Sirius #11

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"Du hättest letztes Mal dabei sein müssen! Marc und Susanne mussten sich beim Flaschendrehen küssen und sie wären ja das perfekte Paar. Zudem hat Michael den Fassrekord geknackt und...! Du hast wirklich soooo viel verpasst!" Ich sah beunruhigt zu Lysander, der sich hinter der Karte verschanzt hatte und finsterer dreinblickte den je. Nirgends war mehr das Leuchten zu entdecken, das kurz über seine Gesichtszüge geschienen hatte, als er das Bild von sich gesehen hatte. "Jill.", unterbrach ich sie sanft, als sie ansetzte zu erzählen was Clara letztes Mal angehabt hatte und dass sie sie ja so um ihr Figur beneidete. Sie sah mich mit großen, fragenden Augen an. "Könnten wir bitte einfach bloß bestellen?" Kurz huschte ihr Blick zu Lysander, dessen Augenbrauen auf einander zu gewandert waren, womit er griesgrämmiger denn je aussah. "Natürlich." Sie kramte aus der vorderen Tasche ihrer schwarzen Schürze einen zerknitterten Block und einen Kugelschreiber. "Was hätten dir Herren denn gerne zu trinken?" Wie klang etwas spitz. Sie hasste es bei ihren Schwärmereien unterbrochen zu werden. Genauso stürmte sie als sie zu heftig unsere Getränke auf den Block gekritzelt hatte, wieder hinter die Theke, wo man sie mit Besteck und Geschirr klappern hörte. Ich seufzte, strich mir durch die Haare und klappte die Karte zu. Ich wusste was ich mir bestellen wollte. "Wieso gehst du heute Abend nicht auf die Party?" Er sah mich nicht an. Seine Augen hatten noch auf der Karte, wobei ich wusste, dass er sich vermutlich auch schon entschieden hatte und mich einfach nicht ansehen wollte. Am liebsten hätte ich ihm die Wahrheit gesagt. Dass ich im Innersten hoffte, dass ich da noch mit ihm zusammen sein und Zeit mit ihm verbringen konnte, aber es lag so viel Kälte in seinem Blick, als würde er mich anfahren, wenn ich sagte, was ich dachte oder mich für naiv halten, dass er durch solche Äußerungen von mir länger bei mir bleiben würde. "Keine Lust.", sagte ich also bloß und mied seinen Blick. Endlich legte er die Karte weg. "Hab ich noch etwas bei dir?" "Nicht dass ich wüsste." Er nickte. "Dann gehe ich hiernach. Heute kannst du mich schließlich nicht aufgrund des Wetters bei dir behalten." Vermutlich war er gestern bloß geblieben, da der Alkohol in seinem Kopf die meisten Bedenken beiseite gewischt hatte. Ob er sich wohl wunderte, dass ich nicht versucht hatte mit ihm zu schlafen? Bevor ich auf seine Aussage reagieren konnte stellte Jill die Getränke vor uns ab und zückte ihren Block. "Und was soll es zu essen sein?" Sie klang immer noch zu spitz. Lysander bestellte und reichte ihr die Karten. Man sah ihrem Blick an, dass sie ihn unsympathisch fand und sie warf mir bevor sie wieder zurück an ihre Arbeit ging einen vorwurfsvollen Blick zu. "Direkt danach?" Hörte man mir meine Enttäuschung an? Er nickte knapp und sah an mir vorbei aus dem Fenster. "In Ordnung. Soll ich dich nach Hause begleiten?" Der Blick, den er mir zuwarf ließ etwas in mir einfrieren und mir lief ein Schauer über den Rücken. "Damit du dein Versprechen brechen und mich dort stalken kannst? Darauf kann ich verzichten." Ich rang mir ein Grinsen ab und versuchte so zu wirken, als hätte mich das nicht getroffen. "Verständlich. Auch wenn ich nicht der Typ zum Stalken bin." Er nickte und nahm einen Schluck aus seiner Tasse. Er wirkte nicht so, als würde er es mir tatsächlich glauben. Ich atmete langsam ein. Er irritierte mich immer noch. Ich war immer davon ausgegangen, dass meine Menschenkenntnis recht gut war. Aber seine kühle Verschlossenheit schien das vollkommen zunichte zu machen. Wir schwiegen und ich mied seinen Blick, bis das Essen kam. Jill schob mir eine Serviette zu, auf der in ihrer Handschrift, die immer aussah als würde sie gleich umkippen Wer ist denn das? Seit wann? Ich schob sie unauffällig unter meinen Teller. Die Gelassenheit von gestern, als er sogar mal gelacht hatte und ohne Bedenken auch mal etwas über sich hatte fallen lassen war nichts mehr zu merken. Vermutlich hätte es tatsächlich am Wein gelegen. Doch jetzt konnte ich Jill noch nicht einmal sagen, wie solle Alkohol in seinen Orangensaft mischen. Sie sah mich nicht einmal mehr an und jetzt wo das Glas schon vor ihm stand wäre es etwas auffällig. "Ist es anspruchsvoll Psychologie zu studieren?", fragte ich und versuchte ein Stück Speck aufzuspießen, während er an seinem Milchshake nippte. Es zersprang unter den Zinken meiner Gabel. "Fakten auswendig zu lernen und zu wissen wann Sigmund Freud wo geboren wurde ist nicht sonderlich schwer." Sein Blick streifte mich nicht einmal. "Es geht vielmehr um das Verstehen der menschlichen Psyche und das ist so kompliziert wie sie selbst." Hinter seinen Augen leuchtete etwas auf. Die Faszination wegen der er dieses Fach studierte. Ich hatte ein Thema gefunden, über das er gerne sprach. Ich starrte ihn an, während Jack Johnsons Gitarre über unseren Köpfen aus den Lautsprechern sickerte.
Ich hätte früher auf dieses Thema stoßen können. Er sprach weiter und ich legte mein Besteck weg. Ich war hungrig, aber nicht auf das Essen, das vor mir auf dem Teller lag und fantastisch roch. Ich war hungrig nach seinen Worten. Ich wollte mehr über ihn erfahren, seiner Stimme zuhören und ihn ansehen. Ich zwang mich nicht daran zu denken, dass es vielleicht der letzte Tag war, dass ich die Chance dazu hatte und achtete bloß darauf, wie sich seine Gesichtszüge veränderten, wenn er von einer Sache zu einer anderen schweifte, wie er sich immer wieder mit seinen langen, schlanken Fingern dieselbe Locke hinters Ohr strich, die sofort wieder dahinter hervorsprang und ich fragte mich, ob ihm das überhaupt bewusst war. Ich achtete darauf wie seine Schlüsselbeine unter dem Saum seines T-Shirts hervortraten, während er atmete und redete, wie seine Augen überallhin schweiften -Fußgänger auf der Straße beobachteten, meine Hände ansah, die ich unter meinem Kinn verschränkt hatte, die Teller, die Wände- alles kurz sreifte, alles bis auf mein Gesicht. Vielleicht konnte er so besser vergessen, dass er mit mir sprach. Er sah überallhin, bis auf mein Gesicht und ich achtete lediglich auf seine Mimik. Ich wollte den Schwung seiner Augenbrauen nachfahren, seine Haut berühren, in seine Augen sehen, während er meinen Blick erwiderte. Aber um ihn herum lag die Bestimmutheit in der Luft, die besagte, dass ich es mir damit mit ihm verhauen würde. Wir hatten nur noch so wenig Zeit... Und so blieb mir nichts anderes übrig, als ich Fragen zu stellen, um ihn weiter reden lassen zu können, ihm dabei zuzusehen und so viele Eindrücke in mich aufzusaugen und in meinem Kopf abzuspeichern, wie ich bloß irgendwie konnte.

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So. Urlaub vorbei. Und ich bin wieder zurück.
Ich musste erst wieder in die Schule und den Alltag finden, weshalb das Erste Kapitel erst jetzt kommt. Ich hoffe bloß es gefällt euch. ^^

Curiosity and Fortune.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt