Ich wachte vor den Sonnenstrahlen und allen anderen auf. Perfekt. Dann konnte ich in Ruhe duschen gehen. Ich nahm also meine Klamotten und mein Handtuch und machte mich auf den Weg. Ich duschte nicht lang, denn es könnte immer noch jemand auftauchen. Und dieser Gedanke war einfach beängstigend. Ich wickelte mich ins Handtuch ein und sah mich kurz im Spiegel an. Meine Oberarme waren aufgekratzt. Vermutlich von gestern. Als die Erinnerungen wieder an die Oberfläche stießen, zuckte ich zusammen und Tränen traten in meine Augen. Gally hatte recht gehabt. Ich sollte aufpassen wem ich hier vertraute. Es durfte nicht mehr so schrecklich schief gehen wie gestern! Erst jetzt bemerkte ich, wie ich zitterte und die Luft angehalten hatte. Ich schien das Ganze doch weniger zu verkraften, als vorerst angenommen. Ich zog mich so schnell an wie möglich und band meine nassen Haare zu einem hohen Zopf. Newt hatte mir eine Kiste gegeben, mit viel zu viel Mädchenzeug darin. Für das Meiste wusste ich nicht einmal Verwendung.
Ich traf mich mit Minho wie anscheinend jeden früh beim Frühstück und begegnete seinem besorgten Blick. „Mir geht’s gut, Minho. Wirklich. Hast du gut geschlafen?“, fragte ich und sah ihn mit einem leichten Lächeln an. „Es ging!“, meinte er schulterzuckend und erwiderte meinen Blick. Sein prüfender Blick lag den halben Tag auf mir. Als wir das Labyrinth betraten war Minho langsamer als sonst. Lief immer neben mir und sah mich immer mal wieder an. Wir redeten nicht, aber ich spürte, das er sich Sorgen machte. Das passte so überhaupt nicht zu ihm. Er war sonst kalt, abweisend, aber seit gestern hatte sich anscheinend viel verändert.
„Du bist heut langsam. Was ist denn los?“, fragte ich und schaute ihn kurz an. „Hab nicht viel geschlafen. Außerdem muss ich ja auf dich aufpassen!“, überspielte er das Problem. Darauf würde ich noch einmal zurückgreifen, aber das konnte ich irgendwann anders tun. Eigentlich ging es mich ja immer noch nichts an. „Danke, dass du gestern da warst. Im Wald und später in meinem Zimmer. Ich wäre durchgedreht ohne dich.“ Ich blickte ihn nicht an. Meine Füße waren aber heut auch interessant. Eigentlich wollte ich das Thema nicht ansprechen. Ich wollte es lieber in einer Kiste gut verstaut in meinem Inneren wissen, aber das konnte ich ja später auch noch erledigen. Minho lächelte. Vielleicht dachte er über gestern nach. Als meine Lippen seine Wange berührt oder unsere Finger sich gekreuzt hatten. Ich musste sofort schmunzeln. Selbst mir hatte es gefallen. Ich mochte es, wenn meine Haut kribbelte, sobald sie seine berührte, oder wenn er mich ansah, spürte ich dieses positive Ziehen in meiner Magengegend. Es gab mir jeden morgen Kraft aufzustehen und ein Adrenalinstoß, wenn ich zu langsam war.
„Wie gesagt, ich bin dein Hüter. Das ist meine Pflicht“, antwortete er und sah mich an. Ich erwiderte seinen Blick. „Ich mag dich, Skyla und fühl' mich für dich verantwortlich. Nicht nur weil du eine Läuferin bist, weil wir befreundet sind“, erklärte er.Minho sah fertig aus, als wir das Labyrinth verließen. So müde hatte ich ihn noch nie gesehen. „Geht´s dir wirklich gut?“, fragte ich und sah ihn besorgt an. „Ich hab nicht geschlafen“, meinte er dann genervt und sah mich mit diesem Blick an, mit dem Gally mich immer musterte. Ich schluckte. Er machte sich ja wirklich Sorgen um mich. Ich blieb stehen und hielt ihm am Arm fest, sodass er ebenfalls anhalten musste. „Du darfst dir nicht solche Sorgen um mich machen. Das ist nicht gut für dich!“ Erst jetzt sah ich die Augenringe unter Minho´s Augen. Sie ergaben einen Kontrast. Es tat mir richtig weh ihn so erschöpft zu sehen. Und das wegen mir. Mein Bauch kribbelte schon wieder so komisch.
Die nächsten Wochen wurden nicht anders, doch Läuferin zu werden, war das Beste was mir passiert war, seit ich in der Box aufgewacht war. Ich war den ganzen Tag weg von den gaffenden Jungs, immer an Minho´s Seite und den restlichen Tag bei Newt oder Gally und auch Minho wich mir beim Laufen nicht mehr von der Seite. Wenn wir aus dem Labyrinth kamen, war er es, der mich entweder zu Newt oder Gally brachte. Er hatte zwar immer diesen Blick drauf, aber sagen tat er nichts. Alles in allem durfte ich kaum eine Minute allein sein. Außer beim Duschen verstand sich. Ich fühlte mich trotzdem nicht ganz wohl, dass die drei so auf mich aufpassen mussten. Wir hatten Newt und Gally erzählt, was an jedem Abend geschehen war, damit sie wussten, warum ich immer bei ihnen hockte. Minho kam jeden zweiten Abend in mein Zimmer und wartete dort mit mir auf Newt. Ich hatte keine Angst allein zu sein. Doch ich war froh Minho an meiner Seite zu wissen. Ihn bei mir zu haben. Ich fand einfach das Gefühl toll, dass ich empfand, wenn er bei mir war. Es war kein heftiges Gefühl, aber mit jeden Tag, wenn ich mit ihm lief oder wenn er neben mir auf meinem Bett saß, wurde es stärker. Ich versuchte es zu unterdrücken, aber es kam immer wieder.Also hier saßen wir nun. Sahen uns an. Sagten nichts. Bis ich die Stille durchbrach. Typisch. „Jeden Tag das selbe“, flüsterte ich, sah aber auf seine Finger. „Was meinst du?“, fragte er. „Wir machen jeden Tag das selbe. Stehen auf, laufen ins Labyrinth, zeichnen unsere Karten, du schiebst mich zu Gally oder Newt ab und dann sitzen wir auf meinem Bett und reden“, erklärte ich und hob meinen Blick. „Soll ich dich allein lassen?“, schmunzelte er und machte Anstalten aufzustehen, doch ich hielt sein Arm fest und zog ihn somit zurück aufs Bett. Er war mir diesmal noch näher. Seine Hand glitt zu meiner Taille und er beugte sich langsam vor. Ich hielt den Atem an. Mein Herz beschleunigte sich. Meine Haut kribbelte überall. Aber bevor irgendwas passieren konnte, wurde die Tür aufgestoßen und wir fuhren auseinander. Wie klischeehaft! Newt kam ins Zimmer, sah uns beide an, schüttelte den Kopf und lief dann zu seinem Bett. „Ich geh dann“, meinte Minho nur und lief aus dem Zimmer. Ich stöhnte genervt und sah dann zu Newt. Erst jetzt merkte ich, wie gut er aussah. Ohne Zweifel. Aber ich empfand für ihn wie für einen Bruder. Wie für einen besten Freund. Schon wieder so ein tiefgründiger Tag. Verdammter Klonk! Ich stand von meinem Bett auf und ging zu meinen besten Freund, um in daraufhin zu umarmen. „Ich hab dich lieb Newt“, flüsterte ich. Seine Arme schlossen sich um meinen Körper und er drückte mich an sich. „Ich dich auch Sky“, lächelte er. „Warum so tiefgründig?“ „Ich hab gerade meine Phase!“ Seine Brust, auf der mein Kopf lag, vibrierte, als er lachte. „Geh lieber schlafen“, grinste er und drückte mich leicht von sich. Auch wenn er mich und Minho eben gestört hatte, konnte ich ihm nie böse sein. Ich mein, wie konnte man ihm auch böse sein?