig starkes Spiel gemacht“, sage ich. ,,Merci. Und jetzt rocken wir die nächsten zwei Spiele hier zusammen“, meint Sjoeke. ,,Aber sowas von und das zusammen mit Stina, die ja gestern auch bockstark war“, bemerke ich. ,,Redet ihr von mir?“, fragt jemand hinter uns. ,,Stina!“, rufen Sjoeke und ich gleichzeitig. ,,Hey“, ruft sie zurück und fällt uns in den Arm. Damit scheinen alle Mädels da zu sein, denn Ariane ergreift das Wort. ,,Da sind wir wieder. Diesmal in Stuttgart, der Heimatstadt von Lou, wenn ich das richtig weiß“, beginnt sie und ich werde direkt Mal rot, nachdem alle ihren Blick auf mich gelenkt haben. ,,Aber egal. Warum wir hier sind ist euch klar. Die U20-WM rückt mit großen Schritten näher und es stehen nicht mehr viele Spiele davor an. Jetzt geht es wirklich um alles. Ihr habt noch vier Spiele Zeit euch zu beweisen und zu zeigen, warum ich euch mitnehmen soll. Alle können es leider nicht werden. In den nächsten anderthalb Wochen stehen zwei Spiele gegen Frankreich und die Schweiz an. Ihr kennt denke ich, die französische Mannschaft und wisst, dass das ein echter Härtetest wird. Bei der Schweiz wissen wir nicht, was genau auf uns zukommen wird. Sie sind ja auch für die WM qualifiziert, aber eher als Außenseiter. Das ist das Spiel, in dem ich Tore sehen will und zwar einige. Letztendlich werdet ihr alle eure Spielminuten bekommen und werdet dann zeigen müssen, was ihr drauf habt. Ansonsten stehen hier in Stuttgart einige interessante Trainingseinheiten an und tatsächlich auch ein Theorieblock zum Thema WM, da es einige von euch gibt, die sowas noch nicht miterlebt haben. Heute läuft fast alles ab wie immer. Ihr geht jetzt auch eure Zimmer, danach gibt es Mittagessen. Heute Nachmittag steht dann aber eine Regenerationseinheit im Kraftraum an“, erklärt Ariane.  Mit lauten Stühle Rücken stehen wir auf, um zu schauen mit wem wir uns ein Zimmer teilen. Natürlich bin ich wieder mit Jule in einem Zimmer und wie auch schon beim letzten Mal reden wir kein Wort miteinander.

Die nächsten Tage vergehen wie im Flug. Neben einigen Trainingseinheiten steht auch ein Besuch im Porsche Museum in Stuttgart an. Das ist eine nette Abwechslung zu dem ganzen Trainingsalltag. Schon ist es aber Freitag und das erste Spiel gegen Frankreich steht an. Direkt nach dem Frühstück geht es mit dem Bus zur Mercedes Benz Arena. Meine Eltern haben mir bereits geschrieben und viel Erfolg gewünscht. Es ist irgendwie ein schönes Gefühl zu wissen, dass sie im Stadion sein werden. Es sind nicht viele Zuschauer da als wir den Rasen zum Aufwärmen betreten, so dass es fast lächerlich ist, in dem Stadion zu spielen, aber trotzdem habe ich ein besonderes Kribbeln im Bauch. Ich spiele hier gleich in dem Stadion, in dem ich schon immer Mal spielen wollte. Wobei gleich nicht der richtige Begriff ist, denn ich sitze erstmal auf der Bank. Jule allerdings auch.

Das Spiel beginnt aber gut für uns. Die Mädels kommen gut ins Spiel und das obwohl Frankreich es uns nicht einfach macht. Es entwickelt sich das erwartete Duell auf Augenhöhe. Frankreich geht in Führung, aber wir können in Person von Paulina nachlegen. Wir vergeben eine Chance, Frankreich vergibt eine Chance. So geht es hin und her bis es zur Pause immer noch 1:1 steht.

Die letzten zwanzig Minuten beginnen und Jule und ich sind beide noch beim Aufwärmen und Warmhalten. Dann ruft Ariane meinen Namen. Ich gehe kurz zu ihr und sie teilt mir mit, dass ich eingewechselt werde. Dachte ich mir schon. Schnell ziehe ich mein Leibchen aus, richte meine Schienbeinschoner und gehe dann zurück zu Ariane, die mir noch ein paar taktische Anweisungen mit auf den Weg geben will. Plötzlich steht Jule aber auch da. ,,Warum wird Lou jetzt eigentlich eingewechselt? Ich dachte, ich bekomme heute auch meine Spielzeit“, beschwert sie sich. ,,Die bekommst auch, nur eben auf einer anderen Position und noch nicht jetzt. Jetzt ist Lou dran. Sie hat sich das am Wochenende ordentlich verdient jetzt in diesem Spitzenspiel noch Spielzeit zu bekommen um sich auch auf internationalem Topniveau noch zu zeigen“, erklärt Ariane sachlich. Ich stehe etwas verloren daneben. Jule will schon wieder gehen, aber dreht sich dann doch nochmal zu mir um. ,,Sieh zu, dass es sich wenigstens lohnt dich einzuwechseln“, zischt sie, ohne dass Ariane es mitbekommt.
Nur wenige Sekunden nach meiner Einwechslung bekomme ich plötzlich ganz viel Platz zum Flanken und Sjoeke steht genau am richtigen Fleck, um diese zu verarbeiten. Ich hoffe, damit wären Jules Worte bestätigt, denn wie sich gut zwanzig Minuten später zeigt, war meine Vorlage, die die für unseren Siegtreffer gesorgt hat.

Nach dem Spiel bekommen wir dann kurz Zeit zu unseren Familien zu gehen. ,,Du hast richtig gut gespielt“, sagt Mom sofort und ich höre tatsächlich etwas Stolz in ihrer Stimme. ,,Dankeschön. Es war aber ein echter Kampf“, erwidere ich. ,,Das hat man gesehen, aber cool, dass ihr gewinnen konntet“, meint Kathi. ,,Wer war denn das Mädchen, das da noch rumstand als du eingewechselt worden bist?“, fragt Dad. ,,Das war Jule. Wir kommen nicht wirklich gut miteinander aus“, antworte ich. ,,Jule… ich glaube, die habe ich irgendwo schon Mal gesehen“, überlegt er. ,,Vielleicht Mal in irgendwelchen Berichten über Hoffenheim. Sie ist ja schon echt gut“, schlage ich vor. ,,Das kann sein, aber da war glaube ich noch etwas anders. Naja ist jetzt auch egal“, meint er.

No rain - No flowersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt