Sirius #9

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Ich spürte seinen Blick auf mir, während Musik und der Duft nach frisch gekochtem Essen und Tee durch die Küche wehten. "Du studierst also Kunst?", fragte er schließlich, wobei es mehr nach einer Feststellung klang. Ich lächelte ihn an, aber er sah mich bloß durch den Dampf seiner Tasse hinweg unbewegt an. Ich bildete mir ein noch seine Lippen auf meinen zu schmecken. "Merkt man mir das so sehr an?" Er zuckte bloß die Schultern und sah sich im Raum um, als könne man alleine aus ihm alles über meine Persönlickeit schließen. "Hattest du etwas anderes erwartet." "Kein Studium." Ich zog eine Augenbraue hoch. "Ach. Wieso denn?" Er wandte mir wieder den Blick zu. "Du siehst nicht wie jemand aus, der die Disziplin für so etwas aufbringt." Wir bekam er es immer hin sobald er den Mund aufmachte meine Stimmung innerhalb von Sekunden umschlagen zu lassen? Und dann auch noch meistens ins Negative. Ich seufzte und wandte mich wieder dem Herd zu. Ich hatte lange nicht mehr so aufwendig gekocht und ich merkte wieder die entspannende Wirkung, die Kochen auf mich hatte. Vermutlich zweifelte er auch daran, dass ich kochen konnte. Ich band mir eine Schürze um und machte mich an die Arbeit bei der man sich am meisten die Hände schmutzig machte. Sein Blick hing an mir. Ich spürte ihn, ohne ihn sehen zu müssen. Er war weder beeindruckt noch verehrend, wie ich es oft bei Mädchen gesehen hatte. Auch nicht neidisch oder abweisend, wie bei den Jungs meistens. Die Kälte, die sich in seinen Gesichtszügen festgesetzt hatte war undurchdringlich wie eine Maske und ließ keinerlei Gedanken und Gefühle durchschimmern. Nur diese unterschwellige Verachtung. "Du hast mir immer noch nicht gesagt, was du studierst.", stellte ich fest. Wieso musste es gerade jetzt, wo ich handgelenktief in einer Brot-Eier-Käse-Pampe steckte hinter meinem Ohr jucken? Ich ignorierte das unangenehme Gefühl und versuchte mir seinen Gesichtsausdruck vorzustellen. Er schwieg. Seine Art seines Abneugung etwas gegenüber zu zeigen. Wenigstens das wusste ich mittlerweile. Ich versuchte nicht daran zu denken, dass ich ihn nach dem heutigen Tag vielleicht nie wieder sehen würde. Es versetzte mir einen ungewohnt heftigen Stich. Earth, Wind & Fire hatte mittlerweile begonnen einen Song zum Besten zu geben und ich versuchte mich auf den Rhythmus zu konzentrieren und meine Gedanken ungeachtet fließen zu lassen, während ich die Masse mit meinen Fingern zwischen die Blätter der Artischocken schob. Ich hätte auch ein weniger aufwendiges Gericht aussuchen können, aber für dieses hatte ich alle Zutaten da und irgendetwas in mir hatte das Bedürfnis ihn zu beeindrucken. Ich ließ die Blüten in den Topf gleiten und versuchte mich nicht zu verbrennen, bevor ich den Deckel auf den Topf setzte und mir endlich die Hände wusch. "Hast du schon einmal gefüllte Artischocken gegessen?" "Nicht dass ich wüsste." Beinahe war ich erleichtert. Dann hatte er keinen Vergleich. Ich räumte die Dinge, die noch auf dem Esstisch standen auf und deckte am anderen Ende für zwei Personen. "Trinkst du Wein?", fragte ich, während ich eine Schüssel zwischen die zwei sich gegenüber stehenden Teller stellte und einen Untersetzer. Ich nahm sein Nicken aus dem Augenwinkel wahr. "Weiß oder rot?" "Weiß." Ich nickte, ging vor einem kleinen Schrank in die Knie und zog eine Flasche heraus. "Das muss noch etwas kochen.", erklärte ich, als ich die Weißweingläser zu den Tellern gestellt und auch die Kerzenhalter heraus gesucht hatte und ließ mich auf den Stuhl fallen, der seinem schräg gegenüber stand. Er nickte wieder und trank seine Tasse aus. Mir fielen seine Finger auf. Sie waren lang und blass, wie seine ganze Haut, vereinzelte ockerfarbene Sommersprossen hatten sich darauf verirrt und jedes Gelenk war ein sanft geschwungener Hügel für sich. "Gehört das hier alles dir?" Er machte eine Handbewegung durch den Raum. Ich mochte es nicht über Besitz zu sprechen und erst recht nicht über meinen eigenen, aber wenn er mein Unbehagen bemerkte ignorierte er es geflissentlich und blickte mich kühl an. Man konnte nichts aus seinem Blick lesen und trotzdem wirkte es als würde er sich nicht vollkommen verschließen. "Also..." Ich räusperte mich und sah auf die Struktur des Holzes, statt in seine Augen. Gerade machten sich mich merkwürdig nervös. "Ja." Er gab ein Geräusch von sich, das mit keinem anderen Wort als missbilligend zu beschreiben war. "Von deinen Eltern?" Es färbte sogar auf seine Stimme ab. Ich seufzte leise. "So etwas in der Art." Ich spürte seinen durchdringenden Blick auf mir. "Du hast kein gutes Verhältnis zu ihnen." Wieder eine dieser knappen Feststellungen. Ich fuhr mir durch die Haare und zwang mich dazu ihn wieder anzusehen. "Das kann man so nicht sagen." Er zog seine Augenbrauen etwas zusammen. "Wie dann?" Ich betrachtete ihm einen Augenblick lang. "Du studierst Psychologie, nicht wahr?" Eine seiner Augenbrauen wanderte in die Richtung seines Haaransatzes, aber ein kleines Lächeln spielte um seine Lippen. "Woran hast du das erraten?" "An deiner Kreuzverhör Technik. Mein zweiter Versuch wäre Polizist gewesen." Er lachte leise und fuhr mit dem Finger über den Rand seiner Tasse. Ich starrte ihn einen Augenblick lang an. Ich hatte ihn heute lächeln sehen, aber niemals lachen. Wenn er lachte schienen seine Gesichtszüge und die Ausstrahlung von ihm, die er sonst aufsetzte mit dem klaren, hell klingenden Ton seines Lachens, egal wie klein, zu zerspringen und vollkommen neu zusammengesetzt und interpretiert zu werden. Es war faszinierend und ich konnte meine Augen nicht davon abwenden, bis seine Gesichtszüge sich wieder normal zusammensetzten. "Verstehe." Er nickte leicht und es schien wirklich so, als täte er das tatsächlich. "Aber du hast meine Frage dennoch nicht beantwortet.", stellte er dann fest und sah mich ernst an. Kurz schwieg ich. Er gab nichts von sich preis, wie könnte ich ihm dann einfach so etwas über mich verraten? Dafür hatte ich ihn zu diesem Date gedrängt. Wäre das dann nicht ein guter Tausch? Ich biss mir auf die Innenseite meiner Wange. Doch bevor ich mich für etwas entscheiden konnte nahm er mir die Antwort schon vorne weg. "Du hast bloß ein schlechtes Verhältnis zu deinem Vater.", stellte er kühl fest. Einen Augenblick lang sah ich ihn überrascht an, dann folgte ich seinem Blick, der an meiner zur Faust geballten Hand hing. Er sah zu mir auf. "Körpersprache.", erklärte er und lächelte schmal, wobei es nicht warm wirkte. Ich nickte knapp und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen; überallhin außer über sein Gesicht. Ich war noch nie gut darin gewesen über mich selbst zu sprechen. Ich strich mir durch meine Haare. "Können wir über etwas anderes sprechen?" Sein einer Mundwinkel hob sich mit einem Anflug von Schadenfreude, die sich auf seinem Gesicht abzeichnete. "Doch nicht so unantastbar wie du immer tust zu sein?" Innerlich seufzte ich. Weshalb hatte ich gedacht, dass er seine Meinung über mich so schnell ändern würde? Ich stand auf. "Ich habe nie behauptet, ich sei unantastbar." Als ich den Deckel des Topfes aufmachte schlug mir der Dampf entgegen und der Duft. Vorsichtig stupste ich die Füllung in einer der Blüten mit dem Finger an. Sie dümpelt leicht auf der Oberfläche des Eintopfes. Ich schaltete den Herd aus und wuchtete den Topf auf den Untersetzer auf dem Tisch. Lysander hatte mittlerweile die Stühle zu den Tellern geschoben und saß mit abwartendem Blick da. Gerade als ich ihm schöpfen wollte zeigte er mit einem Finger auf meinen Oberkörper. "Die Schürze." "Oh." Ich ließ die Schöpfkelle sinken, zog sie mir aus und verstaute sie in einer Schublade, während er sich selbst nahm. Er stupste die Füllung kritisch mit den Zinken der Gabel an. "Und wie isst man das?" Ich lächelte, während ich den Weißwein einschenkte und mir selbst nahm, bevor ich mir setzte. "Mit den Händen." , stellte ich grinsend fest. Er sah auf. "Was?" "Man löst ein Blatt und zieht mit den Zähnen die Füllung mit dem Fruchtfleisch ab." Er zog eine Augenbraue hoch, während ich es vormachte, aber legte schließlich sein Besteck weg. Seine Finger lösten ungeschickt ein Blatt und er tat es mir nach, bevor er skeptisch kaute und das Blatt so wie ich in die zwischen uns stehende Schüssel warf. Ich sah ihn fragend an, während er sich mit dem Kauen und Schlucken Zeit ließ. "Wow." Er klang überrascht und ich spürte wie mein Grinsen noch breiter wurde. "Das ist lecker." "Dann iss. Sonst wird es kalt." Er nickte und löste ein weiteres Blatt, während auch ich weiter aß. Es freute mich mehr als es sollte, dass er meine Kochkünste lobte. "Woher hast du so kochen gelernt?" "Von meiner Mutter." Er betrachtete mein Gesicht, während ich das sagte, als suche er etwas, Das ihm etwas zu meiner Beziehung zu ihr verriet. Dann nickte er aber bloß und versuchte an der Artischocke vorbei, die beinahe seinen ganzen Teller einnahm mit dem Löffel an den Eintopf heranzukommen. Ich nahm einen Schluck aus meinem Weinglas und lächelte leicht, als er weiter die Artischocke aß und dabei aussah, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan. Wie gerne ich ihn länger kennen würde. Jede seiner Macken kennen, seine Lieblingslieder, Filme und Bücher auswendig lernen und ihm noch mehr der Gerichte kochen, Die er noch nie gegessen hatte. Aber ich wusste ja noch nicht einmal sein Geburtsdatum und heute würde vermutlich auch die erste und einzige Chance sein wenigstens ein wenig über ihn herauszufinden. Ich wusste, dass ich sie nutzen sollte, statt schon daran zu denken, dass ich ihn nach dem heutigen Abend vielleicht nie wieder sein, Aber das schmerzhafte Ziehen in meiner Brust war schwerer zu ignorieren, als ich es gerne hätte.

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Bei den letzten beiden Kapiteln ist mir aufgefallen, dass sie nicht vollkommen veröffentlicht werden sind. Zumindest hatte es bei mir so ausgesehen, daher habe ich das wieder behoben und wollte es bloß sagen, falls ich nicht die einzige bin, bei der ein bisschen etwas gefehlt hatte.

Curiosity and Fortune.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt