Sirius #4

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Ich stützte mich auf die Fläche des Tisches, schloss die Augen und atmete tief durch. Er machte mich verrückt. Dieser kalte Blick, die Herablassung, die darin lag. Zum einen hatte er mich verunsichert, aber zum anderen wollte ich ihm beweisen, dass ich nicht aufgeben würde, bloß weil er in seinen Blick die ganze Abneigung, die er mir gegenüber empfand legte. Es war aufregend zu überlegen wie man weiterhin vorging und was sein nächster Schritt war. Vielleicht ging es mir im Grunde ja gar nicht um ihn und darum ihn kennenzulernen, sondern schlicht und ergreifend um die Eroberung an sich. Und den Weg, bis er schlussendlich zu sagte. Aber weshalb gerade bei ihm? Bloß weil er der erst Beste war, den ich erobern musste und der mir nicht schon von Anfang an zu Füßen lag? Er hatte mich schon interessiert, bevor er begonnen hatte mir die kalte Schulter zu zeigen. Es konnte nicht bloß daran liegen. Ich fuhr mir mit einer Hand über die Augen und spürte im Hinterkopf das unangenehme Pochen von sich leise ankündigenden Kopfschmerzen. Ich drehte mich seufzend zur Arbeitsfläche, räumte die Spülmaschine aus und meine neuen Einkäufe ein, während im Hintergrund leise Jackson Browne spielte. Nachdem ich mir ein paar Brote zum Mittagessen gemacht hatte und alles aufgeräumt war, schnappte ich mir meinen Laptop, setzte mich an den Tisch, nachdem ich einen freien und entwendbaren Stuhl gefunden hatte und bemerkte erst, als ich von dem ersten Brot abbiss, während der Laptop noch hochfuhr, wie hungrig ich eigentlich war. Ich öffnete das Dokument, an dem ich begonnen hatte zu schreiben und las die letzten paar Sätze. Sie waren ganz in Ordnung. Danach starrte ich sie einfach nur noch kauend an. Mir fehlte seit gestern die Inspiration. Nicht bloß was Farben betraf, sondern auch das Schreiben. Als würden die Begegnungen mit Lysander meinen Kopf so überquellen lassen vor anderen Gedanken, dass es gar keinen Platz mehr für kreative Ideen und Einfälle gab. Als mein Brettchen leer war, bis auf ein paar Krümel und ich immer noch kein einziges Wort geschrieben hatte, klappte ich den Laptop seufzend zu. Wieso sollte ich mich zu etwas zwingen, wenn die Worte einfach nicht kommen wollten? Ich hatte immer noch die Kälte seiner Augen im Kopf. Sie hatte sich wie Eissplitter in meine Haut gebohrt und ich konnte sie immer noch spüren. Wieso sollte ich dieses Gefühl auf mich nehmen, wenn mir an ihm persönlich nichts lag? auch bei Mädchen die Desinteresse an mir bekundet hatten, hatte ich es einfach gut sein lassen, statt ihnen weiterhin nachzurennen und sie erobern zu wollen. Also wieso sollte das anders sein, bloß weil er ein Junge war? Es musste etwas an ihm liegen. Ich war nach der Uni noch kurz über den Markt geschlendert und hatte die Zeit vergessen und ich wusste, dass ich mich nicht beliebter bei ihm machte, wenn ich mich verspätete. Ich hätte ihn fragen sollen, was er studierte, aber irgendwie hatte es sich angefühlt als sei die Kälte seiner Blicke unter meine Haut gesickert. Ich hatte von ihm wegwollen, weil er mich nicht nahe an sich heran ließ. War das ein Paradoxon? Und ich dachte schon wieder an ihn. Seit Samstag, seit dem Kuss, hatte ich das Gefühl, dass mir die Gedanken an diesen Jungen immer wieder in die Quere kamen. Ich schenkte mir ein Glas Milch ein und sah durch ein Fenster, hinunter auf die Straße, wo ein älterer Mann gerade mit seinem Dackel entlang lief. Ich versuchte auf meinen Atem zu achten, auf das Ticken der Uhr, das Gefühl des Stehens. An alles außer auf meine Gedanken. Es war ein Tipp von einem meiner früheren Sportlehrer am Gymnasium gewesen, den ich als einzigen gemocht hatte. Er war zwei Jahre lang in Indien gewesen, wo er die Kunst des Meditierens gelernt hatte und versucht hatte sie uns ein wenig zu vermitteln. Man wurde klarer, wenn man einmal auf seine Umgebung und nicht auf die an der Oberfläche treibenden Gedanken achtete. Ich hörte das leichte Schaben von meinem Atem auf meiner Lunge, fühlte die Kühle des Glases und der Milch darin.  Ich atmete tief durch und achtete wieder auf meine Gedanken. Sie kreisten immer noch um ihn. Ich stürtzte das Glas Milch herunter und stellte es etwas zu schwungvoll ab. Was hatte er? Weshalb war ich so versessen auf ihn und den Gedanken ihn näher kennenlernen zu wollen? Ich hatte bisher noch nie bei einer Person, die noch lebte oder irgendwie erreichbar war, das Gefühl gehabt etwas zu versäumen, wenn ich sie nicht näher kennenlernte. Bei keinem einzigen Mädchen, mit dem ich jemals geflirtet hatte, was an sich eine Menge gewesen waren. Also weshalb bei ihm? Es lag sicher nicht am Jagdfieber. Aber musste ich mir überhaupt nach so kurzer Zeit schon Sorgen machen? Vielleicht war es eine verzweifelte Phase, neues entdecken und mich vielleicht sogar binden zu wollen, auch wenn er ein Junge war. Vielleicht würde das einfach vergehen und sich legen, obwohl sich das brennende, sehnsüchtige Gefühl in meiner Brust sich anders anfühlte.

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Ich danke euch wirklich für eure Unterstützung und die mittlerweile über 100 Reads, obwohl das Buch erst so kurz online ist. Vielen Dank *-*

Curiosity and Fortune.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt