Tränen liefen langsam über meine Wangen und doch konnte ich mich nicht bewegen. Ich sollte zu ihm. Jetzt sofort. Ihm helfen. Doch ich konnte nicht. Alles was ich tat, war ihn anzustarren. Wieso lief ich denn nicht los? Als die Tore kurz vorm schließen standen, sprang Thomas in das Labyrinth. Ich ließ mich gegen die Mauer fallen, als die Gesteine fest aneinander lagen. Ich weinte stumm vor mich hin, machte die ganze Nacht kein Auge zu. Sie würden wiederkommen. Sie mussten einfach. Das war der einzige Gedanken, der mich weiter atmen ließ. Ich saß einfach die ganze Zeit an der Mauer und wartete auf ein Lebenszeichen, von dem Menschen, den ich am meisten liebte. Ich hatte mir geschworen, bis zum nächsten Tag auf sie zu warten. Wenn sie nicht kämen, hieße es, dass sie gestorben wären. Aber Hoffnung ließ mich warten. Die Lichter unterstützten mich, indem sie sich alle vor das Tor niederließen und da schliefen. Ich aber zupfte ungeduldig Grashalme ab und riss sie auseinander. Dann ratterte es langsam und die Tore öffneten sich. Ich sprang sofort übermotiviert auf und wartete nur darauf, dass der Spalt sich breit genug öffnete, damit ich rein konnte. Ich sprintete sofort los, doch es wartete niemand auf der anderen Seite. Ich blieb stehen, drehte mich langsam wieder zu der Meute um, die sich aufgerappelt hatten, und schüttelte den Kopf. Doch plötzlicher Jubel brach aus und ich drehte mich wieder zurück zum Labyrinth. Da kam wirklich Minho und Thomas. Sie stützten Alby und ich rannte auf sie los, nur damit ich Minho um den Hals fallen konnte. „Ich hasse dich dafür, dass du mich hast warten lassen“, flüsterte ich. Er zog mich noch fester an sich und ich atmete seinen Duft ein. „Leute? Er wird langsam schwer!“, meldete Thomas sich und ich ließ Minho mit errötenden Wangen los. „Sorry.“
„Habt ihr Griever gesehen?“, fragte Chuck, als wir den Ausgang erreichten. „Ja, ich hab ein gesehen“, antwortete Thomas. „Er hat ihn nicht nur gesehen. Er hat ihn gekillt!“, fügte Minho hinzu. Unglaublich!
„Der wird ganz sicher ein Läufer!“, murmelte ich in Minho´s Halsbeuge, als ich ihn noch einmal umarmte. Man merkt erst was man hat, wenn es nicht mehr da ist. Wie wahr. Aber ich wusste, was ich mit Minho hatte. Das es so weh tun würde ihn zu verlieren, hätte ich trotzdem nie gedacht.
Wir versammelten uns in einem tiefergelegten Häuschen. Es besaß am Eingang eine Tribüne, wo wir Untergeordneten uns hinsetzten, gegenüber gab es eine Bank, wo sich Thomas hinsetzten sollte. Die 6 Hüter, sowie Newt stellten sich vor uns hin. Gally hielt eine kleine Ansprach und schlug dann vor, Thomas für seine Tat zu bestrafen. „Gally, er hat...“, weiter kam ich nicht, denn durch Meute hinter mir überhörte man alles restliche, was ich sagen wollte.
„Minho, du warst mit ihm da drin, was denkst du?“, richtete sich Newt an meinen...Freund? Ach, das würde ich später klären.
Minho hielt ebenfalls seine Ansprache und meinte dann, Thomas sollte ein Läufer werden. Ich lächelte, als er mich ansah und nickte unauffällig. Sofortiges Gemurmel erfüllte den Raum, aber Newt grinste ebenfalls. Das nenn ich beschlossene Sache unter Freunden!
Gally ging sofort dazwischen. Er hasste den Frischling ja richtig! Nun ja, er wurde von einem metallischen Geräusch unterbrochen. Keine Sorge, das war kein Griever, aber es kam mir bekannt vor: die Box. „Sie kommt wieder rauf?“, fragte ich flüsternd, aber Minho verstand es. Alle liefen aus dem Haus und sofort zur Mitte der Lichtung, wo die Box schon hochgefahren war. Newt war als erster da und sprang hinein. „Newt, was ist da?“, fragte ich sofort. Er schaute zu mir hoch, den gleichen Blick wie an meinem ersten Tag. Das konnte nur eines bedeuten. „Ein Mädchen“, antwortete er. „Noch eins?“, rief jemand aus der Menge. Sie lag bewusstlos auf dem Boden. „Sie hat was in der Hand“, flüsterte ich und sprang ebenfalls runter, um mir das Zettelchen zu schnappen. „Sie ist die letzte. Für immer“, las ich laut vor, runzelte die Stirn und las noch einmal lautlos. „Was zur Hölle...?“, bevor ich meinen Satz beenden konnte, wachte sie auf. Und sagte nur einen Namen, bevor sie wieder die Augen schloss und einschlief. Thomas.„Du bist sicher, dass du sie nicht kennst, denn sie scheint dich zu kennen?“, fragte Newt leicht gereizt, als wir den Krankenflügel betraten und an ihrem Bett stehen blieben. „Newt“, versuchte ich ihn zu beruhigen und ergriff seinen Arm. „Er kann nichts dafür“, flüsterte ich und er sah mich entschuldigend an. „Selbst du erkennst deinen Bruder“, flüsterte er zurück. Ich hatte ihm von meinen Träumen erzählt. Nicht alles, aber ein Großteil. Er hatte mir aufmerksam zugehört und neugierig Fragen gestellt, die ich ihm aber kaum beantworten konnte.
„Was machen wir jetzt mit ihr?“, fragte ich und sah mich in der Runde um. Minho und Newt zuckten zeitgleich mit den Schultern und Thomas verschwand aus dem Raum, als ihm anscheinend etwas einfiel. Minho und ich liefen ihm hinterher und stellten ihn zu Rede, wo er denn jetzt hin wolle. „Ins Labyrinth“, war seine Antwort darauf. Verdammt waren diese Jungs gesprächig. Nicht. „Was ist mit dir? Lebensmüde? Gerade raus und dann gleich wieder rein?“ Minho hatte seinen sarkastischen Ton aufgelegt, den ich so anziehend fand, und runzelte dabei die Stirn. „Wir haben ein Griever getötet, Minho. Ich muss da rein und mir das genauer ansehen“, meinte Thomas und deutete auf das Südtor. „Du hast recht. Aber du gehst nicht allein!“, entgegnete ich. „Wir treffen uns in einer halben Stunde am Wald“, ordnete Minho an und lief los. Ich ihm hinterher. Da alle Läufer heute morgen bei Minho gekündigt hatten, lag es jetzt an uns ein Ersatz zu finden. Für den Moment natürlich. „Ich geh zu Bratpfanne“, meinte ich schnell und lief auf den Koch zu. „Hey Pfanne. Ich hab ein Problem“, fing ich an und er sah zu mir. „Was gibt´s?“
„Da die Läufer heute morgen gekündigt haben, da sie totale Waschlappen sind, haben wir zu wenig Leute, um ins Labyrinth zu gehen. Thomas will den Griever auseinander nehmen, den er geschlachtet hat“, erklärte ich in Schnelldurchlauf und sah ihn mit diesem typischen Mädchen-Blick an. Nach einem kleinen Wortgefecht knickte er ein und ich umarmte ihn kurz, bevor wir zum Wald liefen.