Okay, nochmal, du willst Läuferin werden? Das ist neu!“, meinte Minho anklagend, als wir in einem kleinen Häuschen waren, damit wir drei ungestört reden konnten. „Es will nie jemand Läufer werden. Das ist verrückt!“, pflichtete ihm Newt bei. „Solltet ihr denn nicht froh sein? Vielleicht finden wir so schneller den Ausgang. Das ist doch gut, dass...“ Ich wurde von Minho unterbrochen. „Nein. Du bist ein Mädchen. Du kannst nicht einfach als Frischling hier rein marschieren und Läufer werden, verdammt!“, rief er aufgebracht. „Nimm mich mit. Nur einen Tag. Wenn ich ausreichend bin, dann nehmt ihr mich zu den Läufern, wenn nicht, werde ich Hackenhauer oder so. Minho, nur einen Tag!“, bat ich und sah ihn dabei fest an.
„Ein Tag. Wir werden sehen was dabei raus kommt. Wenn du gestochen wirst, werde ich dich persönlich verbannen!“, meinte er bedrohlich nach einer langen Pause, sah mich noch einen Moment an und verschwand dann. „Puh!“, machte ich und sah Newt grinsend an. Sein Blick war ängstlich. besorgt. Er machte sich Sorgen um mich. Wie süß. Ich umarmte ihn schnell und ging dann zum Abendessen. Er folgte mir.
„Bist du dir auch sicher? Das ist echt gefährlich. Ich will nicht, dass dir was passiert!“, meinte Newt, nachdem er sich zu mir gesetzt hatte. Ich lächelte ihn an und nickte. „Ich bin mir sicher. Ich muss den beweisen, dass Mädchen was drauf haben!“, lachte ich und sah mich kurz um. Natürlich entdeckte ich sofort Minho, der mich wie in Starre musterte. Was er wohl gerade denkt. Er saß allein und das gefiel mir nicht. „Isst Minho immer allein?“, fragte ich einfach. Die anderen waren auch offen und ich musste mich ja anpassen. Newt schaute sich um und schüttelte den Kopf. „Eigentlich ist immer jemand um ihn rum, aber er ignoriert sie. Er ist eher Einzelgänger“, erklärte er mit vollem Mund und ich nickte. „Du musst morgen früh raus. Bevor die Mauern sich öffnen“, wechselte Newt das Thema. Ich nickte. „Da sollt ich wohl jetzt!“, meinte ich und stand auf.
Erst bemerkte ich nicht, dass mir jemand folgte, doch als ich das Haus betrat, hatte ich da so ein komisches Gefühl. Ich drehte mich blitzschnell um und erkannte Minho. Natürlich. Der Kerl jagte mir immer mehr Angst ein.
„Oh. Hey“, lächelte ich und ging weiter. „Willst du wirklich Läuferin werden?“, fragte er auch schon. Ich stieg die Treppe, die schon wieder komisch knarrte, nach oben und drehte mich dann zu ihm um. „Ja. Ich will es wirklich. Ich hatte erst Angst, aber jetzt... Minho, ich finde es echt süß, dass du und Newt euch Sorgen macht, aber ich bin mir sicher. Ich denke wirklich, dass ich das schaffen kann“, meinte ich und lächelte leicht. „Dann sehen wir uns morgen“, meinte er gleichgültig und drängte sich an mir vorbei. Da es nur ein schmaler Flur war, streifte er mich und hinterließ dort ein warmes Gefühl. Mein Atem ging beschleunigt, als er kurz vor mir stand. Ganz nah und er sah mich mit diesen unglaublichen Augen an. Sein Atem streifte meine Haut und sein Arm berührte den meinen. Es war nur ein sehr kurzer Moment, dann war er in seinem Zimmer verschwunden und ließ mich zurück. Ich atmete tief durch und ging dann auch in mein Zimmer. Was machte der Kerl nur? Das war echt gruselig!
Ich schlief sofort ein, als ich mich ins Bett legte, und wachte erst auf, als die Sonnenstrahlen mir ins Gesicht schienen.Ich hüpfte zum Frühstück, wo ich mich neben Minho setzte und ihm beim Essen zusah. Er schaute gleichgültig zu mir und dann wieder weg. „Willst du nichts essen?“, fragte er. „Zu aufgeregt“, antwortete ich und er schob mir ein fertiges Brötchen zu. „Iss, sonst schaffst du´s heut wirklich nicht“, meinte er und ich gehorchte. Hatte er mir ernsthaft ein Brot vorbereitet? Das nenn ich aufmerksam!
Als wir fertig waren, warf er mir ein Rucksack zu, wo ich noch etwas zu trinken verstaute. Wir liefen zum Südtor, wie Minho es nannte, und er befestigte noch ein längliches Messer an meinem Gürtel. Dabei war er mir einfach wieder so nah wie letztens. Konnte er endlich aufhören mich aus der Bahn zu werfen? Ich gliederte mich gerade richtig ein und dann kam er mit seinen warmen Augen und seinen Muskeln und machte mich fertig! Grr!
„Hier sind die Regeln: hör niemals auf zu rennen, merk dir den Weg und schau dich niemals um, verstanden? Als erstes hältst du dich an mich“, erklärte er und ich nickte. Er lief los, als sich die Tore öffneten, ich hinter ihm, nachdem ich seine geschmeidigen Bewegungen beobachtet hatte. Er sah echt verdammt nicht schlecht aus.
Ich hielt gut mit, so bemerkte ich, als die Sonne am höchsten stand und wir gleich Pause machten. Wir schwiegen uns schon den ganzen Weg über an. Ich hatte zwar ein – zwei Gespräche versucht, aber er hatte nur knapp geantwortet. Es war keine bedrückende Stille, aber ich wollte einfach mehr über ihn erfahren. Das Gefühl zerquetschte mich beinahe.
„Du schlägst dich bis jetzt gut“, meinte er, als wir unsere verdiente Pause einlegten. „Danke“, grinste ich und sah ihm dabei zu, wie er aus seiner Flasche trank. Ich lächelte bei dem Anblick und nahm selbst einen Schluck. Er hatte mir tatsächlich ein Kompliment gemacht. Schockierend!
Wir liefen noch eine ganze Weile, bis ich etwas hörte. Es war nicht sonderlich laut, doch es kam auf uns zu. „Minho? Hörst du das?“, fragte ich und er schaute sich stirnrunzelnd zu mir um. Ich holte ihn ein und versuchte so leise wie möglich zu laufen. Das metallische Geräusch wurde immer lauter und ich sah mich etwas ängstlich um. „Griever!“, flüsterte er und nahm an Tempo zu. Mein Herz setzte vor Angst einen Schlag aus und ich versuchte Minho zu folgen, was nicht ganz so leicht war. Wir rannten so schnell und leise wie möglich, doch das Geräusch blieb hinter uns. Meine Angst wurde immer größer und schnürte mir die Kehle zu. Es wurde zwar leise, verschwand aber nicht ganz.
„Haben wir es abgehängt?“, fragte ich leise, als ich es nicht mehr vernahm und Minho nickte. Wir wurden langsamer und fielen wieder in unser ursprüngliches Tempo. Ich atmete vor Erleichterung tief durch. Minho hatte jedoch immer noch die Stirn gerunzelt. Anscheinend dachte er nach, aber über was? Ich fragte nicht nach. Es ging mich ja auch nichts an.