Lysander #11

520 69 3
                                    

Ich spürte seine Augen auf meinem Gesicht und wich ihnen aus. Er stellte so viele Fragen und ich beantwortete sie, damit der Gedanke aufzustehen und zu gehen nicht zu groß wurde. Ich ärgerte mich über mich selbst. Ich wollte nicht gehen und Abstand zwischen uns bringen, weil ich seine Nähe nicht ertrug. Viel mehr, weil sie mir viel zu sehr gefiel. Was man psychologisch daran wohl analysieren wkonnte? Aber für mich war es ganz klar. Vermutlich musterte er mein Gesicht und überlegte sich, wie es wohl aussähe, wenn ich stöhnend unter ihm läge. Ich hatte schon so viele erste Male an diesen Typen verschwendet, da würde ich ihm ganz sicher nicht auch noch dieses geben.
Ich stoppte zu reden, doch er sah mich bloß weiterhin an. Ich erwiderte seinen Blick, seine Augen strahlten interessiert und irgendwie auch fasziniert. Sah er auch die ganzen Mädchen, die er umgarnte so an? Kein Wunder, dass sie ihm zu Füßen lagen...
Ich biss mir auf die Lippe und senkte meinen Blick auf meinen Teller auf dem das Rührei und der Toast mittlerweile kalt lagen. "Alles in Ordnung?" Wieso klang seine Stimme so salbungsvoll und so ehrlich besorgt? Ich zwang mich dazu seinen Blick kühl zu erwidern. "Natürlich." Mein Messer klackte hell auf den Teller, als wolle es meine Worte widerlegen und ich bemerkte sein Stirnrunzeln, doch ich konzentrierte mich auf mein kaltes Spiegelei. "Hast du heute noch etwas vor?" Ich ließ meine Gabel sinken, die ich gerade angehoben hatte und sah ihn an. "Wieso? Hattest du etwas geplant?" Ich ließ das für uns weg. Es hätte zu hoffnungsvoll und gemeinschaftlich geklungen. In seinen Augen funkelte etwas, das ich nicht deuten könnte und zu schnell einem Lächeln wich, als dass ich es hätte erkennen können. "Ich hatte bloß gedacht, dass wir noch etwas Zeit miteinander verbringen könnten, wo heute doch unser letzte Tag ist." Es sagte es, als sei es nichts Besonderes; als habe er schon viele letzte Tage mit vielen Menschen gehabt. Und ich ärgerte mich darüber, dass es mir insgeheim etwas ausmachte. Er besaß diese Selbstverständlichkeit über Dinge zu sprechen, von denen ich gar keine Vorstellung zu haben schien. "Und was willst du in dieser Zeit machen?", fragte ich forschend und legte mein Besteck ganz zur Seite. Kalter Speck und kaltes Ei schmeckten sowieso nicht. Ein Funkeln lag über seinen Augen, das siegessicher wirkte. Es ließ Wut in mir aufsteigen; erinnerte es mich doch bloß daran, dass das alles für ihn bloß ein Spiel war. Ich biss meine Zähne zusammen. Wieder presste sich der Wunsch zu gehen gegen seine Haut, aber diesmal tatsächlich weil ich seine Gegenwart nicht mehr aushalten zu können schien. Ich ballte die Hand unterm Tisch zur Faust. "Im alten Teil der Stadt gibt es ein fantastisches Kunstmuseum sowie ein leerstehendes Haus, das man gesehen haben sollte. Und im Westen müsste heute auf ein Flohmarkt sein. Da findet man im..." Ohne das ich es bemerkt hatte war ich aufgestanden und er sah zu mir auf. Seine Stirn leicht in fragende Falten gelegt. Sie verliehen seinem sonst so perfekten Gesicht einen Makel, aber zu meinem Ärger machte ihn das nicht unattraktiver. "Ich sollte gehen.", stellte ich fest. Meiner Stimme hörte man nicht die ganzen sich widersprechenden Gefühle an, die mir das Denken schwer machten und mir das Gefühl gaben haltlos und überfordert zu sein, als würde es plötzlich nicht mehr genug Luft zum Atmen geben. Er setzte zu einem Widerspruch an, doch ich wollte nichts hören. Ich vergewisserte mich, dass sich alles, was ich dabei gehabt hatte in meinen Jackentaschen befand und stieß die Türe nach draußen auf. Die frische Luft von draußen roch nach Sonnenschein und frisch keimenden Pflanzen. Ich eilte ihr entgegen, als hätte ich mich zu lange unter Wasser befunden. Die Straße und die Menschen huschten an mir vorbei, während ich sie entlang ging und mich zwang nicht zu rennen. Ich wollte Abstand zwischen uns bringen. Die Gefühle, die er in mir auslöste beiseite wischen, mit ihm in dem Café zurück lassen und nie wieder einen Gedanken an ihn verschwenden. Doch so leicht war es nicht. Ich war erleichtert, dass er mir nicht folgte. Erst als ich den Kies unter meinen Schuhsohlen knirschen hörte bemerkte ich, dass ich mich in dem Park befand, in dem ich früher immer mit den Hunden spazieren gewesen war, die ich ausgeführt hatte, um mir das Geld für die Miete der Wohnung zu beschaffen. Ich ließ mich auf eine der grünen Bänke fallen, deren Metallstränge kunstvoll zu ineinander greifenden Ranken, Blumen und Blättern geformt worden war. Ich spürte die Kühle durch meine Jeans und schloss die Augen. Es roch nach frisch gemähtem Gras auf das die Sonne geschienen hatte und treibende Bäumen. Es war ein viel zu schöner und ruhiger Morgen um dermaßen aufgewühlt wegen eines Typen wie ihm zu sein. Aber ich war es und ich ärgerte mich darüber. Er bekam es hin mit einer kleinen Regung in seinem Gesicht meine ganzen Gefühle über den Haufen zu werfen. Zuerst hatte ich nicht mehr erwarten können von ihm wegzukommen, weil er mir zu sympathisch würde und es bei seinem Lächeln und seinen Blicken viel zu leicht schien, dass ich ihn ins Herz schloss und vergaß dass ich für ihn bloß ein Versuchskaninchen war. Und dann diese Momente in denen ich diese Tatsache nicht ausblenden konnte und sich die Wut über ihn, mit dem unterhaften Gefühl von leisem Neid in mir mischte. Er sah so gut aus, er konnte unbefangen mit anderen Menschen umgehen und hinterließ vielleicht nicht immer die besten Eindrücke, aber er blieb immer im Gedächtnis hängen. Neben ihm kam ich mir so blass und farblos vor. Und jedes Mal, wenn ich diesen Neid in mir spürte musste ich mich auch noch vor mir selbst rechtfertigen, dass ich nicht deshalb so unausstehlich zu ihm war, was mich noch mehr ärgerte. Wieso musste er unbedingt eine Person sein, bei der man so viel durchgehen ließ? Wieso hatte gerade ich derjenige sein müssen, den er hatte küssen wollen?
Ich öffnete meine Augen, atmete ein paar Mal tief durch, versuchte die Gefühle beiseite zu schieben. Ich war nicht auf dem Café gestürmt, bloß um mich jetzt abermals unter ihnen begraben zu lassen. Ich war ihn los. Das war der Grund gewesen, weshalb ich mich tatsächlich auf dieses Treffen eingelassen hatte. Er würde sich nicht mehr bei mir melden und daher waren auch die Gefühle, die mich überrollt hatten vollkommen lächerlich. Ich atmete noch einmal tief durch und endlich durchströmte mich die lang ersehnte Erleichterung.

Curiosity and Fortune.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt