Leid

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Mit schweren Augen und angespannter Körperhaltung starrte sie an die überaus interessante weiße Decke die sich, auch nach weiteren 40 Minuten, noch immer nicht verändert hatte. Es war ein Gefühl von Leere. Kontrollverlust. Nicht mehr in der Lage sein, über sein eigenes Leben zu bestimmen. Der vergangene Abend hatte wieder ein tiefes Loch in ihre Brust gegraben. Dieses mal wollte es sich auch nicht so schnell füllen lassen. Das konnte sie spüren. Das würde noch eine Weile schmerzen. Nichts desto trotz quälte sie sich aus dem Bett. Sebastian schlief noch friedlich neben ihr. Sie brauchte jetzt dringend Kaffee um ihre Müdigkeit zu bekämpfen. Langsam stapfte sie in ihren kuschel Socken nach unten in die Küche. Sie trödelte und brauchte geschlagene 20 Minuten um die Kaffeemaschine zu richten. Nach einer gefühlten Ewigkeit nahm sie einen großen Schluck des warmen Gebräu zu sich und schloss die Augen bei dem Geruch von frisch gemahlenen Bohnen. Ein herrlicher Duft. Sie saß eine Weile in der Küche bis sie beschloss Duschen zu gehen und sämtliche unschöne Reste vom Vorabend weg zu waschen. Normalerweise hätte sie das bereits gestern Abend gemacht, aber sie war viel zu erledigt um überhaupt noch auf ihren Beinen zu stehen. Viel zu erledigt war die Untertreibung des Jahrhunderts. Sie hat sich angefühlt als wäre sie Überfahren und irgendwie wieder zusammen geflickt worden. Ein komisches Gefühl zu wissen, das die liebsten Menschen die dunkelsten Geheimnisse kannten. Sie fühlte sich Nackt und verletzlich. Aber irgendwie hatte es etwas melancholisches. Endlich wussten beide Bescheid. Endlich keine weiteren Lügen mehr erzählen. Endlich keine Angst mehr haben. Naja, vorerst. Noch war er in Gewahrsam aber mal sehen für wie lange. Die Zeit würde alle Wunden heilen. Nach ihrer erfrischenden Dusche ging sie ins Wohnzimmer und lies sich auf die Couch fallen um fern zu sehen.Sebastian schlief noch. Sie wollte ihn nicht wecken, schließlich hatte er genau so viel durchgemacht wie sie. Für ihn war es genau so schlimm einfach nur zu schauen zu können und seiner Freundin nicht helfen und beistehen zu können.

Das wünschte er wirklich keinem. Ihr Magen knurrte und sie beschloss Mittagessen zu kochen. Auch von Joyce hatte sie bis jetzt noch nichts gehört. Sicher muss das auch für sie schlimm gewesen sein. Vor allem da sie sich so viele Selbstvorwürfe machte. Sie litt ebenfalls. Für jeden hatte Dalia Verständnis. Außer für sich selbst. Sie zwang sich so normal wie möglich weiter zu machen. Sie wollte es einfach verdrängen. Nicht mehr daran denken. Sie wollte es nicht weiter zu einem Teil ihres Lebens machen. Verständlich. Aber auch sehr ungesund. Als die Eier und der Speck in der heißen Pfanne brutzelten und ihren feinen Geruch durch das gesamte Haus verteilten, stand nun auch ein verschlafener Sebastian in der Küche der sich unsanft die Augen rieb. Ein tiefes „Guten Morgen" kam aus seinem Mund und Dalia drehte sich zu ihm um. Sie setzte ihr freundlichstes Lächeln auf ihr Gesicht und lief grinsend auf ihn zu. Fast schon euphorisch. Sie schlang ihre Arme um ihn und umarmte ihn fest. Er drückte ihr einen Kuss auf den Kopf und hielt sie in seinen Armen. „Guten Morgen Schlafmütze! Wie hast du geschlafen?" Er musterte sie. Ihre Reaktion war für ihn unpassend auf das vergangene Geschehen. Irgendwas stimmte ganz gewaltig nicht. „Ganz in Ordnung und du?" Er beobachtete wie sie sich wieder dem Herd zu wandte und die Eier wendete. Der köstliche Geruch von angebranntem Speck umarmte seine Nase und lud zum Magen knurren ein. „Toll!" sagte sie und drehte sich zu ihm. „Ich dachte wir könnten heute etwas unternehmen? Wir könnten in den Park gehen oder vielleicht in ein Schwimmbad, was hältst du davon?"

Etwas überfordert stand er an der Küchen Theke und stützte sich mit seinen Armen darauf ab. „Ich weiß nicht so recht, Dal.." zögerte er und kratzte sich am Hinterkopf, „glaubst du nicht es wäre eine gute Idee wenn wir zu Hause bleiben und über gestern sprechen?" Ihr Blick verfinsterte sich und sie drehte sich ruckartig wieder um. Mit schnellen Bewegungen schwenkte sie den Kochlöffel in der Pfanne umher und zerstörte damit das zarte Eigelb. Es verlief in der kompletten Pfanne und bedeckte den knusprig braunen angebrannten Speck. „Ich glaube es würde dir gut tun, Liebling." Dalias Bewegungen waren nun hektischer und aggressiver. Nun musste auch der Speck drunter leiden. Er wartet auf eine Reaktion von ihr. Er ging noch einen Schritt auf sie zu und legte seine Hand auf ihren Rücken. „Liebling?" fragte er vorsichtig nach. Dalia stand völlig apathisch vor dem Herd und starrte auf den Inhalt der Pfanne. Ihr Blick war gerade aus gerichtet und kalt. Er streichelte ihr etwas fester über den Rücken und starrte sie von der Seite an. Sie atmete tief ein und lies durch ihren leicht geöffneten Mund kontrollierte Luft heraus bevor sie sich zu Sebastian wandte. „Es wäre gut für mich?" fragte sie angeregt. Er könnte die Anspannung in ihrer Stimme hören. „Woher willst du schon wissen was gut für mich ist? Glaubst du es tut mir gut hier zu sitzen, an ihn zu denken und darüber zu reden? Willst du von mir hören wie furchtbar eklig ich mich fühle? Möchtest du hören, wie gedemütigt ich mir vorkomme? Willst du wirklich das ich das letzte Fünkchen Stolz welches ich in mir habe, vor deinen Augen wegwerfe? Willst du wirklich das ich mich wie das letzte Stückchen Dreck fühle?" Sie hatte ihre Fäuste geballt und ihre Augen weit aufgerissen. Ihre Brust hob sich schnell auf und ab. Er sah ihr in die Augen und erkannte sie nicht wieder. In ihren Pupillen fand sich nur Hass und tiefe Abscheu. Nicht über Michael. Sondern über sich selbst. Er wusste das sie sich die Schuld dafür gab und sich wahnsinnig dafür schämte. Er wollte die Situation etwas entschärfen damit sie mit klarem Kopf miteinander sprechen konnten. Er wollte gerade seine Hand auf ihre Schulter legen als sein Gesicht einen Ruck nach links machte. Seine Wange brannte und fühlte sich warm an. Sie hatte ihm eine Ohrfeige verpasst und starrte ihn wutentbrannt an. Was zum Teufel war in sie gefahren? So kannte er sie definitiv nicht. Sie erhob ihre Hand und zeigte mit ihrem Zeigefinger auf ihn und spitzte ihre Lippen bevor sie sprach: „Wage es nie wieder mir zu sagen was für mich gut wäre. Du hast nicht das Recht dazu für mich zu entscheiden." Ihr scharfer Ton löste etwas ihn ihm aus. Sie fühlte sich plötzlich so fremd an, ganz und gar nicht seine Dalia. „Liebling, ich dachte nur dass dir viell-." „Hör auf zu denken. Überlasse mir das bitte selbst! Ich weiß besser was mir gut tut und was nicht. Hör auf mich zu bevormunden, ich bin kein kleines Kind!" Ihr Ton wurde lauter und gereizter. „Dann hör auf dich wie eins zu benehmen und rede normal mit mir!" zischte er zurück.

Compass ; (Sebastian Stan FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt