Sirius #14

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Meine Augen brannten und das Bett sah immer verlockender aus. Ich zuckte zusammen, als durch die Kopfhörer das Läuten der Glocke zu hören war. Schnell setzte ich sie ab und schlängelte mir meinen Weg, um die Möbel meiner Wohnung herum. Ich polterte die Treppenstufen herunter und öffnete die Türe.
Kurz war ich überrascht sie zu sehen. In meinem Kopf hatte es bloß eine Person sein können. Sie lächelte mich an. "Hast du jemand anderes erwartete?" Ich lachte. "Ach, was." Sie trat ein und schloss die Türe hinter sich. "Du siehst schrecklich aus." "Das freut einen doch zu hören.", entgegnete ich sarkastisch, bevor ich die Stufen wieder hochstieg. Waren es in den letzten Tagen mehr geworden?
"Wie kommt es, dass du mich beehrst?" "Du hast dich so lange nicht gemeldet. Jess dachte schon dass du vielleicht tot hier rum liegst." "Du meinst, er hat es gehofft." "Nein!", erwiderte sie empört. "Er hat bloß schon überlegt, aus welchem Material dein Sarg bestehen soll. Er war für Karton." Obwohl ich im Kühlschrank nach etwas sucht, das man ohne Bedenken wegen eines Giftmordes im Gefängnis zu landen anbieten konnte, konnte ich mir ihr Grinsen vorstellen. Als ich mich mit einer Flasche Spezi zu ihr umdrehte, hatte sie sich im Schneidersitz auf den Tisch gesetzt und eine Strickjacke von mir, die sie irgendwo gefunden hatte um die Schultern geschlungen.
"Wie lange hast du nicht mehr geschlafen?", fragte sie mich jetzt ernst, während ich die Flasche abgestellt und mich den Schubladen zugewandt hatte. Mein Magen rumorte hungrig vor sich hin. Ich warf einen kurzen Blick auf die Uhr. 11:36 Uhr. "Seit fünf Stunden." "Ich meinte keine Power Naps. Sondern wirklichen, erholsamen Schlaf." Ich fuhr mir durch meine Haare, die sich anfühlten als seien sie um einiges gewachsen und sah die Packungen von fertig Asia Nudel Gerichten und Fertigsuppe durch. "Kommt darauf an, welcher Tag heute ist." "Donnerstag.", antwortete sie und legte ihren Kopf schief, als ich mich auf den einzigen am Tisch stehenden Stuhl fallen ließ. "Dann sind es fünf Tage." Sie atmete geräuschvoll aus. "War es es wert?" Ich zuckte mit den Schultern. "Irgendwann verliert man den Abstand. Ich hab das Gefühl, ich habe mich die letzten achtundvierzig Stunden auf ein Augen konzentriert." Sie nickte, als wolle sie verständnisvoll wirken, aber nicht wirklich nachvollziehen konnte, wie man sich so in etwas vertiefen konnte.
"Was war diesmal der Auslöser?" Sie musterte mein Gesicht ausgiebig. Es wunderte mich immer wieder, gut sie mich kannte. Sie zog mich immer wieder damit auf, dass man mir alle Gedanken und Gefühle von der Stirn ablesen konnte. "Ich bin jemandem begegnet." Ich ignorierte meine roten Ohren und schenkte ihr ein Glas Milch ein. Sie nahm es mir mit ihren schlanken Fingern ab und ihr blutroter Nagellack leuchtete auf der bleichen Farbe der Milch. "Danke." Sie lächelte mich an und ihre fast schwarzen Augen strahlten. "Wer ist dieser jemand?" Ich lehnte mich mit meinem Glas gegen die Arbeitsfläche und ließ meine Augen durch die Wohnung huschen. Mir war nicht mehr klar, ob ich Mia rausgelassen hatte oder nicht. Ich war mir ja nicht einmal mehr sicher, ob ich sie gefüttert hatte. "Es spielt keine Rolle. Wir werden uns eh nicht mehr sehen." Ich bemerkte ihr Stirnrunzeln im Augenwinkel und sah wie sie auch die andere Hand, um das Glas legte. "Ist gerade diese Tatsache, der Grund für deinen Zustand?" Ich war mir nicht sicher, ob sie mit meinem Zustand mein Äußeres oder der Umstand des Malens meinte, aber fragte nicht. "Ich bin mir nicht sicher.", sagte ich leise und bildete mir ein das Zucken von Mias Schwanz unter meinem Bett zu entdecken. Aber vielleicht spielten mir meine übermüdeten Augen auch Streiche.
"Dürfte ich dein Werk sehen?" Wenn man müde war, verging die Zeit anders als sonst. Ich sah ihr wieder ins Gesicht. "Ja. Wenn du willst." Sie lächelte mit ihren Kirschlippen, trank einen Schluck aus ihrem Glas und schlang sich eine Strähne um einen Finger, bevor sie das Glas abstellte und sich von Tisch schwang. Ihr bunt gemusterter Rock raschelte leise. "Hinten?" Sie nickte in Richtung meines Ateliers. "Ja." Sie ging vor, schlängelte sich am Tisch und dem Bett vorbei, als würde sie hier schon seit immer leben. "Das hier?" Sie sah zur Leinwand und verschränkte ihre Arme. Ich stellte mich knapp hinter sie und mir fiel mal wieder auf, wie klein sie war. Sie reichte mir gerade einmal knapp bis zum Kinn. "Ja." Sie musterte es ein paar Momente lang still und aufmerksam und ich spürte, wie Nervosität an meinem Magen nagte. "Es ist ein Junge.", stellte sie dann nüchtern fest, doch ihre Überraschung hatte sich leise in ihrer Stimme verfangen. "Ich dachte du hättest dich plötzlich Hals über Kopf in ein Mädchen verliebt und jetzt... Wow." Sie erwiderte den Blick von Lysanders Abbild, das uns unterkühlt musterte.
"Wie findest du es?" Ich wusste, dass ich vermutlich noch nie soviel Herzblut in ein Bild gesteckt hatte und ich hatte Angst vor ihrem Urteil. "Es ist etwas over the top." Ich sah sie fragend an, doch sie biss sich bloß auf ihre Lippe, um nicht breit zu grinsen. "Als ob jemand so schön ist..." Ich lachte verlegen und schob sie wieder Richtung Küche. "Dich hat es ganz schön erwischt. Nicht?" Sie grinste wissend und platzierte sie wieder auf dem Tisch. "Es ist vollkommen irrelevant.", entgegnete ich bloß. Sie schnalzte tadelnd mit der Zunge. "Für dich anscheinend nicht." Ich verdrehte gespielt genervt meine Augen.
"Soll ich uns etwas Kochen, aus dem was ich hier noch Essbares finde und du rasierst dich wenigstens mal?", wechselte sie das Thema.
Sie hatte schon immer gewusst, wann sie bei einem Thema nicht mehr weiter bohren sollte. Ich strich über mein Kinn, wo ich die widerspenstigen Borsten spürte, mit denen ich immer so alt aussah. "Das klingt gut. Aber wenn du tatsächlich etwas Essbares findest wäre das ein Wunder." Sie lachte leise. "Hau schon ab." Ich zog grinsend hinter mir den Vorhang des Bades zu und sah in den Spiegel. Ich sah noch schrecklicher aus, als ich es mir vorgestellt hatte. Meine Hautfarbe war blass und wirkte ungesund, während sich die grauen Ringe unter meinen Augen geisterhaft davon abhoben. Die schwarzbraunen Stoppeln, die meine Wangen und mein Kinn bedeckten gaben mir in Kombination der zerzausten, in alle Richtungen abstehenden Haare das Aussehen eines Obdachlosen und ich blinzelte mir müde entgegen. Eigentlich müsste ich duschen, aber ich wollte sie nicht zu lange warten lassen. Außerdem wusste ich wie schnell sie etwas zu Essen zaubern konnte und mein Hunger übertraf mein Verlangen nach einem sauberen Körpergefühl. Seufzend spritzte ich mir etwas Wasser ins Gesicht.

Ich wusch den weißen Schaum aus meinem Gesicht und aus dem Waschbecken. Da hatte man schon seit man siebzehn ist einen Bart und konnte sich immer noch nicht rasieren.
Ich strich mit meinen Fingerspitzen über den brennenden Schnitt an meiner Wange. Pflaster im Gesicht sahen immer so melodramatisch aus... Und wo hatte ich nur das Desinfektionsmittel? Ich stieß mir den Kopf am Waschbecken an, als ich ein Klingeln an der Haustüre hörte und hochschreckte.

Curiosity and Fortune.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt