Kapitel 27

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Es war Morgen und ich lag in seinen Armen. In seinen wunderbaren, muskulösen und warmen Armen. Somit war nun wohl endgültig bewiesen, dass ich das ganze nicht nur geträumt hatte. Es war alles so fremd für mich. Noch nie hatte ich so empfunden und ich wusste, Andy ging es da nicht anders. Ich lächelte. Alles schien im Moment so perfekt. Aber eben, nur im Moment.

Der gestrige Abend war so schnell vergangen. Ich hatte gestern meiner Mutter telefoniert und ihr gesagt, ich würde bei einem Freund schlafen. Das genügte ihr und sie liess mich. Ich glaube, sie dachte, ich würde wieder ein Mädel aufreissen. Darüber zu reden hatte sie nie Lust und ich ebenso.
Aber naja, es war halt kein Freund. Es war jemand, mit dem ich hoffte zusammenzukommen, obwohl ich wusste, dass er gleich empfand wie ich. Das klang schon merkwürdig, musste ich zugeben. Aber er war nunmal mein Aushilfslehrer, weswegen es verboten war, damit in die Öffentlichkeit zu gehen. Ausserdem war unser Direktor strikte gegen Schwule. Deswegen, so nahm ich an, gab es in unserer Schule auch keine. Wobei das statistisch gesehen, völlig unmöglich war. Naja, sie mussten sich halt verstecken, wie ich mich ab jetz auch.
Kurz schaute ich auf Andy, der noch tief und fest schlief, dann nahm ich mein Handy heraus. Fünf verpasste Anrufe. Alle von Dave. Was war da los? Er hatte mir Nachrichten auf dem Anrufbeantworter hinterlassen, welche ich jetzt leise abspielen liess.

Anruf in Abwesenheit Nummer 1: Jonah? Hi hier ist Dave. Wir sind im Irisch Pub, falls du dich zu uns gesellen möchtest. Tschau!

Anruf in Abwesenheit Nummer 2:
Wir haben ne Menge Alk! Komm auch! Es beginnt lustig zu werden. Selbst deine kleine Schwester ist grad hereingekommen, sie sieht echt gut aus.

Anruf in Abwesenheit Nummer 3:
Darf ich diesem Florian die Fresse pulieren? So ein verdammter Arsch! Hast du gewusst, dass er so falsch ist? Er ist vor den Augen von Chiara mit Lydia abgehauen! Ich werde den zur Schnecke machen!

Anruf in Abwesenheit Nummer 4:
Jonah, ich weiss, das eben war gerade fies von mir, aber ich muss dir was gestehen. Es ist nicht leicht für mich. Bitte ruf mich morgen früh an, ich will es dir nicht betrunken sagen. Tschüss!

Damit waren die Nachrichten auch schon zuende. Was war denn gestern alles passiert?
Langsam entfesselte ich mich vom Griff von Andy und versuchte mich aus dem Zimmer zu schleichen. Ich wollte ihn nicht wecken. Ich lief ins bereits hellgewordene Wohnzimmer und rief Dave an. War er wohl schon wach? Immerhin war er gestern lange auf und es war erst zehn Uhr.
Nach drei Biepen nahm er den Hörer auch schon ab.
"Hey Jonah! Wie geht's?" "Gut, und dir? Hast du einen Kater?" Wenn ja, würde ich ihn auslachen, so viel stand fest. "Nein, zum Glück nicht. Du, warum biste denn gestern nicht auch gekommen?" "Ich bin bei Andy zuhause." Stille. "Will er was von dir?" Ich grinste, denn ich erinnerte mich an den Abend. Er hatte mir seine Gefühle offenbart und ich meine ihm. Dann ein Kuss, leidenschaftlich wie aus einem Märchen. Zum Schluss schauten wir uns einen DVD auf seiner Couch an. Zum Schlafen waren wir in sein Zimmer gegangen. Es hatte nicht lange gedauert, bis ich in seinen Armen eingeschlafen war. "So wie es aussieht, mögen wir uns gegenseitig. Irgendwie sind wir jetzt zusammen. Aber es ist geheim. Er könnte seinen Job verlieren, da sage ich lieber nichts." Stille. Dann ein Jubelschrei. "Wirklich? Das freut mich total für dich. Endlich! Ich hatte bemerkt, dass du in seinen Stunden nervös warst, aber dass er gleich für dich empfindet freut mich wirklich, Jonah!" "Hah! Danke dir! Aber ey, was war denn jetzt gestern eigentlich los?" Seine gute Laune war mit einem Mal verschwunden. Er wurde wieder stiller, bis er schliesslich alles erzählte: "Wir waren ja im Irish Pub und da ist ja später auch Chiara mit Florian aufgetaucht- dem Arschloch. Sie hatten mit uns ne Runde getrunken, als Chiara nachhause gehen wollte. Florian ist dann total ausgeflippt, er hatte wohl zu viel von dem Alkohol. Er schrie sie an, er wolle Party machen. Das hat ihr dann nicht gefallen und sie hat ihm eine geklatscht. Hätte ich an ihrer Stelle auch gemacht. Dann wurde er richtig jähzornig, wollte sie gerade schlagen, als ich ihn davon abgewendet habe. Er war so wütend, dass er die nächste einfach geschnappt hat -Lydia. Sie gingen. Chiara ist dann auf die Toilette geflüchtet, da bin ich ihr hinterher. Ja, ich weiss, es war die Mädchentoilette, untersteh dich, darüber zu lachen." Ich riss mich ja wirklich zusammen, aber das war echt schwer. "Jedenfalls hab ich sie dann versucht aufzumuntern. Sie hatte Angst, allein nachhause zu gehen, da bin ich mit. Ich habe bei euch übernachtet. Naja, auf eurer Couch. Die ist echt bequem."
Ich lächelte. Als ob ich es nicht schon lange gewusst hätte.
"Dave?" Als er seine Geschichte beendet hatte, schwieg er für eine Weile, weshalb ich begann, zu reden. "Ja?", erklang es aus meinem Hörer. "Du bist mein Allerbester Freund und du weisst, ich liebe dich über alles. Naja, auf freundschaftlicher Basis, versteht sich.", witzelte ich. "Und weiter?" Irrte ich mich oder wurde er nervös. Unweigerlich lächelte ich. Das war ja richtig süss.
"Du hast mich nie verurteilt. Auch nicht, als ich dir sagte, was da mit Andy lief. Und selbst dann nicht, als ich dir vor einigen Minuten erklärt hatte, dass wir mehr oder weniger ein Paar sind." Stille. Aber sein Atem beschleunigte sich pro Sekunde. Ich spürte regelrecht, wie nervös er war. "Okay?" "Du bist mein bester Freund seit Kindergartenzeiten und hast dich immer auf meine Seite gestellt. Wärst du nicht da gewesen, wäre ich wahrscheinlich depressiv geworden und hätte mich erschossen." "Jetzt mach mal halblang! Worauf willst du um Gotteswillen hinaus?" Seine Neugier war geplatzt. Ich liebte es, ihn hinzuhalten und zu provuzieren. Aber jetzt war endgültig genug, ich hatte ihn lange genug auf die Folter gespannt. Es platzte förmlich aus mir heraus:
"Wann wolltest du mir sagen, dass du auf meine Schwester stehst?"

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