Lysander #5

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Lane sah mich mit zusammengezongenen Augenbrauen an. "Wieso bin ich daran schuld, dass ich dich falsch abfrage, wenn du nicht so schreiben kannst, dass man es lesen kann?" Ich seufzte genervt und sah ihn an. Wir beide wussten, dass ich nichts von ihm hielt und das machte das Zusammenleben mit ihm in einer WG nicht sonderlich angenehmer. "Meine Schrift ist gut leserlich." "Deine ys sehen aus wie gs und deine gs wie zu weit nach unten gerutschte se. Außerdem..." "Ist ja gut!", fuhr ich ihn an. "Ich helfe dir nicht, weil..." Mein Handy blinkte und drehte sich vibrierend um seine eigene Achse. Ich sah auf den Display, seufzte, lehnte mich zurück und verschränkte meine Arme. "Willst du nicht rangehen?" Er sah neugierig auf mein Handy. "Wer ist Nervensäge?" Als mir eine Idee kam, während er seinen Blick fragend und neugierig auf mich haftete. "Mach dich mal nützlich und geh ran!" Eine seiner Augenbrauen wanderte in die Richtung seines Haaransatzes. "Wie bitte? An dein Handy?" "Ja. Und tu so, als seist du mein Freund." Er stutzte und starrte mich immer noch an. Ich schob ihm ungeduldig mein Handy zu. "Mach schon. Und schalte auf Lautsprecher." Er wirkte immer noch verwirrt, aber tappte auf dem Bildschirm meines Handy herum bis sich knackend der Lautsprecher anstschaltete. "Lys?", klang es aus den kleinen Boxen des Handys. Seine Stimme klang verzerrter als sonst. Lane grinste mich an. Ich verdrehte die Augen und sah ihn auffordernd an. "Was willst du von ihm?" Er bekam es hin, genau den richtigen Anteil Langeweile und Abweisung in seine Stimme zu legen. Einen Augenblick lang klang nichts durch die Leitung, als das sonstige Rauschen. "Wer bist du?" Er klang leicht verunsichert und ich unterdrückte ein Grinsen. "Ich bin sein Freund. Und du?" Ein eindeutiges Seufzen wurde durch die Kabel zu uns getragen. "Sein privater Pizzabote. Kannst du ihn mir jetzt geben?" Lane sah mich fragend an und am liebsten hätte ich ihm das Handy zugeschoben oder aufgelegt oder es aus dem Fenster geworfen. Stattdessen nahm ich es, bedauernd dass mein Plan nicht aufgegangen war, stellte die Lautsprecher aus und legte es an mein Ohr. "Was ist jetzt schon wieder?" "Lief deine Klausur gut?" Er hatte sich gemerkt, dass ich heute meine Prüfung hatte? Einen Moment schwieg ich. "Ich denke schon.", sagte ich dann, da er sich anscheinend tatsächlich dafür interessierte und nicht bloß rhetorisch gefragt hatte. "Freut mich." und es klang wirklich danach. "Was willst du?" "Er ist nicht dein Freund, oder?", fragte er schon weiter, statt auf meine Frage zu reagieren. Einen Moment schwieg ich und sah zu Lane, der mich neugierig musterte. "Wieso interessiert es dich?" Er lachte leise. "Ich würde dich trotzdem weiter nerven, also kannst du mir auch die Wahrheit sagen." Er klang davon überzeugt, dass Lane nicht mein Freund war. Konnte er Menschen so gut einschätzen oder riet er ins Blaue? "Ja, ist er nicht.", sagte ich resigniert und strich mir durch die Haare. Sein Grinsen klang durch die Leitung. "Verstehe." Ich seufzte. "Dann kannst du ja auch mit mir ausgehen.", fügte er hinzu. "Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?" Ich gab mir nicht die Mühe zu verbergen, wie genervt ich war, aber anscheinend prallte das an ihm ab. "Drei Stunden deiner Zeit und dafür lasse ich dich, den Rest deines Lebens in Ruhe." "Wer garantiert dafür?", fragte ich skeptisch. "Na, du musst dich schon auf mein Wort verlassen." "Meine Antwort heißt immer noch 'Nein'." Er schwieg ungewöhnlich lange für seine Verhältnisse, bis er "Zwei Stunden." rausplatzte. Wolle er jetzt ernsthaft mit mir um Zeit feilschen? "Für dich wären sogar fünf Minuten zu viel geschenkte Zeit.", entgegnete ich kühl. "Dafür telefonierst du aber lange mit mir." In seiner Stimme klang sein halbes Lächelns, halbes Lachen mit. Es klang schön. Als habe sich ein Fünkchen Sommer in ihr verfangen. Bevor ich mich wieder zurechtweisen und ihn anfahren konnte, schallte hinter ihm ohrenbetäubend laut Musik los. "Bleib dran.", sagte er knapp und legte das Handy ab. Die Musik wurde leiser und er sagte genervt "Mia." Kurz trat Stille ein, im Hintergrund hörte man leise the cat empire. Er hörte sogar anständige Musik. "Entschuldige.", sagte er, als er wieder ans Telefon ging. "Wer ist Mia? Deine Freundin?" Meine Stimme klang plötzlich um einige Grad kälter und mich wunderte die Wut, die in meiner Brust hochkochte. Ich würde es ihm so sehr Zutrauen ein Date mit mir haben zu wollen, während er gleichzeitig eine Freundin hatte. "Mia? Meine Freundin?" Er lachte warm und in meinen Fingern kribbelte die Wut. "Nein." Aber er gab auch keine Erklärung dazu ab, wer sie sonst war. Ich biss meine Zähne zusammen. Er war mir gegenüber zu keiner Rechtfertigung verpflichtet, also wieso ärgerte es mich so? "Alles okay?" "Ja, natürlich.", fauchte ich wenig überzeugend. "Ich kann bloß meine Zeit nicht an dich verschwenden." Die Wut schlängelte sich bis vor zu meiner Zunge. "Du würdest uns beide Zeit sparen, wenn du einfach ja sagen würdest.", sagte er hartnäckig und jetzt in einem geschäftsmäßigen Ton. Für ihn war das alles ein Spaß, in dem es um seinen Ehrgeiz ging, aber ich wollte nicht der Depp sein, der sich darauf einließ. "Träum weiter." Ich hörte sein Seufzen durch die Leitung. "Du hörst von mir.", sagte er und legte auf. Genervt legte ich mein Handy auf den Tisch. Ich wusste, dass er endlich letzten Satz ernst meinte. "Wer war das?" Lane hatte ich beinahe vergessen. "So ein Typ." "Werde genauer.", forderte er. "Ich musste schließlich deinen Freund spielen." Ich sah ihn skeptisch an, aber behielt das was ich über diesen Satz dachte für mich. "Als ich meinen Bruder abgeholt habe, hat er mich geküsst." Seine Augen wurden größer und ich sah ihm an, dass er etwas sagen wollte. "Er ist hetero und will nur unbedingt mal ein Date mit einem Jungen erleben." Er nickte. "Und du gehst daher aus Prinzip nicht mit ihm aus." Es war eine nüchterne Feststellung, wofür ich ihm insgeheim dankbar war. Ich wollte mich nicht von jemand beurteilen lassen, der jeden Abend mit irgendeinem anderen billigen Mädchen nach Hause kam. Ich nickte knapp. "Sein wievielter Anruf ist das?" Ich strich mir übers Gesicht. "Zweiter." "Und nach dem wievielten willst du mit ihm ausgehen?" Ich zog meine Augenbrauen zusammen und sah ihn böse an. Er stützte bloß sein Kinn auf seiner Handfläche ab. "Nach dem vierhundersten." Er verzog sein Gesicht genervt, wobei es eher so aussah als hätte er Zahnschmerzen. "Machst du dann eine Strichliste, um es nicht aus den Augen zu verlieren, oder...?" Ich verdrehte die Augen. "Mach dich nicht lächerlich. Ich gehe nicht mit ihm aus." "Zu schade. Seine Stimme klang sexy." Er lachte, stand auf und schob mir die Karteinkarten zu, die er mich abgefragt hatte. Ich seufzte und starrte auf die oberste. Das schlimmste war nicht, dass er nicht aufgab und immer noch anrief, sondern dass ich nicht wusste wie lange ich noch den Unnahbaren spielen und ihn auf Abstand halten konnte. Es war offensichtlich, dass das heute nicht der letzte Anruf bleiben würde und die Frage war, ob er früh genug aufgab, sodass ich mich nicht mehr erweichen lassen konnte oder es schließlich doch auf ein Date hinaus laufen würde...

Curiosity and Fortune.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt