Ein dunkelhäutiger Junge namens Alby führte mich herum, nachdem Newt mich abgegeben hatte. Er stellte mir Winston, Gally und die anderen drei Hüter vor, die alle recht nett waren, und kletterte mit mir dann auf eine Art Aussichtsplattform. Er meinte, dass ich den sechsten Hüter noch kennenlernen würde, da er gerade nicht da war und dann verfielen wir in kurzes Schweigen. „Wir haben hier drei Regeln. Erstens: Leiste deinen Beitrag. Unsere Zeit ist begrenzt und dafür sollten wir sie sinnvoll Nutzen! Zweitens: Tu niemanden was an. Ohne Vertrauen würden wir hier untergehen und glaub mir, das willst du sicher nicht. Drittens ist die wichtigste Regel: Geh niemals weiter als bis zur Mauer. Das gilt nur deinem eigenen Schutz. Dahinter lauern Gefahren, die du dir nicht einmal vorstellen kannst“, erklärte er und ich hörte ihm genau zu. Es brachte jetzt nichts Panik zu schieben. Ich würde versuchen müssen ruhig zu bleiben. Auch wenn ich eine Höllenangst hatte. Verdammt! Ich kannte hier niemanden! Ein paar der Jungs schienen mir zwar sympathisch. Ach, was redete ich? Nur Newt und Alby schienen nett zu sein! Die anderen hatten nur gegafft, was mich tierisch genervt hatte.
Ich wiederholte die Namen der fünf Hüter immer wieder in meinem Kopf, um wenigstens irgendwas zu tun zu haben. Es war wie ein Mantra, das mir half mich zu konzentrieren. Das mir half ruhig zu bleiben. Auch wenn meine Gedanken wie verrückt rasten, hörte ich nur auf die fünf Namen. Winston, Gally, Zart, Bratpfanne (was für ein Name) und Clint. Ich atmete tief durch und stellte dann ein paar Fragen. Warum wir hier waren. Wer uns hier rein gesteckt hatte und wie lange wir noch hier sein werden. Diese Fragen wurden meist mit 'keine Ahnung' oder 'wissen wir nicht' beantwortet. Na ganz super.
Alby brachte mich dann in ein Zimmer, wo ich schlafen sollte. „Da wir noch nie ein Mädchen hatten und einige der Jungs schon viel zu lange hier sind, wirst du bei Newt schlafen. Er ist der Vernünftigste unter uns“, erklärte Alby und ich nickte. Dreißig oder mehr hormongesteuerte Jungs und ein Mädchen. Wunderbar! Hallo Ironie, wo hast du dich denn versteckt gehabt?
„Danke Alby!“, sagte ich schnell, als er an mir vorbeiging, um mich allein zu lassen. Er lächelte leicht und ging dann. Ich setzte mich auf das provisorische Bett und sah mich um. Es gab zwei Fenster, zwei Betten und die Tür. Alles in allem sah es etwas kahl aus, aber es gefiel mir. Und außerdem mochte ich Newt. Er war der erste der mir mal etwas erklärt hatte und irgendwas sagte mir, dass wir gute Freunde werden würden.
Ich hatte viel Zeit nachzudenken, als ich hier saß, also fiel mir auch langsam mein Name ein. Skyla. Nicht schlecht fürs erste. Es klopfte an der Tür und Newt steckte den Kopf rein. „Wir haben eine Überraschung!“, grinste er und ich lächelte. Als wir auf den Weg nach unten waren, erklärte er mir noch einiges. Zum Beispiel was Klonk bedeutete und warum sie mich Frischling nennen würden. „Wenn dir dein Name einfällt, sag einfach Bescheid.“ „Skyla“, flüsterte ich und Newt sah mich blitzschnell an. „Das ging schnell“, bemerkte er und ich lächelte erneut. „Die Läufer müssten auch bald wiederkommen“, meinte er, als er zum Himmel schaute. Abenddämmerung. „Was sind Läufer?“, fragte ich vorsichtig. „Das sind die, die jeden Tag durch diese Tore gehen, um den Ausgang zu finden.“
Ich folgte Newt´s Blick und sah riesige Mauern. Wieso waren die mir erst nicht aufgefallen? Wir waren wie eingekesselt. Auf jeder Seite gab es eine Wand und jede Wand hatte einen Ausgang, doch nur einer war offen. Panik stieg wieder in mir hoch und mein hektischer Blick erfasste alles von den Mauern. Wie hoch der Efeu wuchs, welche zu deutliche Ritze die Mauern hatten und welche Muster sie besaßen. „Ich dachte, wir dürfen hier nicht raus!“, flüsterte ich, da sich langsam meine Kehle zu schnürte. Die Panik war so greifbar und doch ließ sie sich nicht abschütteln.
„Läufer dürfen das. Sie sind die Stärksten und Schnellsten von uns und das müssen sie auch sein, denn jeden Abend schließen sich die Tore und bleiben über Nacht auch zu. Niemand überlebt eine Nacht im Labyrinth“, sagte Newt düster. Ich runzelte die Stirn, fragte aber nicht weiter nach, da sich die sogenannten Läufer uns näherten. Einer blieb direkt vor uns stehen. Er sah echt gut aus. Er war Asiat, eindeutig, und hatte nicht wenig Muskeln. Seine dunklen Augen fixierten mich. Sein Blick wirkte gelangweilt, kalt, doch er hatte etwas vertrautes an sich. „Die Box hat ein Mädchen gebracht?“, fragte er sofort und sah erst mich, dann Newt an. „Ja, ungewöhnlich, aber zu bewältigen. Das ist...“ „Skyla“, unterbrach ich Newt. „Das ist Minho. Der Hüter der Läufer“, stellte Newt ihn vor. Ich lächelte gezwungen, doch er lief einfach weiter, ohne ein weiteres Wort. „Nicht sehr gesprächig“, stellte ich fest und sah ihm nach. Newt lachte leise und führte mich dann zu einem Lagerfeuer. Dort lachten die Jungs schon und schwenkten alle einen Becher. „Trink lieber wenig von dem Zeug!“, flüsterte Newt und meine Mundwinkel zuckten nach oben. „Was ist das?“
„Keine Ahnung. Hat Gally gebraut. Der Hüter der...“
„...Baumeister. Ich weiß. Alby hat mir die Hüter vorgestellt. Ich bin also informiert!“, unterbrach ich ihn und er grinste leicht.
Ich unterhielt mich viel, lernte die Lichter näher kennen und wir hatten viel Spaß zusammen. Doch den ganzen Abend spukte mir Minho im Kopf herum. Er war so desinteressiert gewesen und doch hatte er dieses Glitzern in den Augen.
'Mensch Sky, hör auf! Er hat dich wahrscheinlich nur angesehen, weil er lange kein Mädchen mehr gesehen hat oder so. Das ist ein verdammter Kerl, der seit einem Jahr oder vielleicht länger auf einer Lichtung voller Jungs fest sitzt. Hormongesteuert, weißt du noch?'
Verdammter Klonk, mein inneres Ich machte mich gerade rund.