Kurz bevor ich an diesem Nachmittag das Klassenzimmer von Frau Gerding betrat, wunderte ich mich, wie Herr Miller heute drauf war. Ich wusste nicht, was er gemacht hätte, wenn mein Etui nicht zu Boden gefallen wäre. Hätten wir uns geküsst? Und wenn ja, hätte es mir überhaupt gefallen? Ist Herr Miller überhaupt schwul? Oder war die ganze Situation nur in meinem Kopf so geschehen? Mich überkam leichte Panik, bis ich bemerkte, dass Herr Miller überhaupt nicht im Schulzimmer war. Zum Glück. Ich ging also, erleichtert wie ich war, zu meinem Platz und liess mich auf den Stuhl plumpsen. Ich unterhielt mich mit meinen Freunden und die Klasse wurde lauter. Bis die Klingel ertönte und wir uns hinsetzten. Er kam herein. Nicht ein Blick in die Klasse. Er war sichtlich angespannt. Herr Miller schrieb Aufgaben an die Tafel, die wir erledigen sollten. Er selber surfte wahrscheinlich im Internet. Es sah jedenfalls so aus, so wie er seine Stirn runzelte. Ich setzte mich an die Aufgaben. Dave schubste mich leicht an und deutete auf den Zettel, den er vor mir hingelegt hatte. Unauffällig und sorgfältig machte ich ihn auf, da es totenstill in der Klasse war und Herr Miller gehört hätte, wie ich einen Zettel entfaltete. Ich las ihn. Er war von Lydia:
Hey Baby! Auch wenn wir letztes Mal unterbrochen wurden, will ich es trotzdem nochmals versuchen. Komm heute nach der Schule zu mir und wir "reden" ein bisschen. Küsschen!
Mir war klar, dass Dave mitlas, er war immer schon neugierig gewesen. Er grinste mich unverschämt an. Was würde ich denn überhaupt machen? Immerhin war es heute schon Freitag. Irgendwie wollte ich nicht zu ihr gehen, andererseits konnte sie mich ablenken. Und mir war schliesslich auch klar, dass Herr Miller keinerlei Interresse an mir hatte, das sah man ihm an. Er hatte mich heute noch nicht eines Blickes gewürdigt. Was sollte ich also tun? Ich entschied mich, ihr vorerst noch nicht abzusagen. Wenn jemand etwas mit mir unternehmen wollte, würde ich zusagen und Lydia sagen, ich hätte keine Zeit. Wenn aber niemand etwas sagt, würde ich mich wohl mit ihr ablenken.
Ich wartete also den Tag ab. Die Stunde bei Herr Miller war nichts Besonderes gewesen, wir mussten einfach einige Aufgaben machen und zum Schluss wurden sie korrigiert. Als man die Klingel hörte waren alle, einschliesslich mir, erleichtert. Ich musste aus diesem Zimmer verschwinden. "Was stresst du denn so?", hörte ich eine quierlinge Stimme hinter mir. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich gerannt war. Ich drehte mich zu der Stimme um und schaute in braune Teddybäraugen. Sie war richtig klein, ich musste mich fast bücken, um mit ihr anständig zu reden. "Emma, Sorry. Aber ich brauche einfach frische Luft, das ist alles." Ihre roten Haare, lagen ihr zerzaust über die Schulter. Sie trug ihre engsten Jeans, wodurch man ihre beinahe perfekte Figur sah. Ihre Sommersprossen kamen hervor. Emma war gleich alt wie wir und war in meiner Stammklasse, seit Jahren. Wir waren einmal kurz zusammen gewesen, aber dieses Thema wollten wir endgültig ruhen lassen. Nun waren wir echt gute Freunde, und das war doch auch was.
Sie lächelte mich an und ich rannte weiter. Hinunter zur Cafeteria und weiter, bis ich im Untergeschoss ankam. Dort kam grundsätzlich niemand vorbei. Alle waren immer ein Stockwerk weiter oben, weil der Ausgang im Untergeschoss offiziel abgeschlossen war. Naja, nur offiziel. Ich hatte früher einmal als Strafe dem Hausmeister helfen sollen, durch den bin ich zum Abwartsschlüssel gelangt. Er hatte ihn liegen lassen und es war ihm erst ein paar Wochen später aufgefallen. Natürlich hatte ich ihn behalten, denn nur so hatte ich immer Zutritt in alle Zimmer und durch alle Türen. Deswegen war es für mich auch kein Problem im Untergeschoss hinaus in die Luft zu kommen, bei der mich niemand stören konnte. Ich war gern hier, es war wie mein Zufluchtsort geworden. Ich setzte mich auf die abgelegen Stufen und schaute in die Sonne. Ich seufzte tief und schon ging es mir ein Stück besser. Bis ich urplötzlich in Tränen ausbrach. Ich hatte wirklich keine Ahnung, warum. Dann dämmerte es mir. Es war der Todestag meines Vaters. An diesem einen Tag fühlte ich mich immer leer und irgendwann, meistens wenn ich allein war, begann ich zu weinen. Es war nicht immer einfach, aber wo war es das denn? Ich hatte ja immer noch meine Mutter und meine kleine Schwester, zusammen würden wir das überstehen. Das hatten wir bisher auch.
Eine Weile sass ich noch so da, bis ich plötzlich eine Stimme etwas oberhalb von mir hörte. Ich erkannte sie mit einem Wort. "Casey? Was tust du gerade? Egal! Lass das sein und such dir einen Ort, wo du alleine sein kannst. Du weisst, was ich vorhabe, Baby." Ich lauschte aufgepasst zu. "Heute Abend komme ich zu dir und küsse dich. Ich öffne dein Mund sanft und führe meine Zunge ein. Dann massiere ich mit meinen Händen deinen Busen, ich küsse sie und liebkoste sie. Ich ziehe dich aus." Ich bemerkte, dass auch ich geil wurde, auch wenn die Wörter nicht an mich gerichtet waren. Ich tat einfach so. Noch bevor ich es erklären konnte, hielt ich meine Errektion in den Fingern und massierte mich. "Dü spürst sie unter dir. Meine Errektion. Du hast mich so geil gemacht, Baby! Ich drücke dich gegen die Wand und hebe dich hoch. Ich küsse dich den Hals hinab. Du bist so geil, Baby! Ich kann nicht mehr, muss mich in dich einführen." Er begann zu stöhnen. Und ich war drauf und dran zu kommen. Hier, unter der Treppe, während er mit seiner Freundin Telefonsex hatte. Ich konnte einfach nicht anders bei dieser Stimme. Ich war wie hypnotisiert.
Als ich plötzlich endlich realisierte, dass er eine Freundin hatte, am Telefon, da war meine Beule weg. Sehr hastig im Übrigen. Mir fiel die Entscheidung nun deutlich leichter, was ich heute Abend tun würde.
Ich nahm mein Handy und schrieb Lydia eine SMS:
Ich komme heute um neun zu dir.