Verbitterte Rituale

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Dalia wusste ganz genau was sie wollte. Dachte Sie zumindest. Sie hatte bis jetzt doch schon einiges erreicht; Wohnung gekauft, Ihren langjährigen Freund geheiratet, wurde zur stellvertretenden Leitung in ihrer Anwaltskanzlei befördert, erhielt für ihre Arbeit ein ausreichendes Gehalt wovon John und Sie ordentlich davon lebten und sich ab und an aufregende Urlaube in fernen Ländern wie Thailand, Shanghai und Neuseeland leisten konnten und sie hatten darüber nachgedacht einen Hund zu adoptieren.

Eigentlich alles fast perfekt. Fast.

John war ihr langjähriger bester Freund und Vertrauensperson seit vielen Jahren.
Sie kannten sich seit ca. 11 Jahren, seit 6 Jahren waren sie gemeinsam als Partner in einer Beziehung und seit 2 Jahren sogar verheiratet. Insgesamt ist er nun seit stolzen 7 Jahren an ihrer Seite. Er hat sie so ziemlich in jeder Lebenslage gesehen und begleitet, mal mehr und mal eher weniger interessiert.

John machte ihr damals den Antrag während ihrer Reise nach Thailand. Er hatte sich für den Strand entschieden, da Dalia in Italien geboren und aufgewachsen ist und so ziemlich jeden Tag am Strand verbracht hatte.

Rückblick aus Dalias Kindheit:

[Sie rannte durch den heißen Sand, der durch die Mittags Sonne erhitzt wurde und einem förmlich die oberste Hautschicht der Fußsohlen verbrennen konnte. Das war ihr damals aber egal. Sie rannte den Strand entlang, so weit ihre Füße sie tragen konnten, kühlte ihre überhitzten Füße im kühlen Wasser und rannte weiter. Sie sog alles mögliche um sich herum ein, um keinen einzigen Augenblick zu verpassen und jedes Bild tief in ihrem Gehirn als Erinnerung zu speichern.
Ohne irgendwelchen Sorgen rannte sie los, bis sie schlussendlich an ihrer Lieblingsstelle ankam. An einer kleinen Bucht die damals eher ein „Insider-Tipp" für Leute mit kleinen Motorboten war, lief sie auf große Felsen und Steine zu, die wie eine gigantische Wand wirkten. Zwischen diesen riesigen Anthrazitfarbenen Felsen verbarg sich eine Öffnung in die sie hineinrutschte. Tief in der Erde bezauberte ein schier unendlich großes Labyrinth an Höhlengänge. Das Licht das von außen hineinschien traf auf Stalaktiten die von einer Patina aus Moosflechten überzogen waren und so für den märchenhaften grünen Schimmer sorgten. Es war jedes Mal ein neuer und einzigartiger Anblick in den sie sich immer wieder neu verliebte. Hier konnte sie ewig verweilen. Sie legte sich auf den kühlen Sand und stützte sich auf ihre Ellenbogen. Sie lies ihren Kopf herum wandern und schließ bei jedem neuen Bild was sie sah, ihre Augen, als würde sie ein Foto mit ihren Augen schießen um diesen Moment festhalten zu können. Sie bedankte sich für all die Schönheit die ihr von der Erde geschenkt wurde und verweilte weiter in ihrer Höhle.
An diesen Ort kommt sie gedanklich sehr gerne und sehr oft zurück. Das war ihr geliebter „innerer sicherer Ort" an den sie sich mittels Vorstellungskraft und Imaginationsübungen hinbefördert. Wann immer Sie sich ausgebrannt fühlte, z.B. nach einem harten Tag in der Kanzlei oder auch nach einem Streit mit John, beförderte sie sich in Gedanken an diesen Ort. Dort fühlte sie sich geborgen und beschützt.]

So wie jeden Abend gingen John und Dalia am Strand von Koh Jum entlang spazieren. Selbst wenn sie den ganzen Tag mit Sonnen und Baden verbracht hatte, sie würde nie genug von diesem Anblick kriegen. Der Antrag den sie von ihm bekam war wie John; persönlich, direkt und simpel. Ohne viele Worte von gemeinsamen, vergangenen Tagen oder Charaktereigenschaften die er an ihr schätzte, ging er auf die Knie und fragte, ob Sie ihn heiraten möchte. Das reichte ihr voll und ganz. Sie malte sich ihre Zukunft mit ihm ganz genau aus und stellte sich alles in kleinstem Detail vor.
Sie war voller Euphorie und konnte es kaum erwarten.

In diesen zwei Jahren Ehe hatte sich viel getan zwischen John und Dalia.
Die alltäglichen Aufgaben die anstanden, wurden abwechselnd erledigt, den Wocheneinkauf erledigte John, penibel nach gemeinsam geschriebener Liste, jeden Samstag. Wenn sie abends nach ihren Job's zuhause eintrafen, wurde am Esstisch miteinander gegessen und sich über den Tag ausgefragt und ausgetauscht. Danach verbrachten sie ihre restlichen 2-3 Stunden auf der Couch vor dem Fernseher beim gemeinsamen Film oder Serie schauen, bevor es ins Bett ging.
Tag für Tag spielte sich dieses Szenario ab. Manchmal, und das nicht sehr oft, gingen sie bereits nach dem Abendessen ins Bett um miteinander zu schlafen. Vorher geplant und eher wenig romantisch.
Das Feuer, das zwischen ihnen mal wütete, war schon längst erloschen. Sie lebten nebeneinander her, erledigten Sachen routiniert gemeinsam. Ausflüge, die sie so geliebt hatten, wurden nicht mehr unternommen da es an Zeit mangelte. An wochenenden besuchten sie ihre Familien und erledigten Aufgaben die sie unter der Woche nicht geschafft hatten. Zeit für Gemeinsamkeiten existierte nicht mehr.

Compass ; (Sebastian Stan FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt