20 | Stuttgart

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Am nächsten Morgen kommt Mom vorbei. Ich habe bereits gefrühstückt und mich schon umgezogen und liege jetzt wieder im Bett. Meine Übelkeit ist, wahrscheinlich Dank der Medikamente, weg, aber Kopfschmerzen habe ich immer noch. Mittlerweile haben die sich auch noch auf den Nackenraum ausgebreitet. Zusammen mit Herr Schmidt betritt sie mein Zimmer. ,,Wie geht's dir?", fragt sie mich sofort. ,,Bis auf die Kopf- und Nackenschmerzen eigentlich ganz gut. Mir ist nur extrem langweilig", antworte ich. ,,Verständlich", meint Herr Schmidt.

,,Also, wenn du willst, darfst du das Krankenhaus jetzt heute verlassen. Allerdings darfst du mindestens die nächsten zwei Wochen kein Sport machen und danach bitte ich dich nochmal zur Untersuchung ins Krankenhaus zu kommen", fährt er fort. ,,Zwei ganze Wochen?", frage ich. ,,Ja, zwei Wochen. Und je nach dem wie es deinem Kopf danach geht vielleicht noch länger, aber das sehen wir dann. Ich gehe Mal davon aus, du gehst dann mit deiner Mutter mit", erwidert er. ,,Ich denke schon. Aber nicht für die ganze Zeit. Ich muss ja zurück nach Wolfsburg", werfe ich ein. ,,Warum Wolfsburg?", fragt Herr Schmidt verwirrt. ,,Ich ähm spiele bei den Frauen vom VfL Wolfsburg. Demnach lebe ich mittlerweile dort", erkläre ich. ,,Ach so. Ja dann kannst du die Untersuchung auch direkt mit den medizinischen Betreuern vom Verein machen", meint er. ,,Super", erwidere ich. ,,Dann kommt bitte mit. Ich muss dir noch zwei Dinge geben und dann bist du entlassen", sagt er.

So gehen wir runter in sein Büro oder ähnliches und ich bekomme ein Attest für den Sportunterricht und ein Formular zur Bestätigung, dass der Verein selbst die Abschlussuntersuchung bei mir machen darf. Herr Schmidt wünscht mir noch gute Genesung und viel Erfolg mit Wolfsburg bevor Mom und ich das Krankenhaus verlassen. Im Auto ist erstmal Stille. ,,Es ist doch okay, wenn ich direkt wieder nach Wolfsburg gehe oder?" frage ich irgendwann vorsichtig. ,,Ja schon. Du musst ja zur Schule und so. Felicitas kommt aber erst morgen. Sie hat heute noch ihr Länderspiel in München und fährt dann morgen hier vorbei, um dich abzuholen", antwortet Mom. ,,Eigentlich wollte ich dir noch etwas erzählen, aber ich glaube, dass ist der falsche Zeitpunkt dafür", fügt sie hinzu. ,,Soll ich dann gar nicht weiter nachfragen oder es trotzdem versuchen aus dir rauszuquetschen?", scherze ich. ,,An deiner Stelle würde ich es lassen", meint sie. Was soll das denn jetzt? Erst so anfangen und dann mich anmaulen. Ich hoffe, dass muss ich nicht verstehen.

Es ist ungewohnt wieder zu Hause zu sein. Oder besser gesagt, im Haus in dem ich aufgewachsen bin. Als ,,zu Hause" würde ich es nicht mehr bezeichnen. Mein Zimmer sieht immer noch aus wie als ich noch richtig hier gewohnt habe. Nur die wichtigsten Dinge sind jetzt in Wolfsburg. Trotzdem hängt meine Wand immer noch voller Poster vom VfB Stuttgart und VfL Wolfsburg. Langsam gehe ich auf meine Wand zu und streiche über ein Poster von der Siegerehrung zum Gewinn der Meisterschaft von Wolfsburg vor zwei Jahren. Es ist schon krass jetzt ein Teil dieser Mannschaft zu sein. Ich fühle mich dort so wohl, ganz anders wie davor bei den Jungs. Da war ich zwar ein Teil des Teams, aber nicht so richtig krass mit denen befreundet. Jetzt ist das ganz anders. Ich verstehe mich wirklich mit der gesamten Mannschaft extrem gut und einige kann ich definitiv als sehr gute Freundinnen bezeichnen. Und dann ist da ja noch Feli. Sie ist einfach wie eine große Schwester für mich. Die große Schwester, die ich nie hatte, aber an die ich mich immer wenden kann, wenn irgendwas ist.

Am Mittwoch verbringe ich den gesamten Vormittag damit aus dem Fenster zu schauen und auf Feli zu warten. Um kurz vor halb zwölf ist es endlich soweit und ihr Wagen fährt in die Einfahrt. Ich springe nicht auf, wie man es von mir erwarten würde, sondern laufe langsam. Ich soll ja nicht direkt wieder mit Sport und Bewegung übertreiben. Feli braucht aber trotzdem nicht zu klingeln, denn ich bin schneller und habe die Haustür bereits geöffnet, als sie kommt. Sofort umarme ich sie ganz fest. ,,Du hast so grandios gespielt", sage ich als wir uns wieder voneinander lösen. ,,Komm rein", füge ich noch hinzu. ,,Zweimal Danke", grinst Feli. Zusammen gehen wir in die Küche, wo Mom und Dad kochen. ,, Feli ist da", sage ich. Mom dreht sich um. ,,Schön, dass du da bist", meint sie, doch irgendwie wirkt ihr Lächeln nicht hundertprozentig echt. Naja auch egal. Zusammen mit Feli decke ich den Tisch fürs Mittagessen. Währenddessen reden wir über unsere Länderspiele und über meine Gehirnerschütterung. Man kann Feli ansehen, dass sie extrem besorgt war und auch immer noch ist.

Dann gibt es Essen. Zum Glück haben meine Eltern etwas vegetarisches gemacht, aber auch nur, weil ich sie darauf hingewiesen habe. Während dem Essen kommt mir eine Idee. ,,Mom? Kann Feli an Weihnachten mit mir hier her kommen?", frage ich. Sonst wird Weihnachten für Feli ziemlich einsam werden. Das will ich nicht und außerdem ist Feli für mich ja wie eine Schwester und es ist ja das Fest der Familie. ,,Wenn sie möchte, gerne", meint Mom. ,,Das wäre echt schön", sagt Feli. ,,Dann bist du herzlich eingeladen", erwidert Mom. Ich merke, dass sie nicht hundertprozentig glücklich damit ist, aber das geht schon die ganze Zeit so. Feli und Mom reden zwar miteinander, aber irgendwie wirken beide etwas kühl und knapp. Vielleicht ändert sich das ja, wenn Mom Feli besser kennenlernt. Ich kann ja verstehen, dass es sich als Mutter schon komisch anfühlen muss, wenn die Mutterrolle plötzlich von einer anderen, fremden Person übernommen wird. Nur, dass Feli nicht die Mutterrolle, sondern die Schwesterrolle einnimmt. Auch wenn Mom und ich nicht das engste Verhältnis zueinander haben, kann niemand diese Rolle einnehmen.

Nach dem Essen brechen Feli und ich dann schon auf. Vor uns liegt noch eine recht lange Fahrt und je früher wir loskommen, desto besser. Ich schmeiße meine Reisetasche in den Kofferraum und setze mich dann auf den Beifahrersitz. ,,Hast du Musikwünsche?", fragt sie. ,,Mach einfach unsere Playlist an", antworte ich. Wir haben vor ein paar Wochen eine gemeinsame Playlist erstellt, da wir einen ziemlich ähnlich Musikgeschmack haben. Und auf geht's zurück nach Wolfsburg.


No rain - No flowersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt