Kapitel 3 - Zu Gast

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I


Sydney wachte auch an diesem Tag wieder viel zu früh auf. Sogar noch früher als gestern. Ein Blick auf die Uhr auf ihrem Smartphone zeigte 6:17 an.


Seufzend legte sie das Telefon wieder beiseite. Das war ja fantastisch. Sonntag und schon so früh wach – wofür hatte man denn bitteschön ein Wochenende?

Der Vorteil an der Sache war, dass außer ihr sonst niemand noch wach war, also konnte Sydney ungestört eine Dusche nehmen. Sie erhob sich träge, schluckte ihre Tabletten, kramte ein paar Klamotten aus ihrem Schrank und ging dann hinüber zum Badezimmer am anderen Ende des Ganges – nur um festzustellen, dass die Badezimmertür verschlossen war, als sie die Klinke nach unten drückte.

„Bin schon fertig", ertönte eine Stimme dumpf von der anderen Seite. „Mome-hent!"

Sydneys Hand zuckte von der Tür zurück und sie war schon im Begriff, einfach zurück in ihr Zimmer zu fliehen, da wurde die Tür aufgerissen. Eine kolossale Dampfwolke strömte in den Gang hinaus und in ihrer Mitte leuchtete feuerrotes Haar auf.

„Oh hey Sydney", sagte Ashley, eine Zahnbürste im Mund. „Kannst schon reinkommen, ich bin gleich weg."

„N-Nein, ist schon gut, ich komm einfach spä..."

„Papperlapapp", machte Ashley nur und schob das Mädchen ins Badezimmer. „Mach dir wegen mir doch keine Umstände. Ich brauch nur noch eine Minute."

Sydney war viel zu überrumpelt, um zu widersprechen. Sie blieb mit ihrer Kleidung unter dem Arm in der Mitte des Badezimmers stehen und starrte das Mädchen an, das fortfuhr, sich energisch die Zähne zu putzen. Ashley trug im Moment nichts weiter als ein weißes Handtuch, das sie wie ein kurzes Kleid einmal um sich selbst gewickelt und über der Brust zusammengebunden hatte, aber Sydneys Anwesenheit schien sie nicht zu stören. Sie summte leise ein Lied vor sich hin, schüttelte ihr nasses Haar, wischte den komplett beschlagenen Badezimmerspiegel frei und spülte dann lautstark ihren Mund aus.

„Sorry", sagte sie dann und schob ein paar Schminksachen am Waschbeckenrand zur Seite. „Ich wusste nicht, dass du so früh aufstehst, ich dachte, ich hätte Zeit."

„Ich...", fing Sydney an und wich Ashleys Blick aus. „No-normalerweise schlafe ich auch länger."

„Ich ja auch." Jetzt, ohne Absätze, war sie tatsächlich gute fünf Zentimeter kleiner als Sydney. „Aber Luka, dieser komische Kauz, wacht jeden Tag um fünf auf, um stundenlang Morgenyoga zu machen und da soll man dann daneben ausschlafen können." Sie kräuselte die Nase und kicherte dann mädchenhaft. „Ach Gott, da steh ich wieder und rede nur über mich selbst. Geht's dir besser?"

„Besser?"

„Deine Mutter meinte gestern, dir wäre übel."

Sydney zog eine Grimasse. „Geht schon wieder", wich sie aus und musterte ihr Gegenüber zum ersten Mal etwas genauer, als Ashley sich umdrehte, um ihren Kleiderstapel wieder aufzunehmen, den sie auf der Schmutzwäschetonne aufgeschichtet hatte.

Kein Kratzer.

Sofern Ashley nicht unter dem Handtuch irgendwo ein paar riesige Narben versteckte, war sie absolut makellos. Schultern, Schulterblätter, Arme, Beine, alles davon schien so glatt wie Seide zu sein. Nicht einmal Muttermale oder Sommersprossen, geschweige denn Pickel. Sydney dachte verzweifelt daran, in welchem Zustand ihr eigener Rücken war und fühlte wieder diese Mischung aus Frust und Neid, die sie seit ihrer ersten Begegnung gestern immer wieder übermannte. Es war nicht fair.

Sydney, Ash & MonsterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt